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Der Druck wurde so groß, dass ernste Männer in dunklen Anzügen ihre Stirn in Falten legten und gegen die wichtigste Regel jener exklusiven Gesellschaft verstießen, die den innersten Kreis der schwedischen Hochfinanzwelt bildeten - sie äußerten sich über einen Kollegen. Plötzlich gaben pensionierte Volvo-Chefs, Industriekapitäne und Bankdirektoren Fernsehinterviews, um den Schaden zu begrenzen. Der Ernst der Lage war allen klar, nun ging es darum, sich so schnell wie möglich von der Wennerstroem Group zu distanzieren und eventuelle Aktienbestände abzustoßen. Wennerström (so verkündeten sie fast einstimmig) war trotz allem kein richtiger Industrieller, und er war auch nie so recht im Klub akzeptiert worden. Jemand erinnerte daran, dass Wennerström im Grunde ja nur ein einfacher Arbeiterjunge aus Norrland war, dem der Erfolg zu Kopf gestiegen war. Irgendjemand beschrieb sein Verhalten als eine persönliche Tragödie. Andere taten auf einmal kund, dass sie schon seit Jahren an Wennerström gezweifelt hatten - er trat zu prahlerisch auf und hatte einfach keine Manieren.

In den folgenden Wochen, nachdem das Beweismaterial von Millennium in allen Einzelheiten durchleuchtet worden war, wurde Wennerströms Imperium obskurer Firmen mit dem Herzen der internationalen Mafia in Verbindung gebracht, die so gut wie alles betrieb, von illegalem Waffenhandel über Geldwäsche für südamerikanische Drogenhändler bis hin zur Prostitution in New York oder Geschäften mit Kindersex in Mexiko. Ein in Gibraltar registriertes Wennerström-Unternehmen verursachte großen Wirbel, als herauskam, dass es versucht hatte, auf dem ukrainischen Schwarzmarkt aufbereitetes Uran zu kaufen. An jedem Winkel dieser Erde schien eine von Wennerströms obskuren Briefkastenfirmen in einem anderen Zusammenhang aufzutauchen.

Erika stellte fest, dass das Buch über Wennerström das Beste war, was Mikael jemals geschrieben hatte. Der Stil war uneinheitlich, die Sprache streckenweise sogar holprig - für stilistische Finessen war einfach keine Zeit gewesen -, aber Mikael führte hier seinen großen Rachefeldzug, und so war das Buch beseelt von einer maßlosen Wut, die keinem Leser verborgen bleiben konnte.

Aus reinem Zufall begegnete Mikael seinem Gegenspieler, dem ehemaligen Wirtschaftsjournalisten William Borg. Sie liefen sich an der Garderobe der Mühle über den Weg. Mikael, Erika und Christer hatten sich zum Lucia-Fest am 13. Dezember einen freien Abend genehmigt, um mit ihren Mitarbeitern auszugehen und sich auf Firmenkosten gepflegt volllaufen zu lassen. Borg war in Begleitung eines stockbetrunkenen Mädchens in Lisbeths Alter.

Mikael erstarrte und musste sich schwer zurückhalten, um nichts Unpassendes zu sagen oder zu tun. Stattdessen standen Borg und er sich gegenüber und maßen sich stumm mit Blicken.

Diese Blicke - so behauptete Erika später - hätten das Haus in Brand setzen können. Mikaels Ekel vor Borg war geradezu körperlich spürbar. Sie hatte dem Machogetue schließlich ein Ende bereitet, indem sie Mikael am Arm packte und ihn an die Bar zog.

Mikael beschloss, Lisbeth bei Gelegenheit darum zu bitten, Borg einer ihrer berühmten Personenrecherchen zu widmen.

Während des ganzen Medienrummels blieb die Hauptperson des Dramas, der Geschäftsmann Hans-Erik Wennerström, weitgehend unsichtbar. An dem Tag, als der Millennium-Artikel herausgekommen war, hatte er, auf einer schon vorher angesetzten Pressekonferenz zu einem ganz anderen Thema, einen Kommentar dazu abgegeben. Wennerström erklärte, dass die Anschuldigungen nicht haltbar seien und die angegebenen Quellennachweise eine Fälschung. Er erinnerte daran, dass derselbe Reporter ein Jahr zuvor wegen Verleumdung verurteilt worden war.

Danach antworteten nur noch Wennerströms Anwälte auf die Fragen der Massenmedien. Zwei Tage nach der Auslieferung von Mikaels Buch verbreitete sich das Gerücht, Wennerström habe das Land verlassen. Die Abendzeitungen verwendeten in ihren Überschriften das Wort Flucht. Als die Polizei in der zweiten Woche versuchte, offiziell Kontakt mit ihm aufzunehmen, stellte sie ebenfalls fest, dass er nicht im Lande war. Mitte Dezember bestätigte sie, dass Wennerström zur Fahndung ausgeschrieben sei, und einen Tag vor Silvester ging eine offizielle Suchmeldung an die internationalen Polizeiapparate. Am selben Tag wurde einer von Wennerströms engsten Mitarbeitern auf dem Flughafen Arlanda festgenommen, als er an Bord einer Maschine nach London gehen wollte.

