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»Ich wusste ja gar nicht, dass Unternehmer so eine Schwäche für wohltätige Werke haben.«

»Glaub mir, das war der feuchte Traum eines jeden Unternehmers. Russland und die ehemaligen Ostblockstaaten sind so ungefähr der größte noch zu erschließende Markt nach China. Die Industrie hatte kein Problem damit, der Regierung beizuspringen, vor allem, weil die Unternehmen nur für einen Bruchteil der Ausgaben einstehen mussten. Insgesamt verschlang das SIB knapp dreißig Millionen Kronen an Steuergeldern. Das Geld sollte in Form zukünftiger Gewinne zurückfließen. Offiziell war das SIB eine Initiative der Regierung gewesen, aber der Einfluss der Industrie war so groß, dass der Vorstand praktisch selbstständig arbeitete.«

»Verstehe. Steckt dahinter auch noch irgendeine Story?«

»Gedulde dich. Als das Projekt anlief, gab es keinerlei Probleme mit der Finanzierung. Schweden war noch nicht vom Rentenschock heimgesucht worden. Die Regierung war zufrieden, weil sie mit dem SIB zeigen konnte, wie groß das schwedische Engagement im Osten war.«

»Das geschah alles unter der bürgerlichen Regierung?«

»Die politische Richtung spielt doch keine Rolle. Es geht um Geld, und da ist es scheißegal, ob die Sozis oder die Konservativen die Minister stellen. Also volle Kraft voraus, aber dann kam das Valutaproblem, und danach meldeten sich ein paar dämliche Neue Demokraten - erinnerst du dich noch an die Neuen Demokraten, diese Populistenpartei? - und fingen an zu nörgeln, dass man nicht genügend Einblick in die Tätigkeiten des SIB habe. Einer von diesen Wichteln hatte SIB mit SIDA verwechselt und glaubte, es handele sich um irgendein Entwicklungshilfe-Programm, wie das in Tansania. Im Frühjahr 1994 wurde eine Untersuchungskommission gegründet, die das SIB unter die Lupe nehmen sollte. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits Beanstandungen bei mehreren Projekten, aber eines der ersten, das man sich vornahm, war Minos

»Und Wennerström konnte nicht nachweisen, wofür die Gelder verwendet worden waren.«

»Im Gegenteil. Wennerström konnte einen ganz ausgezeichneten Rechenschaftsbericht vorlegen, der nachwies, dass knapp vierundfünfzig Millionen Kronen in Minos investiert worden waren. Dann hätten sich aber die strukturellen Probleme im zurückgebliebenen Polen als zu groß herausgestellt, als dass eine moderne Verpackungsindustrie hätte funktionieren können. Ihre Fabrik sei von einem ähnlichen deutschen Projekt praktisch verdrängt worden. Die Deutschen waren gerade dabei, den ganzen Ostblock aufzukaufen.«

»Du hast gesagt, er habe sechzig Millionen Kronen bekommen.«

»Stimmt genau. Die SIB-Gelder waren quasi ein zinsfreies Darlehen. Der Hintergedanke war natürlich der, dass die Unternehmen einen Teil der Gelder nach ein paar Jahren zurückzahlen sollten. Aber Minos war baden gegangen und das Projekt missglückt, wofür man Wennerström schlecht verantwortlich machen konnte. Hier traten die staatlichen Garantien in Kraft, und Wennerström musste die Gelder, die mit dem Konkurs von Minos verloren gegangen waren, einfach nicht zurückzahlen. Er konnte nachweisen, dass er eine entsprechende Summe eigenen Geldes verloren hatte.«

»Warte mal, ich will sichergehen, dass ich das alles richtig verstanden habe. Die Regierung hielt die Steuermillionen bereit und stellte die Diplomaten, die die entsprechenden Türen öffneten. Die Industrie bekam das Geld und verwendete es für Investitionen in Joint Ventures, mit denen dann Rekordgewinne erzielt wurden. Also das übliche Spiel. Die einen gewinnen, und die anderen bezahlen die Rechnungen, und wir wissen, wer welche Rolle spielt.«

»Du bist ein Zyniker. Das Darlehen sollte dem Staat zurückgezahlt werden.«

»Die Darlehen waren zinslos, hast du gesagt. Das bedeutet, die Steuerzahler bekamen keine Zinsen dafür, dass sie ihre Kohle zur Verfügung stellten. Wennerström hat sechzig Millionen eingesackt, von denen vierundfünfzig investiert wurden. Was ist mit den restlichen sechs Millionen passiert?«

»Als klar wurde, dass sein SIB-Projekt genauer untersucht werden würde, schickte Wennerström einen Scheck über sechs Millionen ans SIB, mit dem er den Differenzbetrag beglich. Damit war die Sache, rein juristisch betrachtet, aus der Welt.« Robert Lindberg verstummte und warf Mikael einen herausfordernden Blick zu.

