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»HT?«

»Sorry. Plague nennt das immer HT. Hostile Takeover, feindliche Übernahme.«

»Aha.«

»Jetzt kommt was ganz Raffiniertes. Wenn die ganze Aktion abgeschlossen ist, hat Wennerström zwei komplette Festplatten, eine auf seiner eigenen Kiste, eine auf unserem Server. Das nächste Mal, wenn er seinen Computer startet, startet er eigentlich sein Computer-Spiegelbild. Er arbeitet nicht mehr auf seinem eigenen Computer, sondern auf unserem Server. Sein Computer wird einen Tick langsamer, aber das ist kaum merkbar. Und wenn ich mit dem Server verbunden bin, dann kann ich seinen Computer live anzapfen. Wann immer Wennerström eine Taste drückt, kann ich das auf meinem Bildschirm mitverfolgen.«

»Ich nehme mal an, dieser Kumpel von dir ist auch ein Hacker.«

»Das war der, der auch die Abhöraktion in London organisiert hat. Er ist sozial ein bisschen inkompetent und trifft sich nie mit Menschen, aber im Netz ist er eine echte Legende.«

»Okay«, sagte Mikael und lächelte sie resigniert an. »Frage Nummer zwei: Warum hast du mir nicht früher von Wennerström erzählt?«

»Du hast mich ja nie gefragt.«

»Mal angenommen, ich wäre dir nie begegnet, dann hättest du dieses Wissen über Wennerströms verbrecherische Machenschaften für dich behalten, während Millennium in Konkurs gegangen wäre, stimmt’s?«

»Niemand hat mich gebeten, Wennerström zu überführen«, gab Lisbeth in altklugem Ton zurück.

»Und wenn dich jemand gebeten hätte?«

»Ich habe es doch jetzt erzählt«, antwortete sie defensiv.

Mikael ließ das Thema fallen.

Der Inhalt von Wennerströms Computer nahm Mikael völlig gefangen. Lisbeth hatte sämtliche Dateien seiner Festplatte auf ungefähr zehn CDs gebrannt - knapp fünf Gigabyte - und kam sich vor, als wäre sie mehr oder weniger in Mikaels Wohnung mit eingezogen. Geduldig wartete sie und beantwortete all seine Fragen.

»Ich verstehe einfach nicht, wie er so unglaublich blöd sein kann, das ganze Material zu seinen schmutzigen Machenschaften auf einer Festplatte zu sammeln«, wunderte sich Mikael. »Wenn das irgendwann bei der Polizei landet …«

»Die Leute denken da nicht rational. Er kann sich vermutlich nicht vorstellen, dass die Polizei jemals seinen Computer beschlagnahmen könnte.«

»Er muss doch Sicherheitsberater haben, die ihm sagen, was er beim Umgang mit seinem Computer beachten muss. Da ist Material drauf, das geht bis 1993 zurück.«

»Der Computer ist ziemlich neu. Er wurde vor einem Jahr hergestellt, aber er scheint seine gesamte alte Korrespondenz und Ähnliches auf seine Festplatte kopiert zu haben, anstatt das Ganze auf CDs zu brennen. Doch er benutzt auf jeden Fall ein Verschlüsselungsprogramm.«

»Das ihm nicht viel nutzt, wenn du in seinem Computer bist und jedes Passwort mitlesen kannst, das er eingibt.«

Nach vier Tagen rief plötzlich Christer Malm auf Mikaels Handy an und weckte ihn um drei Uhr nachts.

»Henry Cortez war heute mit einer Freundin in der Kneipe.«

»Aha«, antwortete Mikael schlaftrunken.

»Auf dem Heimweg sind sie noch in einer anderen Kneipe bei Centralen gelandet.«

»Kein guter Ort, um jemand zu verführen.«

»Hör zu. Janne Dahlman hat Urlaub. Cortez hat ihn plötzlich mit einem anderen Mann an einem Tisch entdeckt.«

»Ja und?«

»Henry hat ihn wiedererkannt - es war auch ein Journalist. Krister Söder.«

»Der Name kommt mir bekannt vor, aber …«

»Er arbeitet beim Wirtschaftsmagazin Monopol, das der Wennerström-Gruppe gehört.«

Mikael setzte sich im Bett auf und überlegte.

