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»Inwiefern?«

»Er unterhält eine sexuelle Beziehung zu Erika Berger, der Chefredakteurin von Millennium; Tochter aus guten Hause, schwedische Mutter, belgischer Vater mit Wohnsitz in Schweden. Berger und Blomkvist kennen sich seit dem Journalistikstudium und haben seitdem immer wieder ein Verhältnis gehabt.«

»Das ist doch nichts Ungewöhnliches«, meinte Frode.

»Nein, das nicht. Aber Erika Berger ist mit dem Künstler Greger Beckman verheiratet - so ein B-Promi, der in öffentlichen Räumen jede Menge schauderhaftes Zeug ausgestellt hat.«

»Sie ist ihm untreu?«

»Nein. Beckman weiß von ihrem Verhältnis. Eine ménage à trois, die anscheinend von allen drei Beteiligten akzeptiert wird. Mal schläft sie bei Blomkvist, mal bei ihrem Mann. Ich weiß nicht wirklich, wie das funktioniert, aber es gehörte auf jeden Fall zu den Gründen, aus denen die Ehe mit Monica Abrahamsson in die Brüche ging.«

3. Kapitel

Freitag, 20. Dezember - Samstag, 21. Dezember

Erika Berger hob die Augenbrauen, als ein offensichtlich völlig durchgefrorener Mikael Blomkvist am späten Nachmittag in die Redaktion kam. Die Millennium-Redaktion lag mitten auf dem höchsten Punkt der Götgata, eine Etage über der Greenpeace-Niederlassung. Die Miete war eigentlich ein wenig zu hoch für die Zeitung, aber Erika, Mikael und Christer waren sich einig gewesen, dass sie die Räume halten wollten.

Erika warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr. Es war zehn nach fünf, und schon längst hatte sich die Dunkelheit über Stockholm gelegt. Sie hatte ihn eigentlich bereits gegen Mittag zurückerwartet.

»Entschuldige«, sagte er zur Begrüßung, bevor sie zu Wort kam. »Ich bin noch sitzen geblieben, hab das Urteil gelesen und hatte keine Lust zu reden. Hab einen langen Spaziergang gemacht und nachgedacht.«

»Ich hab im Radio von dem Urteil gehört. Die von TV4 hat mich angerufen und wollte einen Kommentar von mir.«

»Was hast du gesagt?«

»In etwa das, was wir abgesprochen hatten: Wir werden das Urteil sorgfältig prüfen, bevor wir uns dazu äußern. Ich habe also gar nichts gesagt. Und ich bin immer noch derselben Meinung - ich glaube, dass das die falsche Strategie ist. Wir sehen schwach aus und verlieren unseren Rückhalt in den Medien. Wir müssen damit rechnen, dass sie heute Abend was im Fernsehen bringen.«

Blomkvist nickte und sah finster drein.

»Wie geht es dir?«

Mikael Blomkvist zuckte mit den Achseln und setzte sich in seinen Lieblingssessel, der in Erikas Zimmer am Fenster stand. Ihr Arbeitszimmer war spartanisch eingerichtet: ein Schreibtisch, zweckdienliche Bücherregale und billige Büromöbel. Alle Möbel waren von IKEA, abgesehen von den zwei bequemen und extravaganten Sesseln und einem kleinen Beistelltischchen - ein Zugeständnis an meine Herkunft, pflegte sie zu scherzen. Sie saß meistens mit angezogenen Beinen in einem der Sessel und las, wenn sie einmal eine Pause vom Schreibtisch brauchte. Mikael blickte auf die Götgata hinunter, auf der die Menschen in der Dunkelheit vorbeihasteten. Das Weihnachtsgeschäft setzte zum Endspurt an.

»Ich schätze, das geht auch wieder vorbei«, sagte er. »Aber im Moment fühl ich mich, als hätte ich gerade eine Tracht Prügel bezogen.«

»Das geht uns doch allen so. Janne Dahlman ist heute Früh nach Hause gegangen.«

»Ich nehme an, er war nicht sonderlich begeistert vom Urteil.«

»Er ist ja ohnehin nicht gerade der positivste Mensch.«

Mikael schüttelte den Kopf. Janne Dahlman war seit neun Monaten Redaktionsassistent bei Millennium. Er hatte genau zu dem Zeitpunkt bei ihnen angefangen, als die Wennerström-Affäre in Gang kam. Mikael versuchte sich zu erinnern, wie Erika und er über Dahlmans Bewerbung diskutiert hatten. Er war in der Tat kompetent und hatte als Springer bei der Nachrichtenagentur TT, verschiedenen Abendzeitungen und Ekot gearbeitet. Aber er war ganz offensichtlich niemand, der mit schwierigen Umständen zurechtkam. Im letzten Jahr hatte Mikael oft genug bereut, dass sie Dahlman angestellt hatten, der ein enervierendes Talent besaß, alles so negativ wie nur irgend möglich zu betrachten.

