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Dunja war vom Anerbieten Swidrigailows überrascht. Sie stand die ganze Zeit nachdenklich da.

»Er hat wieder etwas Schreckliches im Sinn!« sagte sie fast im Flüsterton zu sich selbst und fuhr zusammen.

Raskolnikow bemerkte diese übertriebene Furcht.

»Ich glaube, ich werde ihn noch mehr als einmal sehen«, sagte er zu Dunja.

»Wir wollen auf der Hut sein! Ich werde ihm schon auf die Spur kommen!« rief Rasumichin energisch. »Ich lasse ihn nicht aus den Augen! Rodja hat es erlaubt. Er hat mir vorhin selbst gesagt: ›Beschütze meine Schwester!‹ Und Sie, werden Sie es mir erlauben, Awdotja Romanowna?«

Dunja lächelte und reichte ihm die Hand, aber der besorgte Ausdruck wich nicht von ihrem Gesicht. Pulcheria Alexandrowna blickte sie ab und zu schüchtern an; die dreitausend Rubel hatten sie übrigens sichtlich beruhigt.

Nach einer Viertelstunde befanden sich alle in lebhaftester Unterhaltung. Sogar Raskolnikow beteiligte sich zwar nicht am Gespräch, hörte aber einige Zeit aufmerksam zu. Rasumichin führte das große Wort.

»Aber warum, warum sollen Sie fortreisen?« ergoß er sich berauscht in begeisterter Rede. »Und was werden Sie in Ihrem kleinen Nest treiben? Die Hauptsache ist doch, daß Sie hier alle zusammen sind und einander brauchen. – Sie brauchen einander so notwendig, begreifen Sie mich doch! Nun, wenigstens eine Zeitlang ... Mich aber nehmen Sie als einen Freund, als einen Kompagnon auf, und ich versichere Ihnen, wir gründen ein ausgezeichnetes Unternehmen. Hören Sie, ich will Ihnen alles ganz genau erklären, – das ganze Projekt! Es schwebte mir schon am Morgen, als noch nichts geschehen war, vor ... Es handelt sich um folgendes: Ich habe einen Onkel (ich will Sie mit ihm bekannt machen: ein sehr vernünftiger und sehr achtbarer alter Herr!), und dieser Onkel besitzt tausend Rubel Kapital; er selbst lebt von seiner Pension und braucht sonst nichts. Schon das zweite Jahr setzt er mir zu, daß ich mir diese tausend Rubel nehme und ihm sechs Prozent Zinsen dafür zahle. Ich weiß ja, was er sich dabei denkt: er will mir einfach helfen; im vorigen Jahre brauchte ich das Geld nicht, aber in diesem Jahre wartete ich nur auf seine Ankunft und entschloß mich, das Geld zu nehmen. Dann geben Sie das zweite Tausend von Ihrem Geld her, das genügt für den Anfang, und wir gründen ein Kompagniegeschäft. Was fangen wir nun an?«

Rasumichin begann sein Projekt zu entwickeln und redete viel davon, wie wenig fast alle unsere Buchhändler und Verleger von ihrer Ware verstünden und daß sie darum auch gewöhnlich schlechte Verleger seien, während gute Bücher sich im allgemeinen bezahlt machten und zuweilen einen nicht unbedeutenden Nutzen abwürfen. Rasumichin dachte an die Verlegertätigkeit, da er schon seit zwei Jahren für andere Verleger gearbeitet hatte und recht gut drei europäische Sprachen beherrschte, obwohl er Raskolnikow vor sechs Tagen erklärt hatte, daß er im Deutschen »schwach« sei; doch nur um ihn zu überreden, die Hälfte der Übersetzungsarbeit und die drei Rubel Vorschuß anzunehmen; er hatte damals gelogen, und Raskolnikow wußte es.

»Warum, warum sollen wir uns die Gelegenheit entgehen lassen, wenn wir eines der wichtigsten Mittel, nämlich Geld besitzen?« ereiferte sich Rasumichin. »Natürlich, man muß auch viel arbeiten, und wir werden auch viel arbeiten, Sie, Awdotja Romanowna, ich, Rodion ... manche Bücher werfen jetzt einen schönen Nutzen ab! Die Grundlage des Unternehmens aber ist, daß wir wissen werden, was zu übersetzen ist. Wir werden übersetzen und verlegen und studieren, alle zusammen. Jetzt kann ich nützlich sein, denn ich habe die Erfahrung. Seit zwei Jahren laufe ich von einem Verleger zum anderen und kenne ihr ganzes Geschäft: es sind keine Heiligen, die die Töpfe brennen, glauben Sie es mir! Und warum soll man auch den Bissen an seinem Munde vorbeigehen lassen? Ich selbst kenne zwei oder drei Werke, die ich geheim halte: für die Idee allein, sie zu übersetzen und herauszugeben, kann man hundert Rubel für jedes Buch bekommen; für die eine Idee würde ich nicht mal fünfhundert Rubel nehmen. Und was glauben Sie: wenn ich es jemand sage, so wird er vielleicht noch Zweifel haben, es sind doch solche Dummköpfe! Und was die eigentlichen geschäftlichen Scherereien betrifft mit der Druckerei, dem Papier und Verkauf, so überlassen Sie es mir! Ich kenne alle Schliche. Wir fangen mit Kleinem an und erreichen Großes, wir werden davon wenigstens leben können und unser Geld auf jeden Fall zurückerhalten.«

