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Christer Malm sah verlegen aus.

»Ich habe dir immer vertraut, Mikael. Soll das bedeuten, dass du mir nicht mehr vertraust?«

Mikael lachte.

»Nein. Aber momentan gehe ich einer kriminellen Aktivität nach, die mir zwei Jahre Gefängnis einbringen kann. Meine Recherchemethoden sind sozusagen ein bisschen zweifelhaft … Ich spiele mit ebenso ›fairen‹ Methoden wie Wennerström, und ich will nicht, dass du oder Erika oder jemand sonst von Millennium da mit hineingezogen wird.«

»Du beherrschst die Kunst, mich nervös zu machen.«

»Beruhig dich. Und sag Erika, die Story wird groß. Richtig groß.«

»Erika wird wissen wollen, was du da treibst.«

Mikael überlegte kurz. Dann lächelte er.

»Richte ihr aus, als sie im Frühjahr hinter meinem Rücken den Vertrag mit Henrik Vanger aufgesetzt hat, hat sie mir deutlich gemacht, dass ich ab jetzt keinen Einfluss mehr auf die Geschäftspolitik von Millennium habe. Das heißt dann ja wohl auch, dass ich sie nicht mehr informieren muss. Aber ich verspreche, wenn sie sich gut benimmt, dann hat sie das Vorkaufsrecht auf meine Story.«

Christer Malm musste plötzlich loslachen.

»Sie wird rasen vor Wut«, stellte er fröhlich fest.

Mikael musste sich eingestehen, dass er nicht ganz ehrlich zu Christer gewesen war. Er ging Erika bewusst aus dem Weg. Normalerweise hätte er direkt Kontakt mit ihr aufnehmen und sie einweihen müssen. Aber er wollte nicht mit ihr reden. Dutzende von Malen hatte er das Handy in die Hand genommen, um sie anzurufen. Und jedes Mal hatte er es sich wieder anders überlegt.

Er wusste, wo das Problem lag. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen.

Die Vertuschung, an der er sich in Hedestad beteiligte, war vom journalistischen Standpunkt aus einfach unverzeihlich. Er hatte keine Ahnung, wie er es ihr erklären sollte, ohne zu lügen, und wenn es etwas auf der Welt gab, das er niemals tun wollte, dann war es Erika anzulügen.

Und vor allem konnte er sich damit nicht auseinandersetzen, solange er mit Wennerström beschäftigt war. Also schob er ihr Treffen auf, schaltete sein Handy aus und verzichtete darauf, mit ihr zu reden. Er wusste jedoch, dass das nur ein Aufschub war.

Unmittelbar nach der Redaktionssitzung zog Mikael in sein Sommerhäuschen in Sandhamn, wo er seit einem Jahr nicht mehr gewesen war. In seinem Gepäck befanden sich zwei Kartons mit ausgedrucktem Material und die CDs, die Lisbeth ihm mitgegeben hatte. Er kaufte Lebensmittel auf Vorrat, schloss sich ein, klappte sein iBook auf und begann zu schreiben. Jeden Tag machte er einen kurzen Spaziergang, holte Zeitungen und kaufte ein. Im Gästehafen lagen immer noch lauter Segelboote, und all die Jugendlichen, die sich Papis Boot ausgeliehen hatten, hockten wie immer in der Taucherbar und betranken sich sinnlos. Mikael nahm seine Umwelt kaum wahr. Er saß praktisch von morgens, wenn er die Augen aufschlug, bis abends, wenn er vor Erschöpfung fast umfiel, vor seinem Computer.

Verschlüsselte E-Mail Chefredakteurin <erika.berger@millennium. se> an den verantwortlichen Herausgeber <mikael. blomkvist@millennium.se>:

Mikael, ich muss wissen, was hier läuft - Herrgott noch mal, ich komme aus dem Urlaub nach Hause ins totale Chaos. Die Neuigkeit über Janne Dahlman und dieses doppelte Spiel, das du dir ausgedacht hast. Martin Vanger ist tot. Harriet lebt. Was ist da oben in Hedeby eigentlich los? Wo bist du? Gibt es irgendeine Story? Warum gehst du nicht ans Handy? E. P. S.: Die Stichelei wegen letztem Frühjahr, die Christer mir genüsslich übermittelt hat, habe ich verstanden. Das zahle ich dir heim. Bist du im Ernst sauer auf mich?

Von <mikael.blomkvist@millennium.se> an <erika.berger@millennium.se>:

Hallo, Ricky. Nein, um Gottes willen, ich bin nicht sauer. Entschuldige, dass ich dich nicht auf dem Laufenden gehalten habe, aber in den letzten Monaten war mein Leben eine Achterbahn. Ich werde dir alles erzählen, wenn wir uns wiedersehen, aber nicht via E-Mail. Ich bin momentan in Sandhamn. Es gibt eine Story, aber Harriet Vanger ist es nicht. Ich werde die nächste Zeit hier nicht wegkommen. Danach ist aber alles vorbei. Vertrau mir. Gruß und Kuss, M.

