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»Kümmern Sie sich doch nicht um die Form«, unterbrach ihn Porfirij mit dem früheren verschlagenen Lächeln, indem er Raskolnikow mit scheinbarem Vergnügen betrachtete. »Ich habe Sie, Väterchen, ganz privat und freundschaftlich eingeladen!«

»Ich will Ihre Freundschaft nicht, und ich spucke auf sie! Hören Sie es? Und sehen Sie; ich nehme meine Mütze und gehe fort. Nun, was wirst du jetzt sagen, wenn du mich verhaften willst?«

Er ergriff seine Mütze und ging zur Tür.

»Wollen Sie denn nicht die kleine Überraschung sehen?« kicherte wieder Porfirij, indem er ihn wieder am Arm oberhalb des Ellbogens nahm und an der Tür festhielt.

Er wurde sichtlich lustiger und vergnügter, was Raskolnikow endgültig aus der Fassung brachte.

»Was für eine Überraschung? Was ist los?« fragte er plötzlich, stehen bleibend und Porfirij erschrocken anblickend.

»Die kleine Überraschung habe ich hier hinter der Tür sitzen, he-he-he! (Er zeigte mit dem Finger auf die verschlossene Tür in der rückwärtigen Wand, die in seine Dienstwohnung führte.) Ich habe Sie eingeschlossen, damit Sie nicht davonlaufen.«

»Was ist? Wo? Was? ...«

Raskolnikow ging zu der Tür und wollte sie öffnen, sie war aber verschlossen.

»Sie ist verschlossen, hier ist der Schlüssel!«

Und er holte in der Tat aus der Tasche einen Schlüssel hervor und zeigte ihn ihm.

»Du lügst immer!« schrie Raskolnikow, der sich nicht länger beherrschte. »Du lügst, verfluchter Hanswurst!« Und mit diesen Worten stürzte er sich auf Porfirij, der sich zur Tür retiriert hatte, aber gar nicht erschrocken schien.

»Ich verstehe alles, alles!« rief er, indem er auf ihn zusprang. »Du lügst und reizt mich, damit ich mich selbst verrate ...«

»Sie können sich doch nicht mehr verraten, Väterchen, Rodion Romanowitsch! Sie rasen ja schon. Schreien Sie nicht, sonst rufe ich Leute herbei.«

»Du lügst, nichts wird geschehen! Rufe nur deine Leute! Du wußtest, daß ich krank bin, und wolltest mich rasend machen, damit ich mich verrate, das ist deine Absicht! Nein, zeige mir Tatsachen! Ich habe alles verstanden! Du hast keine Tatsachen, du hast nur elende, wertlose Hypothesen im Samjotowschen Stile! ... Du kanntest meinen Charakter, du wolltest mich in Raserei versetzen, um mich dann plötzlich mit Popen und Delegierten zu überfallen ... Du wartest doch auf sie? Wie? Was wartest du? Wo? Zeig sie mir doch!«

»Was für Delegierte meinen Sie denn, Väterchen? Was so ein Mensch sich nicht alles einbildet! Nach den Vorschriften darf man gar nicht so vorgehen, wie Sie sagen, Sie verstehen überhaupt nichts von der Sache ... Und die Form wird uns nicht davonlaufen, Sie werden es selbst sehen! ...« murmelte Porfirij, an der Tür lauschend.

In diesem Augenblick ließ sich wirklich im anderen Zimmer dicht hinter der Tür etwas wie ein Geräusch vernehmen.

»Ah, sie kommen!« schrie Raskolnikow. »Du hast nach ihnen geschickt! ... Du hast sie erwartet! Du hast es berechnet ... Nun, zeig sie her alle: die Delegierten, die Zeugen, wenn du willst ... Zeig sie her! Ich bin bereit! Bereit!«

Hier trat aber ein sonderbares Ereignis ein, etwas beim normalen Gang der Dinge so Unerwartetes, daß weder Raskolnikow noch Porfirij Petrowisch auf einen solchen Ausgang hatten rechnen können.

VI

Raskolnikows Erinnerung an diesen Moment stellte sich später wie folgt dar:

Das Geräusch hinter der Tür nahm schnell zu, und die Tür wurde ein wenig geöffnet.

»Was ist los?!« schrie Porfirij Petrowitsch ärgerlich. »Ich habe doch gesagt ...«

Es erfolgte keine sofortige Antwort, man merkte aber, daß hinter der Tür sich mehrere Menschen befanden und jemand fortzuziehen suchten.

»Was ist denn los?« fragte Porfirij Petrowitsch beunruhigt.

»Wir haben den Arrestanten gebracht, den Nikolai«, antwortete eine Stimme.

