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»Stimmt, aber vergiß nicht, daß Kohlenhauer selbst eine Art Schmuggler ist. Er wird kein Interesse daran haben, den Kronprinz auf uns aufmerksam zu machen«, gab Valas Hune zurück. »Auf jeden Fall haben Ryld und ich uns dazu entschlossen, unsere Vorräte aufzustocken, so daß wir bereit sind, sofort aufzubrechen, sobald Kohlenhauer uns die Papiere bringt.«

»Sieht aus, als hätten wir alles in unserer Macht Stehende getan«, stellte Halisstra fest. »Ich habe genug von gleißend hellen Wüsten, von Schattenreichen, die die Seele angreifen, und von kahlen Höhlenböden. Wenn wir in Kürze in die karge, unbequeme Wildnis zurückkehren, dann will ich jetzt alles genießen, was die Zivilisation zu bieten hat.«

Halisstra hielt ihren Kelch Danifae hin, damit die Kriegsgefangene ihn auffülle.

»Trinkt, wenn Ihr wollt, aber laßt Eure Sinne nicht zu sehr benebeln«, warnte Quenthel sie. »Wir sind nicht unter Freunden.«

»Wann ist denn irgend jemand von uns jemals wirklich unter Freunden?« warf Ryld schnaubend ein.

Halisstra lachte leise und sagte: »Wohl wahr. Aber wenigstens können wir heute unbesorgt ruhen, weil wir wissen, daß keiner von uns dem anderen über den Weg traut und daß ganz in der Nähe der Feind lauert, der uns sofort vernichten würde, wenn er könnte. Wäre es uns lieb, wenn es anders wäre?«

Danifae brachte Quenthel die Kanne. Sie ignorierte das schwache Zucken der Schlangenpeitsche, senkte den Blick und schenkte der Priesterin nach.

»Wir müssen jedes Vergnügen wahrnehmen, das sich uns bietet«, fügte Danifae an. »Ist das nicht der Sinn und Zweck der Macht?«

Halisstra nippte an ihrem Wein und beobachtete die Szene. Danifae hatte unter dem Kettenhemd kein Unterhemd angelegt, obwohl sie das schwarze Mithral-Hemd ohne die übliche Lederpolsterung erworben hatten. Selbstverständlich hatte Halisstra ihr längst angeboten, ihr eines von ihren zu geben, und sie war auch sicher, daß Danifae das Angebot am Morgen annehmen würde. Doch bis dahin war zwischen den Gliedern des Kettenhemdes die vollkommene dunkle Haut der jungen Frau zu sehen, und ihre vollen, runden Brüste wogten verlockend unter dem Stahl hin und her, als sie sich vorbeugte, um Quenthels Kelch aufzufüllen. Die Männer im Raum konnten sich nicht von dem Anblick losreißen, so sehr sie sich auch bemühten. Selbst die vierarmige, massige Bestie namens Jeggred schien von Anmut und Schönheit der Frau verzaubert worden zu sein. Valas Hune runzelte die Stirn und begann, seine Kukris zu ölen. Offenbar erkannte er die Gefahr des Augenblicks und ließ seine übliche Vorsicht walten. Ryld dagegen ...

Ryld sah zu Halisstra. Sie achtete darauf, daß ihr ihre Überraschung nicht anzusehen war, als ihre Blicke denen des Waffenmeisters begegneten. Sein Gesichtsausdruck schien begierig, eindringlich, und Halisstra wußte, daß Danifaes Auftreten ihm nicht entgangen sein konnte. Doch er starrte nicht die Frau im Kettenhemd an, sondern ihre Herrin.

Ryld lächelte flüchtig und signalisierte mit einer Handbewegung: Interessantes Spiel.

Ich kann Euch nicht folgen, erwiderte Halisstra, sah Ryld aber an, daß der genau wußte, daß sie ihm sehr wohl folgen konnte.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Danifae zu, die dicht neben Quenthel kniete und Wein trank. Die Gruppe wurde allmählich schweigsam, und Ryld holte sein Sava-Brett hervor, um mit Valas eine Partie zu spielen, während die anderen es genossen, einen Moment lang keiner unmittelbaren Gefahr ausgesetzt zu sein.

