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– Ich werde doch nicht der Möbel wegen heiraten! – sagte sich Pjotr Petrowitsch, mit den Zähnen knirschend; zugleich erwachte in ihm eine neue verzweifelte Hoffnung: – Ist denn alles in der Tat so unwiderruflich verloren und erledigt? Soll ich nicht noch einmal versuchen? – Der Gedanke an Dunjetschka saß ihm wie ein Splitter im Herzen. Mit Qual ertrug er diesen Augenblick, und wenn er jetzt Raskolnikow durch einen bloßen Wunsch hätte töten können, so hätte Pjotr Petrowitsch diesen Wunsch unverzüglich ausgesprochen.

– Es war auch ein Fehler, daß ich ihnen gar kein Geld gab – dachte er, als er nun traurig in das kleine Zimmer Lebesjatnikows zurückkehrte: – Und warum bin ich, zum Teufel, so ein Jude geworden?! Es war sogar gar keine Berechnung dabei! Ich hatte die Absicht, sie in Armut zu halten und sie so weit zu bringen, daß sie mich für ihre Vorsehung halten, sie aber stellen so was an! ... Pfui! ... Nein, hätte ich während dieser ganzen Zeit beispielsweise fünfzehnhundert Rubel für die Mitgift, für Geschenke, für allerlei Schächtelchen, Necessaires, Anhängsel, Stoffe und sonstigen Kram aus dem Geschäft von Knoop oder aus dem Englischen Magazin ausgegeben, so stünde die Sache besser und ... sicherer! Dann hätten sie mir nicht so leicht absagen können! Diese Leute sind doch so, daß sie es unbedingt für ihre Pflicht gehalten hätten, mir im Falle einer Absage die Geschenke und das Geld zurückzugeben; die Rückgabe würde ihnen aber schwer fallen und leid tun! Auch das Gewissen würde ihnen zugesetzt haben: wie kann man bloß einen Menschen davonjagen, der bisher so freigebig und feinfühlend war? ... Hm! Das war ein Fehler von mir! –

Pjotr Petrowitsch knirschte noch einmal mit den Zähnen und nannte sich auf der Stelle einen Dummkopf – natürlich nur bei sich.

Nachdem er zu diesem Schlusse gekommen war, kehrte er noch doppelt so wütend und gereizt nach Hause zurück, als er fortgegangen war. Die Vorbereitungen zum Totenmahl im Zimmer Katerina Iwanownas erregten zum Teil seine Neugier. Von diesem Totenmahl hatte er schon gestern manches gehört; er glaubte sich sogar erinnern zu können, daß man auch ihn eingeladen hatte, aber bei seinen anderen Sorgen hatte er das alles überhört. Er erkundigte sich schnell bei der Frau Lippewechsel, die in Abwesenheit Katerina Iwanownas (die auf dem Friedhof war) das Tischdecken besorgte, und erfuhr, daß das Totenmahl sehr feierlich sein würde, daß fast alle Mieter, darunter auch solche, die den Verstorbenen gar nicht gekannt hatten, eingeladen seien, daß sogar Andrej Ssemjonowitsch Lebesjatnikow, trotz seines kürzlichen Streites mit Katerina Iwanowna, eingeladen sei, und schließlich, daß auch er selbst, Pjotr Petrowitsch, nicht nur eingeladen sei, sondern als der beinahe vornehmste Gast unter allen Mietern sogar mit großer Ungeduld erwartet werde. Auch Amalia Iwanowna selbst war trotz aller vorgefallenen Unannehmlichkeiten mit großer Ehre eingeladen worden, und darum wirtschaftete und bemühte sie sich jetzt fast mit Genuß: außerdem war sie festlich geputzt, obwohl in Trauer, und hatte lauter neue und seidene Sachen an, worauf sie sehr stolz war. Alle diese Tatsachen und Nachrichten brachten Pjotr Petrowitsch auf einen gewissen Gedanken, und er kehrte etwas nachdenklich in sein, das heißt Andrej Ssemjonowitsch Lebesjatnikows Zimmer zurück. Er hatte nämlich erfahren, daß unter den Eingeladenen sich auch Raskolnikow befand.