»Bist du noch dran?«

»Ja, ich bin noch dran. Das muss nichts heißen. Söder ist ein ganz normaler Journalist und kann auch ein alter Bekannter von Dahlman sein.«

»Dann bin ich eben paranoid. Vor drei Monaten hat Millennium eine Reportage von einem Freelancer eingekauft. Eine Woche bevor wir sie veröffentlichen wollten, brachte Söder eine fast identische Enthüllungsstory. Es war dieselbe Geschichte - ein Handyhersteller hat einen Bericht unterdrückt, in dem aufgedeckt wurde, dass er ein fehlerhaftes Teil verwendet, das einen Kurzschluss verursachen kann.«

»So was kann doch immer mal vorkommen. Hast du mit Erika gesprochen?«

»Nein, die ist noch im Urlaub und kommt erst nächste Woche zurück.«

»Unternimm nichts. Ich ruf dich später zurück«, sagte Mikael und schaltete sein Handy aus.

»Probleme?«, fragte Lisbeth.

»Millennium«, sagte Mikael. »Ich muss mal kurz vorbeischauen. Hast du Lust mitzukommen?«

Es war vier Uhr morgens, die Redaktion menschenleer. Lisbeth brauchte ungefähr drei Minuten, um das Passwort von Janne Dahlmans Computer zu knacken und weitere zwei Minuten, um den gesamten Inhalt auf Mikaels iBook zu überspielen.

Der Großteil der Mails befand sich allerdings in Dahlmans eigenem Laptop, auf den sie keinen Zugriff hatten. Aber über den Computer an seinem Arbeitsplatz konnte Lisbeth feststellen, dass Dahlman außer seiner »millennium.se«-Mailadresse noch einen privaten Account bei Hotmail hatte. Sie brauchte sechs Minuten, um das Hotmailkonto zu knacken und seine Korrespondenz des letzten halben Jahres herunterzuladen. Fünf Minuten später hatte Mikael genügend Belege dafür, dass Janne Dahlman interne Informationen über die Situation bei Millennium nach außen gegeben und den Redakteur von Monopol über geplante Reportagen auf dem Laufenden gehalten hatte. Diese Spionage war mindestens seit dem letzten Herbst im Gange.

Sie schalteten die Computer wieder aus, gingen zurück in Mikaels Wohnung und schliefen ein paar Stunden. Am nächsten Morgen um zehn Uhr rief er Christer Malm an.

»Ich habe Beweise, dass Dahlman für Wennerström arbeitet.«

»Hab ich mir’s doch gedacht. Okay, dann werf ich das verdammte Schwein heute endgültig raus.«

»Tu’s nicht. Tu überhaupt nichts.«

»Nichts?«

»Vertrau mir, Christer. Wie lange ist Dahlman noch in Urlaub?«

»Am Montag fängt er wieder an.«

»Wie viele sind heute in der Redaktion?«

»Tja, hier ist es halb leer.«

»Kannst du für zwei Uhr ein Meeting einberufen? Sag nicht, worum es geht. Ich komme dann zu euch.«

Sechs Leute saßen vor Mikael am Konferenztisch. Christer Malm sah müde aus, Henry Cortez hingegen so frisch verliebt, wie es nur Vierundzwanzigjährige sein können. Monika Nilsson wirkte gespannt. Christer Malm hatte mit keinem Wort angedeutet, worum es bei diesem Meeting gehen würde, aber sie war lange genug dabei, um zu wissen, dass hier etwas Ungewöhnliches im Busch war. Außerdem passte es ihr nicht, dass man sie aus dem information loop herausgehalten hatte. Die Einzige, die aussah wie immer, war die Teilzeitangestellte Ingela Oskarsson, die sich zwei Tage pro Woche um die administrativen Aufgaben, das Abonnentenregister und Ähnliches kümmerte. Sie wirkte nicht mehr sonderlich gestresst, seit sie vor zwei Jahren Mutter geworden war. Die andere Teilzeitkraft war die freiberufliche Journalistin Lotta Karim, die einen ähnlichen Vertrag wie Henry Cortez hatte und gerade aus dem Urlaub gekommen war. Christer war es auch gelungen, Sonny Magnusson aus seinem Urlaub in die Redaktion zu bestellen.

Mikael begrüßte sie alle und bat erst einmal um Verzeihung, dass er während des ganzes Jahres derart durch Abwesenheit geglänzt hatte.

»Was wir heute mit euch besprechen wollen, konnten Christer und ich noch nicht mit Erika diskutieren, aber ich versichere euch, dass ich mit ihr reden werde. Heute müssen wir über die Zukunft von Millennium entscheiden.«