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»Oh, bemühen Sie sich, bitte, nicht!« rief Raskolnikow und lachte plötzlich auf. »Bemühen Sie sich, bitte, nicht!«

Porfirij blieb vor ihm stehen, wartete eine Weile und fing selbst zu lachen an; Raskolnikow erhob sich vom Sofa und brach plötzlich seinen krampfartigen Lachanfall ab.

»Porfirij Petrowitsch!« sagte er laut und deutlich, obwohl er sich auf den zitternden Füßen kaum halten konnte. »Ich sehe endlich klar, daß Sie mich des Mordes an dieser Alten und ihrer Schwester Lisaweta verdächtigen. Meinerseits erkläre ich Ihnen, daß mir das alles schon längst zu dumm ist. Wenn Sie glauben, daß Sie ein Recht haben, mich gesetzlich zu verfolgen, so verfolgen Sie mich, – zu verhaften, so verhaften Sie mich. Aber daß man mir ins Gesicht lacht und mich quält, das erlaube ich nicht ...«

Plötzlich zitterten seine Lippen, seine Augen funkelten vor Wut, und die bisher zurückgehaltene Stimme klang hell und laut.

»Das erlaube ich nicht!« schrie er plötzlich auf und schlug aus aller Kraft mit der Faust auf den Tisch. »Hören Sie es, Porfirij Petrowitsch? Ich erlaube es nicht!«

»Ach, mein Gott, was haben Sie wieder!« rief Porfirij Petrowitsch, der wirklich erschreckt schien. »Väterchen, Rodion Romanowitsch! Liebster! Väterchen! Was haben Sie nur?«

»Ich erlaube es nicht!« rief Raskolnikow noch einmal.

»Väterchen, seien Sie still! Man wird es ja hören und herkommen! Was sollen wir dann sagen, bedenken Sie es doch!« flüsterte Porfirij Petrowitsch ganz entsetzt, indem er sein Gesicht dem Raskolnikows näherte.

»Ich erlaube es nicht, ich erlaube es nicht!« wiederholte Raskolnikow mechanisch, aber plötzlich im Flüsterton.

Porfirij wandte sich schnell um und lief zum Fenster, um es zu öffnen.

»Frische Luft! Sie müßten auch etwas Wasser trinken, mein Liebster, es ist ja ein Anfall!«

Er stürzte schon zur Tür, um Wasser bringen zu lassen, aber in der Ecke fand sich zum Glück eine Wasserkaraffe.

»Väterchen, trinken Sie doch,« flüsterte er, mit der Karaffe zu ihm stürzend, »vielleicht wird es Ihnen helfen ...«

Der Schreck und selbst die Teilnahme Porfirij Petrowitschs waren so natürlich, daß Raskolnikow verstummte und ihn mit wahnsinniger Neugier zu betrachten begann. Das Wasser nahm er jedoch nicht an.

»Rodion Romanowitsch! Liebster! So können Sie noch den Verstand verlieren! Ach! Trinken Sie doch, trinken Sie doch wenigstens etwas!«

Er zwang ihn dabei, das Glas Wasser in die Hand zu nehmen. Jener führte es mechanisch an die Lippen, besann sich aber und stellte es angeekelt auf den Tisch.

»Ja, Sie haben einen kleinen Anfall gehabt. So werden Sie, mein Lieber, wieder die alte Krankheit kriegen!« gackerte mit freundschaftlicher Teilnahme Porfirij Petrowitsch, der übrigens noch immer fassungslos schien. »Mein Gott, wie kann man sich nur so gar nicht schonen? Auch Dmitrij Prokofjitsch war gestern bei mir – ich gebe zu, ich gebe zu, daß ich einen unangenehmen, schlechten Charakter habe, aber was Sie daraus für Schlüsse gezogen haben! ... Mein Gott! Er kam gestern zu mir, gleich als Sie gegangen waren, wir aßen zu Mittag, er redete und redete, ich starrte ihn bloß an; und ich denke mir ... du lieber Gott! War er etwa in Ihrem Auftrage gekommen? Setzen Sie sich doch, Väterchen, setzen Sie sich um Christi willen!«

»Nein, nicht in meinem Auftrage! Aber ich wußte, daß er zu Ihnen gegangen war und warum er gegangen war«, antwortete Raskolnikow scharf.