»Nicht nötig! Fort! Warten! ... Was will er hier! Was ist das für eine Wirtschaft!« rief Porfirij, zur Tür stürzend.

»Ja, er ...« begann wieder dieselbe Stimme und brach plötzlich ab.

Zwei Sekunden, nicht länger dauerte ein richtiger Kampf; dann schien jemand einen anderen aus aller Kraft zurückgestoßen zu haben, und gleich darauf trat ein sehr bleicher Mann direkt ins Arbeitszimmer Porfirij Petrowitschs.

Das Aussehen dieses Menschen war auf den ersten Blick sehr sonderbar. Er sah gerade vor sich hin, schien aber niemand zu sehen. In seinen Augen leuchtete Entschlossenheit, zugleich aber bedeckte eine Totenblässe sein Gesicht, als hätte man ihn zur Richtstätte gebracht. Seine blutleeren Lippen zuckten leicht.

Er war noch sehr jung, gekleidet wie ein Mann aus dem Volke, von mittlerem Wuchse, hager, mit auf Bauernart rund beschnittenen Haaren und feinen, trockenen Gesichtszügen. Der Mann, den er so plötzlich zurückgestoßen hatte, stürzte als erster ihm ins Zimmer nach und packte ihn an der Schulter; es war ein Wachsoldat; Nikolai zog den Arm zurück und riß sich wieder los.

In der Tür drängten sich mehrere Neugierige. Einige von ihnen wollten hereinkommen. Das alles spielte sich in einem Augenblick ab.

»Fort, es ist noch zu früh! Wart', bis man dich ruft! ... Warum hat man ihn so früh hergebracht?« murmelte höchst ärgerlich und scheinbar verlegen Porfirij Petrowitsch.

Nikolai kniete aber plötzlich nieder.

»Was hast du?« rief Porfirij erstaunt.

»Ich bin schuldig! Die Sünde ist mein! Ich bin der Mörder!« sagte plötzlich Nikolai, um Atem ringend, doch mit ziemlich lauter Stimme.

An die zehn Sekunden schwiegen alle wie erstarrt; selbst der Wachsoldat taumelte zurück und trat nicht mehr an Nikolai heran; er retirierte mechanisch zur Tür und blieb unbeweglich stehen.

»Was ist los?« schrie Porfirij Petrowitsch, aus der Erstarrung erwachend.

»Ich bin ... der Mörder ...« wiederholte Nikolai nach kurzem Schweigen.

»Wie ... du ... Wie ... Wen hast du ermordet?«

Porfirij Petrowitsch verlor sichtlich die Fassung. Nikolai schwieg wieder eine Weile.

»Aljona Iwanowna und ihre Schwester, Lisaweta Iwanowna habe ich ... mit einem Beil ... ermordet. Es war eine Verblendung«, fügte er plötzlich hinzu und schwieg wieder.

Er lag noch immer auf den Knien.

Porfirij Petrowitsch stand noch einige Augenblicke wie sinnend da, dann fuhr er plötzlich auf und winkte den ungebetenen Zeugen zu, fortzugehen. Jene verschwanden sofort, und die Tür wurde zugemacht. Dann blickte er Raskolnikow an, der in der Ecke stand und Nikolai mit wahnsinnigen Augen ansah, und ging auf ihn zu; plötzlich blieb er aber stehen, sah ihn an, richtete den Blick wieder auf Nikolai, dann wieder auf Raskolnikow, dann wieder auf Nikolai und stürzte plötzlich, wie von einem neuen Gedanken erleuchtet, auf Nikolai.

»Was drängst du dich nur mit deiner Verblendung auf!« rief er ihm beinahe gehässig zu. »Ich habe dich noch nicht gefragt, ob es eine Verblendung war oder nicht! Sag: hast du gemordet?«

»Ich bin der Mörder ... ich gestehe ...« sagte Nikolai.

»Ah! Womit hast du gemordet?«

»Mit einem Beil. Ich hatte mir eines vorbereitet.«

»Ach, wie der eilt! Du allein?«

Nikolai verstand die Frage nicht.

»Hast du allein gemordet?«

»Allein. Mitjka ist aber unschuldig und hat damit nichts zu tun.«

»Komm mir noch nicht mit dem Mitjka! Ach! ...«

»Wie bist du aber, nun, wie bist du damals die Treppe hinuntergelaufen? Die Hausknechte haben doch euch beide gesehen?«

»Das war, um den Verdacht abzulenken ... damals ... als ich mit dem Mitjka lief ...« antwortete Nikolai hastig, als hätte er diese Antwort schon vorher vorbereitet.