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Quenthel und Pharaun sahen auf.

»Wie?« wollte Quenthel wissen. »Wollt Ihr behaupten, Lolth erweise Euch immer noch ihre Gunst?«

»Nein«, erwiderte Halisstra. Sie kniete sich neben Ryld und untersuchte ihn. Sie mußte sich beeilen. Wenn er starb, konnte er ihr nicht mehr von Nutzen sein. »Lolth hat mir wie Quenthel und vermutlich auch jeder anderen Priesterin unseres Volks jeglichen Zauber verwehrt. Ich kann aber auf andere Weise heilen.«

Damit begann sie zu singen. Ihr Lied war eine sonderbare, wehklagende Threnodie, so düster und unheimlich, daß sie die Bewunderung der Drow für Schönheit, Ehrgeiz und meisterlich vollbrachte düstere Taten ansprach. Halisstra formte den Klang ihrer Stimme und der uralten Worte dieses Liedes, beschwor die Magie ihres Klagelieds, während sie den Bolzen packte und ihn aus der Wunde zog.

Ryld zuckte zusammen, die Augen weit aufgerissen, und Blut strömte über Halisstras Hände – doch die Wunde verschloß sich sofort zu einer Narbe, und der Waffenmeister hustete sich selbst wach.

»Was ist passiert?« stöhnte er.

»Das wüßte ich auch gern«, erwiderte Quenthel und betrachtete Halisstra mißtrauisch. »War es das, was ich glaube?«

Halisstra nickte und stand auf, während sie sich Blut von den Händen wischte.

»Es ist eine Tradition meines Hauses, daß Frauen, die dafür geeignet sind, die Kunst der Bae’qeshel erlernen dürfen, der finsteren Minnesänger. Wie Ihr seht, liegt im Lied eine Macht, etwas, womit sich nur wenige von unserer Art überhaupt befassen wollen. Ich bin in der Geschichte der Minnesänger ausgebildet worden.«

Ryld setzte sich auf, betrachtete seinen Brustpanzer und den blutigen Bolzen, der im Staub lag, und sah dann Halisstra an.

»Ihr habt mich geheilt?« fragte er.

Halisstra hielt ihm die Hand hin und half ihm beim Aufstehen.

»Wie Pharaun bereits bemerkte, brauchen wir Euch viel zu sehr, als daß wir uns mit Eurem Tod belasten möchten.«

Ryld sah ihr in die Augen und überlegte unübersehbar, was er sagen sollte. Dankbarkeit war ein Gefühl, mit dem nur wenige Drow etwas anfangen konnten. Der Waffenmeister fragte sich vielleicht, was Halisstra damit anfangen konnte, wenn er ihr seine Dankbarkeit zeigte. Sie ersparte ihm aber jede weitere Überlegung, indem sie sich wieder Pharaun widmete und ihm den eisernen Stab zurückgab.

»Hier«, sagte sie. »Das habt Ihr verloren.«

Pharaun verbeugte sich und erwiderte: »Ich gebe zu, ich war überrascht zu sehen, wie Ihr ihn handhabtet. Aber ich habe Euch schon in Ched Nasad singen hören. Schande über mich, daß ich nicht eins und eins zusammenzählte.«

»Laßt mich Euren Arm sehen«, gab Halisstra zurück.

Abermals sang sie das heilende Lied und ließ Pharauns Verletzung verschwinden.

Sie hätte auch die anderen untersucht und ihnen geholfen, wenn sie nicht von Quenthel unterbrochen worden wäre.

»Sonst ist hier niemand dem Tode nah«, erklärte diese. »Wir müssen von hier fort, sonst werden unsere Gegner uns zweifellos erneut angreifen. Valas, Ihr geht vor. Begebt Euch in eine Richtung, die zu den äußeren Mauern führt, damit wir in die Wüste entkommen können, sollten wir uns zur Flucht entschließen.«

»Jawohl, Herrin«, willigte der Späher ein. »Es sei, wie Ihr es sagt.«

3

Kaanyr Vhok, der halbdämonische Prinz, der als der Zepterträger bekannt war, stand auf einem Balkon hoch über der alten Zwergen-Gießerei und sah seinen Waffenschmieden bei der Arbeit zu. Die große Schmelze hatte einst das Herz des gefallenen Reiches Ammarindar dargestellt. Die Höhle war von gewaltiger Größe, und ihr Dach ruhte auf Dutzenden riesiger Säulen, die man in die Form von Drachen gehauen hatte und die vom wütenden Feuerschein und dem gespenstischen Schimmern geschmolzenen Metalls rot leuchteten. Das metallische Klirren von Hämmern und das Fauchen der Brennöfen erfüllten die Luft. Dutzende riesiger Tanarukks – bestialische Scheusale, die aus Orks und Dämonen entstanden waren – plagten sich auf dem Grund der Gießerei. Vhoks Soldaten mochte es an dem Geschick und den Zaubern der Zwerge mangeln, doch sie besaßen den Instinkt dafür, tödliche, mit finsterem Wissen versetzte Waffen zu schaffen.