»Hast du von Christer gehört?«, fragte Mikael, ohne den Blick von der Straße zu wenden.

Christer Malm war Chef der Bildredaktion und Layouter bei Millennium und neben Erika und Mikael der dritte Teilhaber des Magazins. Momentan befand er sich mit seinem Freund auf Auslandsreise.

»Er hat angerufen. Schöne Grüße.«

»Ist wohl das Beste, wenn er meine Stelle als verantwortlicher Herausgeber übernimmt.«

»Ach, komm, Micke, als verantwortlicher Herausgeber musst du damit rechnen, dass du ab und zu ordentlich was auf die Nase kriegst. Das steht so in der Stellenbeschreibung.«

»Ja, stimmt. Aber ich war nun mal derjenige, der diesen Text verfasst hat, der in dem Magazin veröffentlicht wurde, bei dem ich auch verantwortlicher Herausgeber bin. Damit sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Da geht es dann ganz einfach um mangelndes Urteilsvermögen.«

Erika Berger merkte, wie die Sorge, die sie den ganzen Tag mit sich herumgetragen hatte, vollends die Oberhand gewann. In den letzten Wochen vor dem Prozess war Mikael Blomkvist herumgelaufen, als wäre er von einer finsteren Wolke umgeben, aber selbst damals hatte sie ihn nicht als so düster und resigniert empfunden, wie er ihr nun in seiner Niederlage vorkam. Sie umrundete ihren Schreibtisch, setzte sich rittlings auf ihn und schlang ihm die Arme um den Hals.

»Mikael, hör mal zu. Wir wissen beide ganz genau, was hier passiert ist. Ich bin genauso verantwortlich wie du. Wir müssen das gemeinsam durchstehen.«

»Da gibt es nichts durchzustehen. Das Urteil bedeutet für mich den medialen Genickschuss. Ich kann nicht als verantwortlicher Herausgeber bei Millennium bleiben. Es geht einfach um die Glaubwürdigkeit dieses Magazins. Um Schadensbegrenzung. Das weißt du doch genauso gut wie ich.«

»Wenn du denkst, dass ich dich die Schuld ganz alleine tragen lasse, dann hast du in all den Jahren wirklich noch gar nichts über mich gelernt.«

»Ich weiß genau, was in dir vorgeht, Ricky. Du bist auf eine einfältige Art und Weise loyal zu deinen Mitarbeitern. Wenn du die Wahl hast, dann streitest du dich mit Wennerströms Rechtsanwälten rum, bis auch deine Glaubwürdigkeit ruiniert ist. Das können wir uns nicht leisten.«

»Und du hältst es also für einen klugen Plan, bei Millennium auszusteigen und es so aussehen zu lassen, als hätte ich dich gefeuert?«

»Wir haben das doch schon hundertmal durchgesprochen. Wenn Millennium überleben soll, kommt es jetzt ganz auf dich an. Christer ist ein richtig guter Kerl, der alles Mögliche über Bilder und Layout weiß, aber von Machtkämpfen mit Milliardären hat er keinen Schimmer. Das ist nicht sein Ding. Ich muss Millennium bald den Rücken kehren, als Herausgeber, Reporter und Führungsmitglied; meinen Anteil übernimmst du. Wennerström weiß, dass ich weiß, was er getan hat, und ich bin überzeugt, solange er weiß, dass ich mich in der Nähe von Millennium aufhalte, wird er nichts unversucht lassen, um das Magazin in die Knie zu zwingen.«

»Aber warum willst du nicht mit den Fakten an die Öffentlichkeit gehen - auf Biegen und Brechen!«

»Weil wir nicht das Geringste beweisen können, und weil ich derzeit nicht die mindeste Glaubwürdigkeit besitze. Diese Runde hat Wennerström gewonnen. Vorbei. Gib es auf.«

»Okay, du bist also gefeuert. Was wirst du stattdessen machen?«

»Ich brauche ganz einfach eine Pause. Ich fühle mich total ausgebrannt und bin kurz davor, an meine Belastungsgrenze zu stoßen. Ich werde mich ein Weilchen um mich selbst kümmern. Dann sehen wir weiter.«