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Als Porfirij Petrowitsch hörte, daß der Gast ein »kleines Anliegen« an ihn habe, forderte er ihn sofort auf, auf dem Sofa Platz zu nehmen, er setzte sich selbst in die andere Ecke des Sofas und blickte den Gast, in Erwartung, daß jener ihm die Angelegenheit sofort darlegen werde, mit jener gespannten und übertrieben ernsten Aufmerksamkeit an, die zum erstenmal unangenehm und verwirrend wirkt, besonders wenn man noch unbekannt ist, und noch mehr, wenn das, was man vorbringen möchte, nach eigener Ansicht des Gesuchstellers, in gar keinem Verhältnis zu der so großen Aufmerksamkeit steht, die man ihm erweist. Aber Raskolnikow erklärte seine Sache in wenigen zusammenhängenden Worten, klar und genau, und war auch mit sich selbst so zufrieden, daß er sogar Zeit fand, Porfirij genau zu mustern. Auch Porfirij Petrowitsch wandte seine Augen keinen Augenblick von ihm. Rasumichin, der sich ihnen gegenüber an denselben Tisch gesetzt hatte, verfolgte eifrig und ungeduldig die Darlegung der Sache und blickte abwechselnd bald den einen und bald den anderen an, was schon ein wenig zu viel war.

– Dummkopf! – schimpfte Raskolnikow bei sich.

»Sie müssen ein Gesuch an die Polizei einreichen,« antwortete Porfirij mit der ernstesten Miene, »daß Sie, nachdem Sie von diesem Fall, das heißt von diesem Morde gehört haben, die Polizei ersuchen, den Untersuchungsrichter, der mit dieser Sache betraut ist, zu benachrichtigen, daß die und die Gegenstände Ihnen gehören und daß Sie sie einlösen möchten ... oder ähnlich ... man wird es Ihnen übrigens aufsetzen.«

»Das ist es eben, daß ich augenblicklich«, begann Raskolnikow, indem er sich bemühte, verlegen zu erscheinen, »nicht bei Kassa bin ... und sogar so eine Kleinigkeit nicht habe ... Sehen Sie, ich möchte jetzt nur erklären, daß die Gegenstände mir gehören, und daß, wenn ich mal Geld habe ...«

»Das ist ganz gleich«, antwortete Porfirij Petrowitsch, der die Erklärung über die Finanzlage recht kühl aufnahm. »Übrigens können Sie auch, wenn Sie wollen, direkt an mich in demselben Sinne schreiben, nämlich: ich habe das und das erfahren, gebe die und die Gegenstände an und bitte ...«

»Schreibt man das auf einfachem Papier?« unterbrach ihn Raskolnikow eilig, der sich wieder für die finanzielle Seite der Sache interessierte.

»Ach, auf dem allereinfachsten!«

Plötzlich blickte ihn Porfirij Petrowitsch unverhohlen spöttisch an und zwinkerte ihm mit zusammengekniffenen Augen zu. Dies alles kam Raskolnikow vielleicht nur so vor, denn es dauerte nur einen Augenblick. Jedenfalls war etwas gewesen. Raskolnikow könnte schwören, daß jener ihm zugezwinkert habe, weiß der Teufel warum.

– Er weiß es! – durchzuckte es ihn wie ein Blitz.

»Entschuldigen Sie, daß ich Sie mit solchen Bagatellen belästige«, fuhr er etwas unsicher fort. »Alle meine Sachen sind nur fünf Rubel wert, aber sie sind mir besonders teuer als Andenken an die, von denen ich sie bekommen habe. Ich muß gestehen, als ich es erfuhr, erschrak ich sehr ...«

»Darum bist du also gestern so aufgefahren, als ich Sossimow sagte, daß Porfirij die Pfandgeber vernimmt!« mischte sich Rasumichin mit deutlicher Absicht ein.

Das war schon unerträglich. Raskolnikow konnte sich nicht länger beherrschen und blickte ihn gehässig mit zornentbrannten Augen an. Aber gleich kam er wieder zur Besinnung.

