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Es war schon alles vorbereitet, sodass die geschäftlichen Transaktionen bei Frode nur ein paar Minuten in Anspruch nahmen. Frode hatte ihm angeboten, das Geld auf ein bequemes Auslandskonto zu überweisen, aber Mikael hatte darauf bestanden, dass es ihm als ganz normal zu versteuerndes Honorar an seine Firma gezahlt werden sollte.

»Eine andere Art von Aufwandsentschädigung kann ich mir nicht leisten«, hatte er kurz angebunden geantwortet, als Frode nachfragte.

Der Besuch war nicht nur pekuniärer Natur. Mikael hatte auch noch Kleidung, Bücher und ein paar persönliche Habseligkeiten im Gästehäuschen zurückgelassen, als Lisbeth und er so überstürzt aus Hedeby aufgebrochen waren.

Henrik war nach seinem Herzanfall immer noch schwach auf den Beinen, aber inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Er war in ständiger Gesellschaft einer Privatpflegerin, die ihm das Recht verweigerte, lange Spaziergänge zu unternehmen, Treppen zu steigen oder über Dinge zu reden, die ihn aufregen könnten. Zwischen den Jahren hatte er sich nun auch noch eine Erkältung zugezogen, worauf sie ihm strengste Bettruhe verordnet hatte.

»Und dann ist sie auch noch teuer«, beklagte er sich.

Das berührte Mikael relativ wenig, denn er fand, der Alte konnte sich diese Ausgabe durchaus leisten, wenn man bedachte, wie viele Steuern er im Laufe seines Lebens hinterzogen hatte. Henrik betrachtete ihn verdrießlich, bevor er in Lachen ausbrach.

»Verdammt noch mal, Sie waren jede einzelne Krone wert. Ich wusste es.«

»Ehrlich gesagt, ich habe nie geglaubt, dass ich das Rätsel lösen könnte.«

»Ich habe nicht vor, Ihnen zu danken«, erklärte Henrik.

»Das habe ich auch nicht erwartet«, erwiderte Mikael.

»Sie sind anständig bezahlt worden.«

»Ich beklage mich nicht.«

»Sie haben einen Job für mich erledigt, und der Lohn sollte Dank genug sein.«

»Ich bin auch nur hier, um Ihnen zu erklären, dass ich meine Arbeit als abgeschlossen betrachte.«

Henrik Vanger kräuselte die Lippen. »Im Grunde haben Sie die Arbeit gar nicht abgeschlossen«, sagte er.

»Ich weiß.«

»Sie haben die vereinbarte Chronik der Familie Vanger nicht geschrieben.«

»Auf Ihren eigenen Wunsch habe ich davon Abstand genommen. Ich sehe auch keine Möglichkeit, von der Familie Vanger zu berichten und dabei absichtlich die zentrale Handlung der letzten Jahrzehnte unter den Tisch fallen zu lassen - Harriet, ihren Vater, ihren Bruder und die Morde. Wie könnte ich ein Kapitel über Martins Zeit als Geschäftsführer schreiben und so tun, als wüsste ich nicht, was in seinem Keller los war? Aber ich kann die Story auch nicht schreiben, ohne Harriets Leben noch einmal zu zerstören.«

»Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie meine Bitte befolgen.«

»Gratuliere. Es ist Ihnen tatsächlich gelungen, mich zu korrumpieren. Ich werde alle Notizen und Tonbandaufnahmen von Ihnen zerstören.«

»Ich kann eigentlich nicht finden, dass Sie korrumpiert worden sind«, meinte Henrik Vanger.

»Aber es kommt mir so vor. Und dann ist es wahrscheinlich auch so.«

»Sie mussten sich zwischen Ihrer Arbeit als Journalist und Ihrer Aufgabe als Mitmensch entscheiden. Ich bin sicher, ich hätte Ihr Schweigen nicht erkaufen können, und Sie hätten sich für Ihre Rolle als Journalist entschieden, wenn Harriet Mittäterin gewesen wäre, oder wenn Sie mich für einen Mistkerl gehalten hätten.«

Mikael sagte nichts. Henrik sah ihn an.

»Wir haben Cecilia in die ganze Geschichte eingeweiht. Dirch und ich werden bald abtreten, und Harriet wird die eine oder andere Stütze in der Familie brauchen. Cecilia wird auch ins Unternehmen eintreten und aktiv am Führungskreis beteiligt sein. In Zukunft werden Harriet und sie das Unternehmen leiten.«

»Wie hat sie es aufgenommen?«

»Sie war natürlich schockiert. Sie ist für eine Weile ins Ausland gefahren. Eine Zeit lang hatte ich schon Angst, dass sie nicht mehr zurückkommen würde.«

»Aber sie ist zurückgekommen.«

»Martin war einer der wenigen Verwandten, mit dem Cecilia sich immer verstanden hatte. Es war schwer für sie, die Wahrheit über ihn zu erfahren. Cecilia weiß jetzt also auch, was Sie für die Familie getan haben.«

Mikael zuckte mit den Schultern.

