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»Du brauchst dir kein Geld von mir zu leihen«, sagte er. »Wir haben noch nicht über deinen Anteil geredet, aber der wird gut und gerne den Betrag abdecken, den du dir ausleihen willst.«

»Anteil?«

»Ich werde noch ein wahnsinnig hohes Honorar von Henrik Vanger einstreichen, und zum Jahreswechsel rechnen wir ab. Ohne dich wäre ich tot und Millennium untergegangen. Ich habe vor, dieses Honorar mit dir zu teilen. Fifty-fifty.«

Lisbeth sah ihn forschend an. Auf ihrer Stirn hatte sich eine Falte gebildet. Mikael hatte sich langsam an ihr minutenlanges Schweigen gewöhnt und ließ sie in Ruhe nachdenken. Schließlich schüttelte sie den Kopf.

»Ich will dein Geld nicht.«

»Aber …«

»Ich will keine einzige Krone von dir.« Auf einmal setzte sie wieder ihr schiefes Grinsen auf. »Es sei denn, das Geld kommt in Form von Geburtstagsgeschenken.«

»Ich weiß gar nicht, wann du Geburtstag hast.«

»Du bist doch Journalist. Finde es raus.«

»Wirklich, Lisbeth, ich meine es ernst, ich will dieses Geld mit dir teilen.«

»Ich meine es auch ernst. Ich will dein Geld nicht. Ich will mir 120 000 Kronen leihen, und ich brauche sie morgen.«

Mikael schwieg. Sie fragt nicht einmal, wie groß ihr Anteil ist. »Okay, ich gehe heute mit dir zur Bank und leihe dir die Summe, die du haben willst. Aber zum Jahreswechsel sprechen wir noch mal über deinen Anteil.« Er hob die Hand. »Wann hast du denn eigentlich Geburtstag?«

»In der Walpurgisnacht«, sagte sie. »Passt prima, was? Da lauf ich dann mit einem Besen zwischen den Beinen rum.«

Sie landete um halb acht Uhr abends in Zürich und nahm ein Taxi zum Hotel Matterhorn. Sie hatte ein Zimmer auf den Namen Irene Nesser gebucht und wies sich mit einem norwegischen Pass aus. Irene Nesser hatte schulterlanges blondes Haar. Die Perücke hatte sie in Stockholm gekauft und 10 000 Kronen ihres Darlehens von Mikael Blomkvist darauf verwendet, sich über einen der obskuren Kontakte von Plagues internationalem Netzwerk zwei Pässe zu besorgen.

Sie ging sofort auf ihr Zimmer, schloss die Tür ab und zog sich aus. Dann legte sie sich aufs Bett und guckte an die Decke des Zimmers, das 1600 Kronen pro Nacht kostete. Sie fühlte sich leer. Die Hälfte der Summe, die sie sich von Mikael geliehen hatte, war schon unter die Leute gebracht. Obwohl sie ihre eigenen Ersparnisse dazugegeben hatte, war ihr Budget schon recht schmal. Sie hörte auf nachzudenken und schlief rasch ein.

Um kurz nach fünf Uhr morgens wachte sie auf. Als Erstes duschte sie und verwandte dann einige Zeit darauf, das Tattoo auf ihrem Hals mit einer dicken Schicht hautfarbener Creme abzudecken und den Übergang mit Puder zu kaschieren. Der nächste Punkt auf ihrer Checkliste war die Anmeldung im Schönheitssalon eines wesentlich teureren Hotels um halb sieben. Sie kaufte sich noch eine blonde Perücke, diesmal mit einer Pagenfrisur. Danach Maniküre, rote Nägel auf ihre abgebissenen Stummel kleben lassen, falsche Wimpern, noch mehr Puder, Rouge und schließlich Lippenstift und anderes Geschmier. Kosten: knapp 8000 Kronen.

Sie bezahlte mit einer Kreditkarte, die auf den Namen Monica Sholes ausgestellt war, und legte einen englischen Pass mit demselben Namen vor, der ihre Identität bestätigte.

Der nächste Anlaufpunkt war Camille’s House of Fashion, 150 Meter die Straße herunter. Nach einer Stunde kam sie in schwarzen Stiefeln, schwarzer Strumpfhose, einem sandfarbenen Rock mit passender Bluse, einer taillenkurzen Jacke und einer Baskenmütze wieder heraus. Lauter teure Markenkleidung. Sie hatte eine Verkäuferin die Auswahl treffen lassen. Sogar eine exklusive Aktentasche aus Leder und einen kleinen Samsonite-Reisekoffer hatte sie sich noch ausgesucht. Die Krönung des Werkes waren diskrete Ohrringe und eine einfache Halskette aus Gold. Die Kreditkarte war mit nochmals 44 000 Kronen belastet worden.