»Klingt ganz so, als hätte Wennerström SIB-Gelder in den Sand gesetzt, aber verglichen mit der halben Milliarde, die bei Skanska verschwunden ist, oder mit der Story von diesem ABB-Manager, der eine knappe Milliarde Abfindung bekam - das hat die Leute wirklich aufgebracht! -, scheint das hier nicht gerade viel Stoff zu bieten«, meinte Mikael. »Die Leser haben die Artikel über unfähige Spekulanten mittlerweile satt, auch wenn dabei Steuergelder im Spiel sind. Steckt noch mehr hinter dieser Story?«

»Sie wird noch besser.«

»Woher weißt du all diese Dinge über Wennerströms Geschäfte in Polen?«

»In den neunziger Jahren habe ich in der Handelsbank gearbeitet. Rate mal, wer die Berichte für den Vertreter unserer Bank im SIB erstellt hat?«

»Alles klar. Erzähl weiter.«

»Also … um das Ganze jetzt mal zusammenzufassen: Das SIB erhielt eine Erklärung von Wennerström. Papier ging hin und her. Ausstehende Gelder wurden zurückgezahlt. Dass er die sechs Millionen zurückzahlte, war ziemlich schlau. Wenn dir jemand freiwillig eine Tasche voller Geld geben will, dann bist du doch geneigt zu glauben, dass er eine reine Weste hat.«

»Komm zur Sache.«

»Aber mein lieber Blomkvist, das hier ist bereits die Sache. Das SIB war mit Wennerströms Bericht zufrieden. Die Investition war zum Teufel gegangen, aber an der Durchführung des Projekts fand man nichts auszusetzen. Wir haben jede Fakturierung, jeden Transfer und sämtliche Papiere durchgesehen. Alles war penibel abgerechnet. Ich habe es geglaubt. Mein Chef hat es geglaubt. Das SIB hat es geglaubt, und die Regierung hatte dem nichts hinzuzufügen.«

»Wo ist der Haken?«

»Tja, jetzt wird die Geschichte langsam brisant«, sagte Lindberg und sah auf einmal verblüffend nüchtern aus. »Du bist Journalist, also betrachte alles, was jetzt kommt, als off the record

»Jetzt mach aber mal halblang! Du kannst mir nicht solche Sachen erzählen und hinterher damit ankommen, dass ich nichts davon weitergeben darf.«

»Und ob ich das kann. Alles, was ich bis jetzt erzählt habe, ist der Öffentlichkeit bekannt. Du kannst sogar den Bericht einsehen, wenn du willst. Über den Rest der Story - das, was ich noch nicht erzählt habe - kannst du gerne was schreiben, aber du musst mich als anonyme Quelle behandeln.«

»Aha. Aber nach der gängigen Terminologie bedeutet off the record, dass man mir im Vertrauen etwas erzählt, ich aber nichts drüber schreiben darf.«

»Ich scheiß auf die Terminologie. Schreib, was du willst, aber lass mich dabei aus dem Spiel, okay?«

»Selbstverständlich«, antwortete Mikael.

Was, im Nachhinein betrachtet, ein Fehler gewesen war.

»Na dann. Diese Story mit Minos spielte sich also vor zehn Jahren ab, direkt nach dem Mauerfall, als die Bolschewiken langsam anständige Kapitalisten wurden. Ich gehörte zu dem Personenkreis, der Wennerströms Geschäfte untersuchte, und ich dachte mir die ganze Zeit, dass irgendwas an dieser Story verdammt faul war.«

»Warum hast du während der Untersuchung nichts gesagt?«

»Ich habe es mit meinem Chef durchgesprochen. Aber letztlich hatten wir keine Handhabe. Die Papiere waren in Ordnung. Ich musste den Untersuchungsbericht abzeichnen. Doch jedes Mal, wenn ich in der Presse auf Wennerströms Namen stieß, habe ich an Minos gedacht.«

»Mhm.«

»Die Sache war allerdings die, dass meine Bank Mitte der neunziger Jahre ein paar Geschäfte mit Wennerström machte. Große Geschäfte, bei denen er nicht den besten Eindruck hinterließ.«