Andrej Ssemjonowitsch war diesen ganzen Morgen aus irgendeinem Grunde zu Hause. Zwischen diesem Herrn und Pjotr Petrowitsch hatten sich eigentümliche, übrigens auch natürliche Beziehungen gebildet: Pjotr Petrowitsch verachtete und haßte ihn sogar grenzenlos, fast von dem Tage an, an dem er sich bei ihm einlogiert hatte, empfand vor ihm aber zugleich eine gewisse Angst. Er war bei ihm nach seiner Ankunft in Petersburg nicht bloß aus kleinlicher Sparsamkeit abgestiegen: obwohl dies fast der wichtigste Grund war, hatte er auch noch andere Gründe. Schon in der Provinz hatte er über Andrej Ssemjonowitsch, seinen früheren Mündel, als über einen der hervorragendsten jungen Progressisten gehört, der sogar eine bedeutende Rolle in gewissen interessanten und legendären Kreisen spiele. Dies überraschte Pjotr Petrowitsch. Alle diese mächtigen, allwissenden, alles verachtenden und alles entlarvenden Kreise flößten Pjotr Petrowitsch schon längst eine eigentümliche, wenn auch unbestimmte Angst ein. Er selbst konnte sich, besonders da er in der Provinz lebte, über diese Dinge keinerlei einigermaßen genauen Begriff machen. Er hatte wie die anderen gehört, daß es besonders in Petersburg allerlei Progressisten, Nihilisten, Entlarver und dergleichen gäbe, aber er übertrieb und verdrehte gleich vielen anderen den Sinn und die Bedeutung dieser Benennungen ins Unsinnige. Am meisten fürchtete er seit einigen Jahren Entlarvungen, und dies war der Hauptgrund seiner ständigen, übertriebenen Unruhe, die er besonders bei dem Gedanken, seine Tätigkeit nach Petersburg zu verlegen, empfand. In dieser Beziehung war er sozusagen eingeschüchtert, wie es zuweilen kleine Kinder sind. Vor einigen Jahren, in der Provinz, als er eben seine Karriere begann, erlebte er zwei Fälle, wo die Tätigkeit sehr hochstehender Gouvernementsbeamten, an die er sich bis dahin geklammert hatte und die ihn protegierten, aufs grausamste entlarvt wurde. Der eine Fall endete für den Entlarvten mit einem besonderen Skandal, und auch der zweite hätte beinahe ein recht schlimmes Ende genommen. Aus diesem Grunde hatte sich Pjotr Petrowitsch vorgenommen, gleich nach seiner Ankunft in Petersburg festzustellen, was an den Gerüchten eigentlich sei, und nötigenfalls den Ereignissen zuvorzukommen und sich bei »unserer jungen Generation« einzuschmeicheln. In dieser Beziehung setzte er seine Hoffnungen auf Andrej Ssemjonowitsch und hatte schon gelernt, wie beim Besuche bei Raskolnikow, gewisse, anderen entlehnte Phrasen in vollendeter Form vom Stapel zu lassen ...

Selbstverständlich hatte er in Andrej Ssemjonowitsch sehr bald einen hohlen und einfältigen unbedeutenden Menschen erkannt. Dies hatte aber ihm weder seinen Glauben genommen noch ihn ermutigt. Selbst wenn er die Überzeugung gewonnen hätte, daß alle Progressisten die gleichen Narren seien, auch dann würde er sich nicht beruhigt haben. Für alle die Lehren, Ideen und Systeme (mit denen Andrej Ssemjonowitsch sofort über ihn herfiel) hatte er eigentlich nicht das geringste Interesse. Er hatte sein eigenes Ziel. Er wollte nur so schnell wie möglich feststellen: Was hier eigentlich los sei? Ob diese Menschen einen Einfluß haben oder nicht? Ob Grund zu Befürchtungen vorliege oder nicht? Ob man ihn entlarven werde, wenn er dies oder jenes unternehmen würde, oder nicht? Und wenn man ihn entlarven würde, so, in welcher Beziehung? und was für Dinge dabei besonders kompromittierend seien? Und noch mehr als das: kann man sich nicht irgendwie an sie heranmachen und sie bei dieser Gelegenheit anführen, wenn sie in der Tat irgendeine Macht besitzen? Soll man es, oder soll man es nicht? Ob es nicht ginge, durch ihre Vermittlung etwas in seiner Karriere zu erreichen? Mit einem Wort, er hatte Hunderte von Fragen vor sich.

Dieser Andrej Ssemjonowitsch war ein kachektischer und skrofulöser kleiner Mann, der irgendwo diente, lächerlich blond war und einen Kotelettenbart hatte, auf den er sehr stolz war. Außerdem hatte er immer Augenschmerzen. Er war ziemlich weichherzig, redete aber sehr selbstbewußt, manchmal sogar außerordentlich herausfordernd, was bei seiner kleinen Figur fast immer komisch wirkte. Bei Amalia Iwanowna zählte er zu den angesehensten Mietern, das heißt, er trank nicht und bezahlte die Miete pünktlich. Trotz dieser Eigenschaften war Andrej Ssemjonowitsch wirklich etwas dumm. Am Progreß und an »unserer jungen Generation« hing er aus bloßer Leidenschaft. Er war einer von der großen vielgestaltigen Legion hohler, kraftloser, unfertiger, doch eingebildeter Menschen, die nichts gelernt haben, sich aber an jede gangbare Modeidee hängen, um sie sofort zu banalisieren und alles, was sie in der aufrichtigsten Weise zu fördern glauben, in eine Karikatur zu verwandeln.