Außerdem hatte Lisbeth Salander zum ersten Mal in ihrem Leben Brüste, die sie nach Luft schnappen ließen, als sie ihr Spiegelbild in der Tür sah. Die Brüste waren genauso falsch wie Monica Sholes’ Identität. Sie waren aus Latex, und Lisbeth hatte sie in einem Laden in Kopenhagen gekauft, in dem sich Transvestiten eindeckten.

Sie war bereit zum Kampf.

Um kurz nach neun ging sie zwei Blöcke weiter zum traditionsreichen Hotel Zimmertal, wo sie auf den Namen Monica Sholes ein Zimmer gebucht hatte. Dort gab sie einem Boy, der ihr den neuen Koffer hinaufgetragen hatte, in dem sich ihre schlichte Reisetasche befand, umgerechnet 100 Kronen Trinkgeld. Die Suite war klein und kostete nur 22 000 Kronen pro Tag. Sie hatte eine Nacht gebucht. Als sie alleine war, sah sie sich um. Vom Fenster hatte sie einen wundervollen Ausblick auf den Zürichsee, was ihr vollkommen gleichgültig war. Sie verbrachte jedoch fünf Minuten damit, sich mit großen Augen im Spiegel zu betrachten. Sie sah einen völlig fremden Menschen.

Die vollbusige Monica Sholes mit dem blonden Pagenkopf trug mehr Make-up, als Lisbeth Salander in einem ganzen Monat verbrauchte. Es sah … anders aus.

Um halb zehn frühstückte sie endlich - zwei Tassen Kaffee und einen Bagel mit Marmelade in der Hotelbar. Kostenpunkt 210 Kronen.

Kurz vor zehn stellte Monica Sholes die Kaffeetasse ab, schaltete ihr Handy an und wählte die Nummer eines Modems in Hawaii, USA. Nach drei Klingeltönen hörte sie, wie die Verbindung hergestellt wurde. Das Modem wählte sich ein. Monica Sholes gab daraufhin einen sechsstelligen Code auf ihrem Handy ein und schickte eine SMS mit der Anweisung, das Programm zu starten, das Lisbeth Salander extra für diesen Zweck geschrieben hatte.

In Honolulu erwachte das Programm auf einer anonymen Website zum Leben, die sich auf einem Server befand, der offiziell zur Universität gehörte. Das Programm war sehr einfach. Es hatte nur die Funktion, ein anderes Programm auf einem völlig anderen Server zu starten, diesmal eine ganz gewöhnliche kommerzielle Seite, die in Holland Internetdienste anbot. Dieses Programm wiederum hatte die Aufgabe, das Spiegelbild von Hans-Erik Wennerströms Computer zu finden und das Kommando über das Programm zu übernehmen, das den Inhalt seiner rund 3000 Bankkonten rund um den Globus anzeigte.

Nur eines von ihnen war von Interesse. Lisbeth hatte bemerkt, dass Wennerström dieses Konto ein paarmal pro Woche kontrollierte. Wenn er seinen Computer startete und genau diese Datei öffnete, würde für ihn alles ganz normal aussehen. Das Programm zeigte kleine Kontobewegungen, die im Rahmen des Üblichen lagen, berechnet auf Basis der Schwankungen der letzten sechs Monate. Sollte Wennerström in den nächsten 48 Stunden die Auszahlung oder den Transfer einer Summe verlangen, würde das Programm brav melden, dass der Befehl ausgeführt worden war. In Wirklichkeit wäre diese Veränderung aber nur auf der gespiegelten Festplatte in Holland vollzogen worden.

Monica Sholes schaltete das Handy ab, nachdem sie vier kurze Töne gehört hatte, die ihr bestätigten, dass das Programm gestartet worden war.

Sie verließ das Hotel Zimmertal und schlenderte quer über die Straße zur Bank Hauser General, wo sie für zehn Uhr einen Termin mit dem Direktor namens Wagner ausgemacht hatte. Sie war drei Minuten vor der verabredeten Zeit dort und verbrachte die Wartezeit damit, vor der Überwachungskamera zu posieren. Dann betrat sie die Abteilung für diskrete Privatberatung.

»Ich brauche Hilfe bei ein paar Transaktionen«, sagte Monica Sholes in untadeligem Oxford-Englisch. Als sie ihre Aktentasche öffnete, fiel zufällig ein Reklamekugelschreiber zu Boden, der zeigte, dass sie im Hotel Zimmertal residierte, und den Direktor Wagner ihr höflich aufhob. Sie schenkte ihm ein schelmisches Lächeln und schrieb die Kontonummer auf einen Block, der vor ihr auf dem Tisch lag.

Wagner musterte sie kurz und ordnete sie als verwöhnte Tochter eines Herrn Sowieso ein.

»Es geht um ein paar Konten bei der Bank of Kronenfeld auf den Cayman Islands. Automatischer Transfer mit Clearingcodes.«

»Sie haben selbstverständlich alle Clearingcodes parat, Fräulein Sholes?«, fragte er.