Ein paar Wochen später berichtete ein schwedischer Tourist, er habe Wennerström in Bridgetown, der Hauptstadt von Barbados, in ein Auto steigen sehen. Als Beweis für seine Behauptung legte er ein Foto vor, das aus relativ großer Entfernung einen weißen Mann mit Sonnenbrille, weit aufgeknöpftem Hemd und heller Hose zeigte. Der Mann konnte nicht mit Sicherheit identifiziert werden, aber die Abendzeitungen schickten ihre Reporter los, die sich ohne Erfolg bemühten, Wennerström auf den karibischen Inseln aufzuspüren.

Nach sechs Monaten wurde die Suche eingestellt. Kurz darauf wurde Hans-Erik Wennerström tot in einer Wohnung in Marbella, Spanien, aufgefunden, wo er unter dem Namen Victor Fleming gelebt hatte. Er war aus nächster Nähe mit drei Schüssen in den Kopf getötet worden. Die spanische Polizei ging davon aus, dass er einen Einbrecher überrascht hatte.

Wennerströms Tod kam für Lisbeth Salander nicht überraschend. Aus gutem Grund brachte sie sein Hinscheiden mit der Tatsache in Verbindung, dass er bei einer gewissen Bank auf den Cayman Islands keinen Zugang zum Geld mehr hatte, das er eigentlich dringend gebraucht hätte, um gewisse obskure Schulden in Kolumbien zu begleichen.

Wenn jemand sich die Mühe gemacht hätte, Lisbeth Salander bei der Suche nach Wennerström um Hilfe zu bitten, hätte sie fast jeden Tag exakt sagen können, wo er sich gerade befand. Sie hatte seine verzweifelte Flucht durch ein Dutzend Länder per Internet verfolgt und die wachsende Panik aus seinen Mails herauslesen können, sobald er irgendwo seinen Laptop anschloss. Aber nicht einmal Mikael Blomkvist hielt den fliehenden Ex-Milliardär für so dumm, dass er denselben Computer mit sich herumschleppte, der bereits so gründlich ausgeschlachtet worden war.

Nach einem halben Jahr hatte Lisbeth es satt gehabt, Wennerström zu folgen. Blieb nur noch die Frage, wie weit ihr eigenes Engagement gehen sollte. Wennerström war zweifellos ein Riesenschwein, aber er war nicht ihr persönlicher Feind, und sie hatte kein Interesse, selbst tätig zu werden. Sie konnte Mikael einen Tipp geben, aber der würde wahrscheinlich nur einen Artikel daraus machen. Sie konnte der Polizei einen Tipp geben, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Wennerström gewarnt werden würde und sich wieder aus dem Staub machen konnte, war relativ groß. Außerdem redete sie aus Prinzip nicht mit der Polizei.

Aber da gab es ja noch andere unbezahlte Schulden. Sie dachte an die schwangere zweiundzwanzigjährige Kellnerin, der man in ihrer Badewanne den Kopf unter Wasser gehalten hatte.

Vier Tage bevor Wennerström tot aufgefunden wurde, hatte sie sich entschieden. Sie hatte ihr Handy aufgeklappt und einen Anwalt in Miami angerufen, der einer der Leute zu sein schien, vor denen Wennerström sich hauptsächlich versteckte. Sie hatte mit einer Sekretärin gesprochen und sie gebeten, eine geheimnisvolle Botschaft auszurichten: den Namen »Wennerstroem« sowie eine Adresse in Marbella. Das war alles.

Sie schaltete die Nachrichten aus, als gerade ein dramatischer Bericht über Wennerströms Hinscheiden lief. Dann schaltete sie die Kaffeemaschine ein und schmierte sich ein Leberwurstbrot mit Gurkenscheiben.

Erika Berger und Christer Malm trafen die alljährlichen Weihnachtsvorbereitungen, während Mikael auf Erikas Sessel saß und ihnen, Glühwein trinkend, zusah. Alle Angestellten und die meisten freien Mitarbeiter bekamen ein Weihnachtsgeschenk - dieses Jahr war es eine Umhängetasche mit dem Millennium-Logo. Nachdem sie die Geschenke eingepackt hatten, begannen sie knapp zweihundert Weihnachtskarten an die Druckerei, an Fotografen und Kollegen aus der Medienbranche zu schreiben und zu frankieren.