»Sie wußten es?«

»Ich wußte es. Was ist denn dabei?«

»Ja, Väterchen, Rodion Romanowitsch, ich weiß noch ganz andere Dinge von Ihnen; alles ist mir bekannt! Ich weiß ja, wie Sie eine Wohnung mieten gingen, spät am Abend, als es schon dunkelte; wie Sie klingelten und nach dem Blute fragten und die Arbeiter und Hausknechte ganz konfus machten. Ich verstehe ja vollkommen Ihren Seelenzustand, das heißt den damaligen ... So werden Sie sich aber einfach um den Verstand bringen, bei Gott! Der Kopf wird Ihnen schwindeln! Eine Empörung kocht in Ihnen, eine edle Empörung über die Beleidigungen, die Sie zuerst vom Schicksal und dann von den Beamten auf dem Polizeirevier erlitten haben; und darum werfen Sie sich hin und her, um alle sozusagen schneller zum Sprechen zu zwingen und damit allem ein Ende zu machen, denn Sie sind schon aller dieser Dummheiten und Verdächtigungen überdrüssig geworden. Es ist doch so? Ich habe doch die Stimmung erraten? ... Sie werden aber so nicht nur sich selbst, sondern auch den Rasumichin verrückt machen; er ist doch ein viel zu guter Mensch dazu, das wissen Sie selbst. Sie haben die Krankheit, er aber hat die Tugend, darum ist die Krankheit für ihn ansteckend ... Ich werde Ihnen, Väterchen, wenn Sie sich beruhigt haben, etwas erzählen ... Setzen Sie sich doch, Väterchen, um Christi willen! Bitte, ruhen Sie aus, Sie sind blaß wie ein Toter. Setzen Sie sich doch!«

Raskolnikow setzte sich; das Zittern hörte auf, und er fühlte am ganzen Körper Fieberhitze. Mit tiefem Erstaunen hörte er gespannt dem erschrockenen Porfirij Petrowitsch zu, der sich so freundschaftlich um ihn bemühte. Er glaubte aber keinem seiner Worte, obwohl er auch eine seltsame Versuchung empfand, ihm zu glauben. Die unerwarteten Worte Porfirijs über die Wohnung machten ihn ganz bestürzt: – Wie ist es nun, er weiß es also, das von der Wohnung? – dachte er plötzlich: – und erzählt es mir selbst! –

»Ja, wir hatten einen fast ebensolchen psychologischen Fall in unserer Gerichtspraxis, einen krankhaften Fall«, fuhr Porfirij sich überstürzend fort. »Da hat sich auch einer eines Mordes bezichtigt, und wie: eine ganze Halluzination tischte er auf, brachte Tatsachen, erzählte alle Umstände, machte alle und jeden ganz konfus, und was stellte sich heraus? Er selbst war ganz ohne Absicht und nur zum Teil mit die Ursache des Mordes gewesen; als er aber erfuhr, daß er den Mördern die Gelegenheit zum Morde gegeben hatte, wurde er schwermütig und melancholisch, bekam Halluzinationen, wurde ganz verrückt und redete sich ein, daß er der Mörder sei! Aber der Regierende Senat klärte schließlich die Sache ganz auf, und der Unglückliche wurde freigesprochen und in ärztliche Pflege gegeben. Dank dem Regierenden Senate! Ach ja, wie ist es nun, Väterchen? So kann man leicht ein Nervenfieber kriegen, wenn man schon solche Anwandlungen hat, seine Nerven zu reizen, nachts auszugehen, um die Klingel zu ziehen und nach dem Blut zu fragen! Die psychischen Zustände habe ich ja in der Praxis gut studiert. So hat der Mensch manchmal auch eine Anwandlung, aus einem Fenster oder von einem Glockenturme zu springen, es ist eine so verführerische Empfindung. Auch das mit der Klingel ... Es ist eine Krankheit, Rodion Romanowitsch, eine Krankheit! Sie haben angefangen, Ihre Krankheit allzusehr zu vernachlässigen. Sie hätten doch einen ordentlichen Medikus zu Rate ziehen sollen, was ist denn dieser Dicke wert! ... Sie phantasieren! Alles tun Sie im Fieber! ...«

Einen Augenblick lang drehte sich alles vor Raskolnikows Augen wie im Wirbel.

– Lügt er denn auch jetzt? – ging es ihm durch den Sinn, – auch jetzt? Es ist unmöglich, unmöglich! – Er stieß den Gedanken von sich, da er im voraus wußte, bis zu welchem Grade von Raserei und Wut ihn dieser Gedanke bringen könnte, und da er fühlte, daß er nahe daran sei, vor Wut verrückt zu werden.

»Es war nicht im Fieber, es war bei vollem Bewußtsein!« schrie er, indem er alle Kräfte seines Verstandes anspannte, um in das Spiel Porfirijs einzudringen. »Bei vollem Bewußtsein! Hören Sie es?!«

»Ja, ich verstehe und höre es! Sie haben auch gestern gesagt, daß es nicht im Fieber gewesen sei! Sie haben sogar besonders betont, daß es nicht im Fieber gewesen sei! Ich verstehe alles, was Sie nur sagen können! Ach ja! ... Hören Sie mal, Rodion Romanowitsch, mein Wohltäter, nehmen Sie zum Beispiel diesen Umstand. Wenn Sie in der Tat der Verbrecher oder in diese verfluchte Sache irgendwie verwickelt wären, würden Sie dann, ich bitte Sie, selbst betonen, daß Sie es nicht im Fieber, sondern bei vollem Bewußtsein getan hätten? Und dazu noch so trotzig mit solcher Hartnäckigkeit betonen, ich bitte Sie! Ich meine, Sie würden sich ganz anders verhalten. Wenn Sie sich irgendeiner Schuld bewußt wären, so müßten Sie unbedingt betonen, daß alles im Fieber gewesen sei! Nicht wahr? Es ist doch so?«