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Rylds Schwert schnitt wie eine weiße Rasierklinge durch den Nebel und fügte dem Leib der Schattenkreatur verheerende Wunden zu. Schwarze Flüssigkeit spritzte wie Gift umher, und das Flüstern des Nachtwandlers in den Gedanken der anderen erhob sich zu einem höllischen geistigen Kreischen, das Halisstra an den Rand des Wahnsinns brachte – und dann war mit einem Mal alles ruhig.

Sie spürte, wie sich das Ding abrupt von ihr löste, wie der Leib explodierte und zu einem schwarzen, übelriechenden Nebel wurde, der sich in den Schatten ringsum verflüchtigte.

Halisstra, die wegen der giftigen schwarzen Dämpfe, die von der Kreatur aufgewirbelt worden waren, immer noch nach Luft rang, taumelte aus der Wolke und ging zu Boden. Ihre Brust brannte, als hätte sie Schwefel getrunken. Als sie endlich wieder die Augen öffnen und ihre Umgebung wahrnehmen konnte, stellte sie fest, daß es den anderen nicht viel besser ergangen war.

Ryld hatte sich gegen einen Stein sinken lassen, Splitter ruhte mit der Spitze auf dem Boden vor ihm, und er stützte sich erschöpft auf das Heft. Quenthel stand nur ein kleines Stück von ihm entfernt und hatte die Hände auf den Knien abgestützt, während sie erbärmlich hustete.

Als die Hohepriesterin endlich wieder durchatmen konnte, sah sie zu Pharaun und fragte: »Einem solchen Ding seid Ihr schon zuvor begegnet?«

Der Magier nickte und keuchte: »Nachtwandler. Sie halten sich am Rand auf. Kreaturen aus untoter Finsternis, das personifizierte Böse. Wie Ihr gesehen habt, können sie ein hervorragender Gegner sein.«

Die Herrin der Akademie richtete sich auf und steckte die Peitsche zurück an den Gürtel.

»Ich glaube, ich verstehe, warum Ihr bis jetzt gezögert habt, diese Methode der Fortbewegung vorzuschlagen«, sagte sie dann.

Obwohl der Magier abgekämpft war, strahlte er.

»Vorsicht«, spottete er. »Um ein Haar hättet Ihr meinen Nutzen anerkannt.«

Die Hohepriesterin kniff die Augen zusammen und drückte den Rücken durch. Offenbar gefiel es ihr nicht, Gegenstand eines Witzes aus dem Mund des Magiers zu sein. Pharaun, der scheinbar nichts von Quenthels zornigem Blick mitbekam, machte eine ausladende Geste und zeigte auf die formlose Finsternis, die vor ihnen lag.

»Unser Weg führt uns nun in den Schatten unseres Unterreiches«, erklärte er. »Ich schlage vor, wir verstärken unsere Anstrengungen und kommen schnellstmöglich ans Ende unserer Reise, denn es können weitere Nachtwandler auf uns lauern.«

»Ein verdammt aufmunternder Gedanke«, brummte Ryld. »Wie lange werden wir unterwegs sein?«

»Kaum mehr als ein oder zwei Stunden«, antwortete Pharaun.

Der Magier wartete, bis die Drow sich erhoben hatten und ihm wieder dichtauf folgten. Ryld und Valas, die beiden aus der Gruppe, die dem Blick des Nachtwandlers ausgesetzt gewesen waren, wirkten vor Erschöpfung grau im Gesicht und machten den Eindruck, als könnten sie sich kaum auf den Beinen halten.

»Kommt«, sagte Pharaun. »Mantol-Derith ist nicht Menzoberranzan, aber es wird der zivilisierteste Ort sein, den wir seit Tagen gesehen haben, und niemand dort wird uns töten wollen ... jedenfalls nicht auf der Stelle.«

5

Für den Rest des Schattenwandelns belästigte sie nichts mehr, und kurz nach dem Angriff des Nachtwandlers traten sie am Grund einer schmalen unterirdischen Schlucht aus der Randzone wieder in die Welt der Sterblichen. Die Wände waren von Reisenden, die hier zuvor Rast gemacht hatten, für diverse Richtungssymbole und Mitteilungen an andere Reisende genutzt worden. Offensichtlich waren sie an einer häufig genutzten Lagerstatt nahe der Handelshöhle angekommen. Die Gruppe machte eine mehrstündige Pause, und jeder von ihnen kämpfte mit der Körperwärme aus seinem tiefsten Inneren gegen die heimtückische Kälte an, die in der Randzone geherrscht hatte. Schließlich machten sich die Reisenden wieder auf den Weg, verließen die Schlucht und bahnten sich ihren Weg hin zu einem langen, glattwandigen Tunnel, der sich kilometerweit durch die Dunkelheit zog und nur gelegentlich von weitläufigen Höhlen unterbrochen wurde.

