»Ein Cashflow-Problem.«
»Genau. Und mit solchen Problemen stand Wennerström nicht alleine da. Jeder Geschäftsmann …«
»Keine Geschäftsmänner. Nenn sie, wie du willst, aber solche Leute Geschäftsmänner zu nennen, kommt der Verunglimpfung eines seriösen Berufsstandes gleich.«
»… also von mir aus die Börsenhaie, die hatten Cashflow-Probleme. Du musst es mal so betrachten: Wennerström hat sechzig Millionen Kronen bekommen. Sechs Millionen hat er zurückgezahlt, aber erst nach drei Jahren. Die Ausgaben für Minos können eine Million nicht überstiegen haben. Allein die Zinsen für sechzig Millionen über drei Jahre hinweg bedeuten schon einen ordentlichen Gewinn. Je nachdem, wie er das Geld investiert hat, kann er die SIB-Gelder verdoppelt oder verzehnfacht haben. Und dann reden wir nicht mehr von Bagatellbeträgen. Prost übrigens.«
Kapitel 2
Freitag, 20. Dezember
Dragan Armanskij war sechsundfünfzig Jahre alt und in Kroatien geboren. Sein Vater war ein armenischer Jude aus Weißrussland, seine Mutter eine bosnische Muslima mit griechischem Blut in den Adern. Sie war für seine Erziehung verantwortlich gewesen, und so war er als Erwachsener Teil der großen, vielschichtigen Gruppe, die von den Massenmedien als »Muslime« bezeichnet wird. Die Einwanderungsbehörde führte ihn in ihren Listen seltsamerweise als Serben. Sein Pass bewies, dass er schwedischer Staatsbürger war, und das Passfoto zeigte ein viereckiges Gesicht mit einer ausgeprägten Kieferpartie, dunklem Bart und grauen Schläfen. Er wurde oft »Araber« genannt, obwohl es nicht den geringsten arabischen Einschlag in seiner Familie gab. Hingegen war er eine genetische Mischung, die Dummköpfe mit einem Faible für Rassenbiologie mit großer Wahrscheinlichkeit als minderwertiges Menschenmaterial bezeichnen würden.
Sein Aussehen erinnerte entfernt an das Stereotyp eines kleinen Bandenführers in einem amerikanischen Gangsterfilm. In Wirklichkeit war er weder Rauschgiftschmuggler noch Schutzgeldeintreiber für die Mafia. Er war ein scharfsinniger Betriebswirtschaftler, der Anfang der siebziger Jahre als kaufmännischer Assistent bei der Sicherheitsfirma Milton Security angefangen hatte und drei Jahrzehnte später zum Geschäftsführer dieses Unternehmens aufgestiegen war.
Sein Interesse an Sicherheitsfragen war im Nachhinein gewachsen und hatte sich mit der Zeit in Faszination verwandelt. Es war wie ein Strategiespiel - Gefahren erkennen, Verteidigungsstrategien entwickeln und Industriespionen, Erpressern und Dieben das Handwerk legen. Es begann damit, dass er entdeckte, wie ein Kunde durch kreative Buchführung sehr geschickt betrogen worden war. Er konnte nachweisen, wer aus einer Gruppe von zwölf Leuten dahintersteckte, und noch dreißig Jahre später erinnerte er sich, wie überrascht er gewesen war, als ihm aufging, dass diese Unterschlagung nur deswegen möglich gewesen war, weil es das betreffende Unternehmen versäumt hatte, ein paar einfache Lücken in seinem Sicherheitssystem zu schließen. Er selbst wurde vom kleinen Buchhalter zu einem der Verantwortlichen für die Weiterentwicklung der Firma und zum Experten für Wirtschaftsbetrug. Nach fünf Jahren stieg er in den Führungskreis auf, und nach weiteren zehn Jahren wurde er - nicht ganz ohne Gegenstimmen - Geschäftsführer. Doch die kritischen Stimmen waren seit Langem verstummt. In all den Jahren hatte er Milton Security zu einer der kompetentesten und gefragtesten Beratungsfirmen für Sicherheitsthemen gemacht.