»Ich glaube, du machst dich über mich lustig, Bruder?« wandte er sich an ihn mit gut simulierter Gereiztheit. »Ich gebe es zu, daß ich mir wegen dieser Sachen, die du wohl für Schund hältst, zu viel Sorgen mache; du darfst mich aber deswegen weder für einen Egoisten noch für habgierig halten, und diese beiden kleinen Gegenstände können für mich auch kein Schund sein. Ich habe dir doch eben gesagt, daß diese silberne Uhr, die nur ein paar Groschen wert ist, der einzige Gegenstand ist, den mein Vater hinterlassen hat. Du kannst über mich lachen, aber zu mir ist meine Mutter gekommen«, wandte er sich plötzlich an Porfirij, »und wenn sie erfährt,« fuhr er fort, sich wieder an Rasumichin wendend und sich Mühe gebend, mit zitternder Stimme zu sprechen, »daß diese Uhr verloren ist, so wird sie, ich schwöre es, in Verzweiflung sein! Diese Frauen!«

»Keine Spur! Ich meine es gar nicht so! Ganz im Gegenteil!« rief Rasumichin gekränkt.

– Ist es gut so? Ist es natürlich? Habe ich auch nicht übertrieben? – fragte sich Raskolnikow zitternd. – Warum habe ich nur gesagt: ›Diese Frauen‹? –

»So, Ihre Frau Mutter ist zu Ihnen gekommen?« erkundigte sich aus irgendeinem Grunde Porfirij Petrowitsch.

»Ja.«

»Wann denn?«

»Gestern abend.«

Porfirij schwieg, als überlege er etwas.

»Ihre Sachen können in keinem Falle verlorengehen«, fuhr er ruhig und kalt fort. »Ich erwarte Sie ja schon längst.«

Und als wäre nichts vorgefallen, hielt er Rasumichin vorsorglich eine Aschenschale hin, da jener die Asche seiner Zigarette unbarmherzig auf den Teppich streute. Raskolnikow fuhr zusammen, aber Porfirij sah ihn anscheinend gar nicht an: so sehr war er um Rasumichins Zigarette besorgt.

»Wa-a-s? Du hast ihn erwartet? Hast du denn gewußt, daß auch er dort versetzt hat?« rief Rasumichin.

Porfirij Petrowitsch wandte sich direkt an Raskolnikow.

»Ihre beiden Gegenstände, der Ring und die Uhr, waren bei ihr in das gleiche Papier eingewickelt, und auf dem Papier war mit Bleistift deutlich Ihr Name angegeben, ebenso auch das Datum, wann sie die Sachen von Ihnen erhalten hat ...«

»Wie Sie das gleich bemerkt haben ...« sagte Raskolnikow mit einem ungeschickten Lächeln und bemühte sich, ihm gerade in die Augen zu sehen; er konnte sich aber nicht enthalten und fügte plötzlich hinzu:

»Ich sagte es eben, weil wohl sehr viele Pfandgeber waren ... so daß es für Sie wohl schwer sein muß, sich alle zu merken ... Sie aber erinnern sich an alle so deutlich und ... und ...«

– Dumm! Schwach! Wozu habe ich es bloß hinzugefügt! –

»Fast alle Pfandgeber sind jetzt schon bekannt, so daß Sie der einzige sind, der uns noch nicht aufgesucht hat«, antwortete Porfirij mit einem kaum wahrnehmbaren Anfluge von Spott.

»Ich war nicht ganz wohl.«

»Auch davon habe ich gehört. Ich habe sogar gehört, daß etwas Sie tief erschüttert hat. Sie scheinen mir auch jetzt etwas bleich!«

»Ich bin gar nicht bleich ... im Gegenteil, ich bin vollkommen gesund!« schnitt ihm Raskolnikow grob und gehässig ab, plötzlich den Ton ändernd.

Er schäumte vor Wut und konnte sie nicht unterdrücken.

– Und gerade in der Wut werde ich mich versprechen! – ging es ihm wieder durch den Sinn. – Warum quälen sie mich bloß so ... –

»Du bist vollkommen gesund?« fiel ihm Rasumichin ins Wort. »Was er da sagt! Bis gestern war er bewußtlos und phantasierte ... Wirst du es mir glauben, Porfirij: er konnte fast nicht auf den Beinen stehen, aber kaum waren wir, ich und Sossimow, für einen Augenblick weg, als er sich anzog, durchbrannte und sich irgendwo fast bis Mitternacht herumtrieb! Und das, sage ich dir, im höchsten Fieber, kannst du dir so was vorstellen?! Ein merkwürdiger Fall!«

»Wirklich im Fieber? Was Sie nicht sagen!« versetzte Porfirij und schüttelte mit weibischer Gebärde den Kopf.

»Ach, Unsinn! Glauben Sie es nicht! Sie glauben es übrigens auch so nicht!« entschlüpfte es Raskolnikow in übertriebener Wut.

Porfirij Petrowitsch schien aber diese merkwürdigen Worte überhört zu haben.