Valas Hune führte die Gruppe an, da er mit dem Ziel ebenso vertraut war wie mit der Reiseroute, auf die sie geraten waren. Nach dem brennenden Himmel der vom Tageslicht beschienenen Welt an der Oberfläche und der elenden Düsternis der Schattenebene wirkten die gewohnten Gefahren des Unterreiches wie alte Bekannte. Dies war ihre Welt, der Ort, an den sie gehörten, auch wenn die meisten von ihnen zuvor kaum einmal ihre Heimatstadt verlassen hatten.

Nachdem sie gut drei Kilometer marschiert waren, ließ Valas die Gruppe anhalten und kniete sich hin, um in den Staub auf dem Höhlenboden eine grobe Skizze des vor ihnen liegenden Weges zu zeichnen.

»Mantol-Derith liegt nicht mehr als achthundert Meter von hier entfernt. Denkt daran, es ist ein Ort, an dem man zusammenkommt, um anderen Rassen zu begegnen und Handel zu treiben. Wir herrschen nicht über Mantol-Derith, und auch sonst tut das niemand. Daher ist es ratsam, zu vermeiden, bei irgend jemandem dort Anstoß zu erregen, es sei denn, Ihr habt es auf einen Streit abgesehen, der uns nur Zeit und Ressourcen kosten würde. Ich habe mir außerdem überlegt, wie wir am besten von der Handelshöhle zu den Besitztümern des Hauses Jaelre gelangen können. Ab hier muß uns unser Weg durch das Hoheitsgebiet Gracklstughs führen, die Stadt der Grauzwerge.«

»Wir werden uns unter keinen Umständen Gracklstugh nähern«, warf Quenthel ein. »Die Duergar haben Ched Nasad zerstört. Ich wüßte nicht, warum ich mich ihnen freiwillig stellen sollte.«

»Uns bleiben kaum andere Möglichkeiten«, erwiderte Valas. »Wir befinden uns nordwestlich des Duergar-Reiches, und das Labyrinth liegt mehrere Tagesreisen südwestlich der Stadt. Wir können die Stadt nicht im Süden umgehen, weil uns dort der Dunkelsee den Weg versperrt, und die Duergar patrouillieren die Wasserwege. Würden wir die Stadt im Norden umgehen, dann würde uns das mindestens zwei Zehntage kosten, außerdem hätten wir eine schwierige Reise durch Tunnel vor uns, mit denen ich nicht vertraut bin.«

»Warum haben wir uns dann die Mühe gemacht, uns hierher zu begeben?« murmelte Jeggred. »Wir hätten auch nach Menzoberranzan zurückkehren können.«

»Nun, zum einen läge Gracklstugh so oder so zwischen uns und dem Haus Jaelre, ob wir nun in Mantol-Derith oder Menzoberranzan sind«, gab Pharaun zurück und zeichnete drei Punkte in Valas’ Karte. »Die Duergar sind uns in jedem Fall im Weg. Die Frage ist nur, ob wir es wagen, Gracklstugh zu durchqueren.«

»Könnt Ihr uns nicht mit Schattenwandeln durch die Stadt bringen?« fragte Danifae.

Pharaun verzog das Gesicht, dann erwiderte er: »Ich bin in dieser Richtung noch nie weiter als bis Mantol-Derith gereist. Es würde mich nicht wundern, wenn die Duergar ihr Reich gegen Reisende aus den umliegenden Reichen gesichert haben.«

»Ist es sicher, daß die Duergar-Kaufleute etwas gegen unsere Anwesenheit hätten?« wollte Ryld wissen. »Es reisen immer wieder Kaufleute aus Menzoberranzan nach Gracklstugh, und die dortigen Händler bringen ihre Waren in den Basar Menzoberranzans. Es ist doch möglich, daß Gracklstugh überhaupt nichts mit den Duergar-Söldnern zu tun hat, die Ched Nasad angegriffen haben.«

»Mir ist nichts zu Ohren gekommen, was mich veranlassen könnte, mich nach Gracklstugh zu begeben«, sagte Quenthel. Sie beendete die Unterhaltung mit einer knappen Geste. »Ich will nicht auf die Gastfreundlichkeit der Duergar vertrauen, schon gar nicht nach dem Untergang Ched Nasads. Wir werden die Stadt im Norden umgehen und darauf bauen, daß Meister Hune uns den richtigen Weg zeigen wird.«

Halisstra sah zu Ryld und Valas Hune. Der Späher biß sich auf die Unterlippe und dachte über das sich ihm stellende Problem nach, während der Waffenmeister nur resigniert den Blick senkte.