Von <erika.berger@millennium.se> an <mikael.blomkvist@millennium.se>:

Sandhamn? Ich komme dich sofort besuchen.

Von <mikael.blomkvist@millennium.se> an <erika.berger@millennium.se>:

Ich will im Moment keinen Besuch. Warte ein paar Wochen, zumindest bis ich den Text so weit in Ordnung habe. Außerdem erwarte ich noch anderen Besuch.

Von <erika.berger@millennium.se> an <mikael.blomkvist@millennium.se>:

Dann werde ich selbstverständlich nicht kommen. Aber ich muss wissen, was hier läuft. Henrik Vanger ist wieder Geschäftsführer und geht nicht ans Telefon, wenn ich anrufe. Wenn die Vereinbarung mit Vanger irgendwie geplatzt ist, dann muss ich das wissen. Im Moment weiß ich gar nicht, was ich tun soll. Ich muss wissen, ob das Magazin überlebt oder nicht. Ricky

P. S.: Wer ist sie?

Von <mikael.blomkvist@millennium.se> an <erika.berger@millennium.se>:

Hallo, Erika. Erstens: Du kannst völlig beruhigt sein, Henrik wird sich nicht zurückziehen. Aber er hatte einen schweren Herzanfall und arbeitet momentan wenig. Ich schätze, dass das Chaos nach Martins Tod und Harriets Wiederauferstehung seine ganze Kraft beansprucht. Zweitens: Millennium wird überleben. Ich arbeite derzeit an der wichtigsten Reportage unseres Lebens, und wenn wir damit an die Öffentlichkeit gehen, dann vernichten wir Wennerström ein für alle Mal. Drittens: Mein Leben steht gerade Kopf, aber du und ich und Millennium - da hat sich nichts verändert. Vertrau mir. Küsschen. Mikael.

P. S.: Ich werde Euch einander vorstellen, sobald sich die Gelegenheit ergibt. Sie wird dir einen Floh ins Ohr setzen.

Als Lisbeth ihn in Sandhamn besuchen kam, traf sie einen unrasierten und hohläugigen Mikael an, der sie nach flüchtiger Umarmung bat, Kaffeewasser aufzusetzen und zu warten, bis er seinen Text abgeschlossen hatte.

Lisbeth sah sich in der Hütte um und stellte fast sofort fest, dass sie sich hier wohlfühlte. Das Häuschen stand direkt am Wasser, zwei Meter von der Eingangstür war der Bootssteg. Es war nur sechs mal fünf Meter groß, aber so hoch, dass man über eine Wendeltreppe zum Schlafgeschoss hinaufsteigen konnte. Sie konnte aufrecht stehen, Mikael musste den Kopf einziehen. Als sie das Bett inspizierte, stellte sie fest, dass es breit genug für sie beide war.

Die Hütte hatte ein großes Fenster zum Meer hin, direkt neben der Eingangstür. Dort stand Mikaels Küchentisch, der gleichzeitig als Schreibtisch diente. An der Wand neben dem Tisch stand ein Regal mit einem CD-Player, einer großen Elvis-Presley-Sammlung und ein bisschen Hardrock - in puncto Musik vielleicht nicht gerade Lisbeths erste Wahl.

In einer Ecke stand ein Kachelofen mit Glasfront. Ansonsten bestand die Möblierung nur aus einem großen Kleiderschrank, der an der Wand festgemacht war, und einer Spüle, die man zur Badezimmernische umfunktionieren konnte, indem man den Duschvorhang rundherum zuzog. Dort gab es ein weiteres Fenster. Die ganze Hütte war wie eine Kajüte eingerichtet, in der jeder Stauraum clever genutzt wurde.

In ihrem Untersuchungsbericht zu Mikael Blomkvist hatte sie festgehalten, dass er die Hütte selbst renoviert und die Einrichtung eigenhändig getischlert hatte - das hatte sie aus der E-Mail eines seiner Bekannten geschlossen, der von seinem handwerklichen Geschick sehr beeindruckt war. Alles war sauber, bescheiden und einfach, fast schon spartanisch. Sie konnte verstehen, warum er sein Sommerhäuschen in Sandhamn so liebte.

Zwei Stunden später war es ihr endlich gelungen, Mikael so weit abzulenken, dass er frustriert den Computer ausschaltete, sich rasierte und ihr eine Führung durch Sandhamn zuteil werden ließ. Das Wetter war regnerisch und windig, und wenig später landeten sie in der Kneipe. Mikael erzählte, was er bis jetzt geschrieben hatte, und Lisbeth gab ihm eine CD mit Updates von Wennerströms Computer.