Dunjas Augen leuchteten.

»Was Sie da sagen, gefällt mir sehr, Dmitrij Pokrofjitsch!« sagte sie.

»Ich verstehe davon natürlich gar nichts,« versetzte Pulcheria Alexandrowna, »vielleicht ist es auch sehr schön, aber Gott allein weiß es. Die Sache ist neu und unbekannt. Natürlich müssen wir noch hier bleiben, wenigstens eine Zeitlang ...«

Sie blickte Rodja an.

»Was denkst du darüber, Bruder?« fragte Dunja.

»Ich denke, daß er einen sehr guten Gedanken hat«, antwortete er. »An eine Firma soll man natürlich vorher nicht denken, aber fünf oder sechs Bücher kann man wirklich mit sicherem Erfolg herausgeben. Ich kenne auch selbst ein Werk, das unbedingt gehen wird. Und was die Frage betrifft, ob er das Geschäft zu leiten versteht, so kann darüber kein Zweifel sein; er versteht die Sache ... Übrigens habt ihr noch Zeit, euch über alles zu einigen ...«

»Hurra!« rief Rasumichin. »Wartet nur, es gibt hier in diesem selben Hause bei denselben Wirtsleuten eine freie Wohnung. Es ist eine abgeschlossene Wohnung, die mit diesen möblierten Zimmern nicht zusammenhängt, drei Stuben mit Möbeln, der Preis ist mäßig. Für den Anfang nehmen Sie diese Wohnung. Die Uhr will ich morgen für Sie versetzen und Ihnen das Geld bringen, und das Weitere wird schon werden. Die Hauptsache aber ist, daß Sie jetzt alle drei zusammen wohnen können, und auch Rodja mit Ihnen. Wo willst du denn hin, Rodja?«

»Wie, Rodja, du gehst schon weg?« fragte Pulcheria Alexandrowna sogar erschrocken.

»In einem solchen Augenblick!« rief Rasumichin aus.

Dunja sah ihren Bruder mit mißtrauischem Erstaunen an. Er hatte die Mütze in der Hand und wollte fortgehen.

»Es ist, als ob ihr mich beerdigt oder euch von mir für alle Ewigkeit verabschiedet«, sagte er sonderbar.

Er schien zu lächeln, aber es war anscheinend gar kein Lächeln.

»Wer weiß, vielleicht sehen wir uns wirklich zum letztenmal«, entschlüpfte es ihm plötzlich.

Eigentlich dachte er es nur, aber die Worte kamen ihm ganz von selbst von den Lippen.

»Was ist mit dir?« rief die Mutter.

»Wo gehst du denn hin, Rodja?« fragte Dunja eigentümlich.

»So, ich muß dringend gehen«, sagte er verlegen, als schwankte er noch, was er zu sagen hätte; doch sein bleiches Gesicht drückte eine feste Entschlossenheit aus.

»Ich wollte sagen ... als ich herging ... ich wollte Ihnen sagen, Mamachen ... und auch dir, Dunja, daß es für uns das beste wäre, uns für eine Zeitlang zu trennen. Ich fühle mich nicht wohl und bin unruhig ... ich werde später wiederkommen, ich werde selbst kommen, wenn ... wenn ich es kann. Ich denke an euch und liebe euch ... Laßt mich! Laßt mich allein! So habe ich schon früher beschlossen ... Ich habe es fest beschlossen ... Was mit mir auch geschieht, ob ich zugrunde gehe oder nicht, jedenfalls will ich allein sein. Vergeßt mich ganz. So ist es besser ... Erkundigt euch nicht nach mir. Wenn es mal nötig ist, werde ich selbst kommen ... oder euch rufen. Vielleicht wird es noch eine Auferstehung geben! ... Jetzt aber, wenn ihr mich liebt, sagt euch von mir los ... Sonst werde ich euch hassen, ich fühle es ... Lebt wohl!«

»Mein Gott!« rief Pulcheria Alexandrowna.