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P. S.: Du fehlst mir. Ich hab das Gefühl, dass in Hedestad etwas ganz Schreckliches passiert ist. Christer hat erzählt, du hättest da so eine seltsame Narbe - Würgemale? - am Hals.

Von <mikael.blomkvist@millennium.se> an <erika.berger@millennium.se>:

Hallo, Ricky. Die Story von Harriet Vanger ist so entsetzlich und grauenvoll, das kannst du dir nicht vorstellen. Bemerkenswert, dass sie sie dir selbst erzählen will. Ich mag nicht einmal daran denken.

In der Zwischenzeit verbürge ich mich dafür, dass du Harriet Vanger vertrauen kannst. Sie ist mir wirklich zu tiefem Dank verpflichtet und wird niemals etwas tun, womit sie Millennium schaden könnte - glaub mir.

Werde ihre Freundin, wenn du sie magst. Lass es, wenn du sie nicht magst. Aber sie verdient Respekt. Diese Frau schleppt eine schwere Last mit sich herum, und ich hege große Sympathien für sie. M.

Am nächsten Tag bekam Mikael noch eine Mail.

Von <harriet.vanger@vangerindustries.com> an <mikael.blomkvist@millennium.se>:

Hallo, Mikael, seit ein paar Wochen versuche ich nun schon, mich bei Ihnen zu melden, aber wie es aussieht, reicht meine Zeit einfach nie. Sie sind so schnell aus Hedeby verschwunden, dass ich mich gar nicht persönlich von Ihnen verabschieden konnte.

Seit ich nach Schweden zurückgekehrt bin, habe ich eine Zeit Schwindel erregender Eindrücke und harter Arbeit erlebt. Der Vanger-Konzern steckt im Chaos, und ich habe mit Henrik gemeinsam daran gearbeitet, die Geschäfte wieder in Ordnung zu bringen. Heute habe ich Millennium besucht, wo ich Henriks Stellvertretung übernehmen werde. Henrik hat mir ausführlich von Ihnen und der Situation des Magazins berichtet.

Ich hoffe, Sie können akzeptieren, dass ich auf diese Art und Weise wieder auftauche. Wenn Sie mich (oder irgendjemand sonst aus meiner Familie) nicht in Ihrem Führungsstab haben wollen, kann ich Ihre Gefühle gut verstehen, aber ich werde alles tun, um Millennium zu helfen. Ich fühle mich tief in Ihrer Schuld und versichere Ihnen, meine Absichten werden in diesem Zusammenhang immer die besten sein.

Ich habe Ihre Freundin Erika Berger kennengelernt. Ich weiß nicht recht, was sie von mir hält, und ich habe mich gewundert, dass Sie ihr nicht erzählt haben, was alles geschehen ist.

Ich will sehr gerne Ihre Freundin bleiben. Falls Sie überhaupt noch jemand aus der Familie Vanger ertragen können. Einen herzlichen Gruß, Harriet

Von <mikael.blomkvist@millennium.se> an <harriet.vanger@vangerindustries.com>:

Hallo, Harriet. Ich bin überstürzt aus Hedeby verschwunden und sitze nun an der Geschichte, an der ich eigentlich dieses Jahr hätte arbeiten müssen. Ich werde Sie rechtzeitig informieren, bevor der Artikel in Druck geht, aber ich wage jetzt schon zu sagen, dass die Probleme des vergangenen Jahres bald überstanden sein werden.

Ich hoffe, Erika und Sie werden Freundinnen, und ich habe selbstverständlich kein Problem damit, dass Sie im Führungskreis von Millennium auftauchen. Ich werde Erika auch alles erzählen. Aber momentan habe ich weder die Kraft noch die Zeit und will erst noch ein bisschen Distanz zu den Geschehnissen gewinnen.

Lassen Sie uns in Kontakt bleiben.

Herzlichen Gruß, Mikael

Lisbeth schenkte Mikaels Tätigkeit kein allzu großes Interesse. Sie entspannte sich und vertrieb sich die Zeit, indem sie Bücher las und im Internet surfte. Sie blickte auf, als Mikael etwas sagte, was sie nicht gleich verstand.

»Tut mir leid. Ich habe laut gedacht. Ich habe gerade gesagt, das ist ja heftig.«

»Was ist heftig?«

»Wennerström hatte eine Affäre mit einer zweiundzwanzigjährigen Kellnerin, die er geschwängert hat. Hast du seinen Schriftverkehr mit seinem Anwalt nicht gelesen?«

»Bitte, Mikael - du hast da zehn Jahre Schriftverkehr, E-Mails, Verträge, Reiseunterlagen und weiß Gott was alles auf dieser Festplatte. So fasziniert bin ich nun auch wieder nicht von Wennerström, dass ich mich auf sechs Gigabyte von diesem Blödsinn stürze. Ich habe einen Bruchteil davon gelesen, um meine Neugier zu befriedigen und festzustellen, dass er ein Verbrecher ist.«