»Danke, Mikael«, sagte Henrik.

Mikael zuckte nochmals mit den Schultern.

»Außerdem könnte ich die Story gar nicht mehr schreiben«, erklärte er. »Mir steht die Familie Vanger bis obenhin.«

Sie dachten wieder einen Moment nach, bevor Mikael das Thema wechselte.

»Wie fühlt es sich an, nach fünfundzwanzig Jahren wieder Geschäftsführer zu sein?«

»Es ist ja nur vorübergehend, aber … ich wünschte, ich wäre jünger. Im Moment arbeite ich nur drei Stunden am Tag. Alle Treffen werden in diesem Zimmer abgehalten, und Dirch steht mir wieder zur Seite, für den Fall, dass jemand aus der Reihe tanzt.«

»Dann hoffe ich, dass sie die Junioren gut unter Kontrolle haben. Ich habe ein ganzes Weilchen gebraucht, bis mir klar wurde, dass Frode nicht nur ein braver Ratgeber in Finanzdingen für Sie war, sondern die Person, die all Ihre Probleme löst.«

»Genau. Aber wir fassen alle Beschlüsse gemeinsam mit Harriet, und sie leistet auch die ausführenden Arbeiten im Büro.«

»Reicht das?«

»Ich weiß es nicht. Birger arbeitet ihr entgegen und versucht ständig, ihr ein Bein zu stellen. Alexander ist plötzlich aufgegangen, dass er eine Chance hat, sich Geltung zu verschaffen, und hat sich mit Birger zusammengetan. Mein Bruder Harald hat Krebs und wird nicht mehr lange leben. Er hat als Einziger noch einen großen Aktienanteil von sieben Prozent, den die Kinder erben werden. Cecilia und Anita werden sich mit Harriet verbünden.«

»Dann kontrollieren Sie über vierzig Prozent.«

»So ein Stimmenkartell hat es in der Familie noch nie zuvor gegeben. Und genügend Teilhaber mit einem oder zwei Prozent werden sich uns anschließen. Harriet wird im Februar meinen Posten als Geschäftsführer übernehmen.«

»Sie wird nicht glücklich werden.«

»Wer weiß. Wir müssen neue Partner und neues Blut in unsere Firma holen. Wir haben auch die Möglichkeit, mit ihrer Firma in Australien zusammenzuarbeiten. Da gibt es Chancen.«

»Wo ist Harriet heute?«

»Sie haben Pech. Sie ist in London. Aber sie möchte Sie furchtbar gerne sehen.«

»Ich werde sie im Januar auf der Vorstandssitzung bei Millennium sehen, wenn sie Ihre Nachfolge antritt.«

»Ich weiß.«

»Richten Sie ihr aus, dass ich über die Geschehnisse der sechziger Jahre mit niemand außer Erika Berger sprechen werde.«

»Da sind wir uns ganz sicher. Wir kennen Ihre Integrität.«

»Aber sagen Sie ihr auch, dass alles, was sie von jetzt an tut, in die Zeitung kommen kann, wenn sie nicht aufpasst. Der Vanger-Konzern hat bei uns keinen Freibrief, wir werden ihn genauso beobachten wie andere Unternehmen.«

»Ich werde sie warnen.«

Mikael verließ Henrik Vanger, als der alte Mann langsam einschlummerte. Er packte seine Habseligkeiten in zwei Taschen. Als er die Tür des Gästehäuschens zum letzten Mal schloss, zögerte er kurz, bevor er zu Cecilia hinüberging und klopfte. Sie war nicht zu Hause. Er zückte seinen Taschenkalender, riss eine Seite heraus und schrieb ein paar Worte drauf. Verzeih mir. Ich wünsche Dir alles Gute. Zusammen mit seiner Visitenkarte warf er den Zettel in ihren Briefkasten. In ihrem Küchenfenster stand ein weihnachtlicher Kerzenleuchter mit elektrischen Lichtern.

Er nahm den Abendzug zurück nach Stockholm.

Zwischen den Jahren kapselte sich Lisbeth Salander völlig von der Welt ab. Sie ging nicht ans Telefon und schaltete ihren Computer nicht an. Sie verbrachte zwei Tage damit, ihre Kleider zu waschen, die Wohnung zu schrubben und aufzuräumen. Uralte Pizzakartons und Tageszeitungen wurden gebündelt und weggeworfen. Insgesamt trug sie sechs schwarze Müllsäcke hinaus und ungefähr zwanzig Tüten Altpapier. Als hätte sie beschlossen, ein völlig neues Leben anzufangen. Sie hatte vor, sich eine Wohnung zu kaufen - falls sie etwas Passendes fand -, aber bis dahin sollte ihr altes Zuhause so strahlend sauber sein wie nie zuvor.