Kaanyr selbst paßte gut in diese höllische Szene. Er war groß und kräftig gebaut, besaß die Statur eines muskulösen menschlichen Kriegers und die Stärke eines Giganten aus Stein. Seine Haut war rot und fühlte sich heiß an, und sein Fleisch war so fest, daß es eine Klinge abweisen konnte. Er war ausgesprochen attraktiv, auch wenn Boshaftigkeit in seinen Augen funkelte und seine Zähne schwarz wie Kohle waren. Er trug einen goldenen Brustpanzer und ein Paar gefährliche Kurzschwerter, die aus einem dämonischen schwarzen Eisen geschmiedet waren, in runenüberzogenen Scheiden am Gürtel. Er grinste breit, als er den Blick über seine Armee schweifen ließ.

»Ich führe jetzt fast zweitausend Tanarukk-Krieger an«, sagte er über seine Schulter, »und mir unterstehen fast noch einmal so viele Orks, Oger, Trolle und Riesen. Ich glaube, die Zeit ist gekommen, um meine Macht zu testen, meine Liebe.«

Aliisza gestattete sich ein Lächeln und kam näher, um sich von der Seite an den Dämonenprinzen zu pressen. Wie in Kaanyr Vhoks floß auch in ihren Adern dämonisches Blut. In ihrem Fall – sie war ein Alu-Scheusal – handelte es sich um das Blut eines Sukkubus und eines sterblichen Hexenmeisters. Flügel, so sanft und glatt wie schwarzes Leder, wuchsen aus ihren Schulterblättern, doch davon abgesehen war sie schwärzlich und verführerisch, sinnlich und anziehend, eine Halbdämonin, deren Verlockung nur wenige sterbliche Männer widerstehen konnten. Sie war außerdem klug, launisch und in magischen Dingen äußerst bewandert, womit sie als Komplizin eines von Dämonen abstammenden Kriegsherrn wie Kaanyr bestens geeignet war.

»Menzoberranzan?« schnurrte sie und strich mit einer Fingerspitze über das Filigran seiner Rüstung.

»Natürlich. In Ched Nasad dürfte es ja nichts mehr von Wert zu holen geben.« Vhok legte die Stirn in Falten, sein Blick ging ins Leere. »Wenn die Drow nicht von ihrer Spinnengöttin beschützt werden und sie nicht in der Lage sind, ihre unendlichen Fehden in den Griff zu bekommen, dann habe ich vielleicht die Möglichkeit, zu der Größe aufzusteigen, nach der ich immer getrachtet habe. Nachdem ich die Ruinen Ammarindars unter meine Herrschaft gebracht habe, muß ich feststellen, daß es mir nach mehr gelüstet. Eine Stadt der Drow zu unterwerfen ... das würde mir gefallen.«

»Das dachten auch schon andere«, warf Aliisza ein. »Der Magier aus Menzoberranzan, mit dem ich in Ched Nasad gesprochen habe, ließ mich wissen, daß es in seiner Stadt einen großen Sklavenaufstand gegeben hat, der von außen inszeniert worden war. Ich glaube, die Duergar-Söldner, die in Ched Nasad kämpften, hätten die Stadt nicht dem Haus überlassen, wenn sie sie erst einmal eingenommen hätten. Wäre die Wirkung der Feuerbomben der Duergar nicht so verheerend gewesen, dann würde Clan Xornbane nun über Ched Nasad herrschen.«

»Oder ich«, wandte Kaanyr ein und kniff die Augen zusammen. »Wenn du mir rechtzeitig Bericht erstattet hättest, wäre es mir möglich gewesen, meine Armee gegen Ched Nasad zu führen, sobald der Kampf den Drow und den Duergar vorübergehend die Kräfte geraubt hätte.«

Aliisza fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.

»Du hättest jeden verloren, den du in die Stadt geschickt hättest«, erwiderte sie. »Deine Tanarukks hätten die Brände ausgehalten, aber der Zusammenbruch der Straßen hat alles zerstört. Glaub mir, in Ched Nasad hast du nichts verpaßt.«

Kaanyr erwiderte nichts. Statt dessen löste er sich von Aliisza und setzte leichtfüßig über das Balkongeländer, um zum Boden der Gießerei hinabzusinken. Der Kriegsherr hatte keine Flügel, doch seine dämonische Abstammung verlieh ihm die Fähigkeit, durch Willenskraft zu fliegen. Aliisza zog die Augenbrauen hoch, dann folgte sie ihm und breitete ihre schwarzen Schwingen aus, damit die aufströmende heiße Luft sie erfassen konnte. Kaanyr war noch immer verärgert, was Ched Nasad betraf, und ihr war klar, daß das alles andere als gut war. Wenn der Kriegsherr ihrer überdrüssig wurde, dann würde er zweifellos in der Lage sein, sie auf eine grausige Weise zu töten, ganz gleich, wie nahe sie sich einmal gewesen waren. Es gab nichts, dessen er nicht fähig war, wenn sein Temperament die Oberhand gewann.