»Okay. Er hat sie 1997 geschwängert. Als sie Geld wollte, setzte sein Rechtsanwalt jemand darauf an, sie zu einer Abtreibung zu überreden. Das sah dann so aus, dass einer seiner Handlanger sie in einer gefüllten Badewanne so lange unter Wasser drückte, bis sie endlich versprach, Wennerström in Frieden zu lassen. Und das teilt dieser Idiot von Anwalt ihm in einer Mail mit - verschlüsselt zwar, aber trotzdem … Ich würde fast sagen, mit der Intelligenz ist es bei diesem Haufen nicht allzu weit her.«

»Was ist mit dem Mädchen weiter passiert?«

»Sie hat abgetrieben. Wennerström war zufrieden.«

Lisbeth Salander schwieg ganze zehn Minuten. Ihre Augen waren plötzlich schwarz.

»Noch so ein Mann, der Frauen hasst«, murmelte sie schließlich. Mikael hörte sie nicht.

Sie griff sich die CDs und verbrachte die nächsten Tage damit, Wennerströms E-Mails und andere Dokumente sorgfältig durchzulesen. Während Mikael weiterarbeitete, saß Lisbeth auf dem Bett, ihr PowerBook auf den Knien, und dachte gründlich über Wennerströms merkwürdiges Imperium nach.

Mit einem Mal kam ihr ein seltsamer Gedanke, der sie nicht mehr losließ. Am meisten wunderte sie sich darüber, dass sie nicht schon eher darauf gekommen war.

Ende Oktober druckte Mikael eine Seite aus und schaltete den Computer schon um elf Uhr vormittags aus. Wortlos kletterte er zum Schlafloft hinauf und hielt Lisbeth einen dicken Stapel Papier hin. Dann schlief er ein. Am Abend weckte sie ihn wieder auf und brachte ihre Ansichten zu seinem Text vor.

Kurz nach zwei Uhr morgens machte Mikael eine letzte Sicherungskopie. Sie fuhren gemeinsam nach Stockholm.

Bevor sie in Stockholm ankamen, hatte Mikael noch eine heikle Frage mit Lisbeth zu klären. Er schnitt das Thema an, als sie auf dem Vaxholmsboot Kaffee aus Pappbechern tranken.

»Wir müssen uns darauf einigen, was ich Erika erzählen soll. Sie wird sich weigern, meinen Artikel zu veröffentlichen, wenn ich ihr nicht erklären kann, wie ich zu dem Material gekommen bin.«

Erika Berger. Mikaels langjährige Geliebte und Chefredakteurin. Lisbeth war ihr nie begegnet und wusste auch nicht, ob sie das überhaupt wollte. Sie war eine Art undefinierbare Störung in Lisbeths Dasein.

»Was weiß sie von mir?«

»Nichts.« Er seufzte. »Ich gehe Erika tatsächlich seit dem Sommer aus dem Weg. Ich konnte ihr nicht erzählen, was in Hedestad passiert ist, weil ich mich einfach so verflucht schäme. Sie ist ganz schön frustriert, weil ich derartig mit meinen Informationen geize. Sie weiß natürlich, dass ich in Sandhamn war und diesen Text geschrieben habe, aber sie weiß nicht, worum es geht.«

»Hmm.«

»In ein paar Stunden bekommt sie das Manuskript. Und dann wird sie mich gehörig in die Zange nehmen. Die Frage ist, was ich ihr sagen soll.«

»Was willst du sagen?«

»Ich will ihr die Wahrheit erzählen.«

Zwischen Lisbeths Augenbrauen bildete sich eine senkrechte Falte.

»Erika und ich streiten fast immer, weißt du. Das gehört quasi zu unserem Umgangston. Aber wir vertrauen einander bedingungslos. Sie ist absolut zuverlässig. Du bist eine Quelle. Sie würde eher sterben, als deine Identität preiszugeben.«

»Wie vielen Leuten wirst du es noch erzählen müssen?«

»Absolut niemandem. Das werden Erika und ich mit ins Grab nehmen. Aber ich werde ihr dein Geheimnis nicht verraten, wenn du nicht willst. Allerdings werde ich auch keine Quelle erfinden, die es gar nicht gibt.«

Lisbeth dachte darüber nach, bis sie unterhalb des Grand Hotels anlegten. Konsequenzanalyse. Schließlich erlaubte sie Mikael widerwillig, sie Erika vorzustellen. Er schaltete sein Handy ein und rief sie an.

Mikaels Anruf erreichte Erika Berger während eines Mittagessens mit Malin Eriksson, die sie vielleicht als Assistentin einstellen wollte. Malin war neunundzwanzig und hatte fünf Jahre als Springerin gearbeitet. Sie hatte noch nie einen festen Job gehabt und begann langsam den Mut zu verlieren. Die Stelle war nicht in einer Anzeige ausgeschrieben worden, vielmehr hatte Erika einen Tipp von einem alten Bekannten bei einer Wochenzeitung bekommen, der ihr Malin empfahl.