Milton Security hatte dreihundertachtzig Vollzeitangestellte und knapp dreihundert zuverlässige freie Mitarbeiter, die nach ihrem jeweiligen Einsatz bezahlt wurden. Verglichen mit Falck oder dem Schwedischen Überwachungsdienst war es also ein kleines Unternehmen. Als Armanskij in der Firma anfing, hieß sie immer noch Johan Fredrik Miltons Allgemeine Bewachungs-AG, und ihr Kundenkreis bestand aus Einkaufszentren, die Ladendetektive und muskelbepackte Wachmänner brauchten. Unter seiner Führung hatte das Unternehmen seinen Namen gegen das international gangbarere Milton Security ausgetauscht und auf Spitzentechnologien gesetzt. Das Personal, bis dato eher abgehalfterte Nachtwächter, Uniformfetischisten und jobbende Gymnasiasten, war durch wirklich kompetente Mitarbeiter ersetzt worden. Armanskij stellte ein paar ehemalige Polizisten als operative Führungskräfte ein, des Weiteren Staatswissenschaftler, die sich mit internationalem Terrorismus, Personenschutz und Wirtschaftsspionage auskannten, und vor allem Telekommunikationstechniker und EDV-Experten. Das Unternehmen war von Solna in standesgemäßere Räumlichkeiten in der Nähe des Slussen mitten in Stockholm umgezogen.
Mit Beginn der neunziger Jahre war Milton Security in der Lage, eine ganz neue Art von Sicherheitsdienst für eine exklusive Gruppe von Kunden anzubieten - hauptsächlich mittelgroße Unternehmen mit hohem Umsatz oder gut situierte Privatpersonen, neureiche Rockstars, Börsenhaie und Dotcom-Unternehmer. Meistenteils ging es um Bodyguards oder Sicherheitslösungen für schwedische Firmen im Ausland, vor allem in Nahost. Diese Tätigkeiten machten mittlerweile an die 70 Prozent des Firmenumsatzes aus. Unter Armanskijs Ägide war der Umsatz von knapp 40 Millionen jährlich auf nahezu zwei Milliarden gestiegen. Sicherheit zu verkaufen war ein extrem lukratives Geschäft.
Die Firma hatte drei Betätigungsfelder: die Sicherheitsberatung, durch die potenzielle Gefahren identifiziert wurden; die Gegenmaßnahmen, für gewöhnlich die Installation teurer Überwachungskameras, Einbruchs- oder Feueralarmanlagen, elektronischer Schließanlagen und Computerausrüstung, und zu guter Letzt der Personenschutz für Privatpersonen oder Firmen, die einer tatsächlichen oder eingebildeten Bedrohung ausgesetzt waren. Letzterer Markt hatte sich innerhalb von zehn Jahren um das Vierzigfache vergrößert, und im Laufe der letzten Jahre war ein neuer Kundenkreis entstanden, der sich aus wohlhabenden Damen zusammensetzte, die vor ehemaligen Freunden und Ehemännern oder auch vor unbekannten fanatischen Verehrern beschützt werden wollten, die sich im Fernsehen auf die engen Tops oder die Lippenstiftfarbe ihres Stars fixiert hatten. Milton Security arbeitete außerdem mit Partnerunternehmen im europäischen Ausland und in den USA zusammen und war für die Sicherheit internationaler Gäste während ihres Besuchs in Schweden zuständig. So gab es zum Beispiel eine amerikanische Schauspielerin, die zwei Monate in einem Film in Trollhättan mitgespielt hatte und deren Agent der Meinung war, ihr Status erfordere Bodyguards für ihre seltenen Spaziergänge ums Hotel.
Ein viertes, bedeutend kleineres Betätigungsfeld war das sogenannte PU oder P-Unt, im internen Sprachgebrauch Punts genannt, was nichts anderes bedeutete als Personen-Untersuchung, also eine Studie über die persönlichen Verhältnisse eines Objekts.
Armanskij war nicht allzu begeistert von diesem Aufgabenbereich. Er war weniger lukrativ und zudem ein beschwerliches Geschäft, das von den Mitarbeitern eher Urteilsvermögen und Kompetenz verlangte als Kenntnisse in der Telekommunikationstechnik oder der Installation diskreter Überwachungsanlagen. Nachforschungen zu den persönlichen Verhältnissen eines Menschen waren akzeptabel, wenn es um einfache Kreditauskünfte ging, um Hintergrundinformationen vor der Einstellung eines neuen Mitarbeiters oder wenn ein Angestellter verdächtigt wurde, vertrauliche Informationen weiterzugeben oder anderweitig kriminelle Handlungen gegen seinen Arbeitgeber begangen zu haben. In solchen Fällen gehörten die Punts zu den operativen Tätigkeiten.
Aber allzu oft kamen seine Firmenkunden auch mit privaten Problemen, die die ungute Tendenz hatten, Schwierigkeiten nach sich zu ziehen. Ich will wissen, mit was für einem verlotterten Kerl meine Tochter da verkehrt … Ich glaube, meine Frau betrügt mich … Er ist eigentlich ein guter Junge, aber er ist in schlechte Gesellschaft geraten … Ich werde erpresst …