Schließlich kehrte Pharaun zurück, unter einem Arm eine Handvoll Schriftrollen. Nach ein paar halbherzigen Bemerkungen, mit denen er Rylds Konzentration stören wollte, zog er sich in sein Zimmer zurück. Ryld gewann ohnehin, auch wenn der Späher aus Bregan D’aerthe sich gut schlug.

»Es war ein langer Tag«, sagte Quenthel. »Ich gehe auf mein Zimmer. Jeggred und Valas teilen sich heute die Wache, morgen halten zwei andere Wache.«

Sie stand auf und streckte sich, dann sah sie Danifae an.

»Ich werde wohl das gleiche tun«, erklärte Danifae.

Die Kriegsgefangene sah zu Halisstra und lächelte, dann eilte sie Quenthel nach. Ryld packte sein Sava-Brett weg, während Valas und Jeggred eine Münze warfen, wer die erste Wache übernehmen sollte. Halisstra stand auf, schlang ihren Piwafwi um sich und machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer. Vor Quenthels Tür blieb sie stehen und lauschte lange genug, um ein Geräusch zu hören, das ein leises Keuchen oder das Rascheln von Kleidung sein mochte. Sie mußte weitergehen, weil sie sicher war, daß Quenthels Schlangen sofort Meldung machen würden, sobald sie merkten, daß jemand an der Tür horchte.

Cleveres Mädchen, dachte Halisstra. Auf Quenthel zuzugehen war ein scharfsinniger und wagemutiger Zug zugleich gewesen.

In Ched Nasad hatte Halisstra Danifae mehr als einmal losgeschickt, um eine Rivalin zu verführen. Selbst die pragmatischste Priesterin hatte ihre Vorlieben, und manchmal ließ sich eine kühle, berechnende Frau auf dem Umweg über ihre geheimen Gelüste manipulieren. Halisstra bezweifelte, daß Danifae echten Einfluß auf Quenthel würde gewinnen können, doch im schlimmsten Fall gab sie der Meisterin Arach-Tiniliths immer noch einen Grund an die Hand, Halisstra und ihre Dienerin nicht aus einer Laune heraus zu verstoßen. Sollten sich Danifaes Dienste allerdings für Quenthel als zu wertvoll erweisen, dann konnte es passieren, daß die Baenre auf die Idee kam, Danifae für sich zu beanspruchen. Dieses Risiko ging Halisstra bereitwillig ein.

Selbst wenn Danifae die Baenre ermutigte, genau das zu tun, war Halisstra nach wie vor Herrin über das Silbermedaillon um den Hals der jungen Frau. Sie lächelte. Wenn es Danifae nicht gelang, sich von dem Bindezauber zu lösen, konnte sie keinen noch so kleinen Schritt in diese Richtung unternehmen, denn Halisstras Tod würde unweigerlich ihr eigenes Ende nach sich ziehen. Für den Moment konnte Halisstra sich daher Danifaes Loyalität weitestgehend gewiß sein.

Halisstra ging in ihr Zimmer, zog sich für die Nacht um, packte ihre Rüstung auf eine kleine Truhe und legte ihren Streitkolben so ab, daß sie ihn mühelos greifen konnte.

Sie driftete in eine Trance ab, während sie darüber nachdachte, daß Quenthel und Danifae in diesem Moment zusammen waren.

Aliisza bewegte sich in einer eisernen Sänfte durch die Straßen Gracklstughs, gezogen von vier Ogern und eskortiert von einem Dutzend Tanarukk-Kriegern. Die Tanarukks trugen Rüstungen aus poliertem Eisen und Zweihänder mit gefährlichen Widerhaken. Einer von ihnen hielt ein gelbes Banner mit Vhoks Symbol hoch: ein Zepter, das von einer behandschuhten Hand umschlossen wurde. Die doppelte Anzahl Grauzwerg-Krieger begleitete das Gefolge, die Blicke mißtrauisch auf die schwarze Sänfte und ihre Insassin gerichtet. Das Alu-Scheusal genoß die Aufmerksamkeit von allen Seiten. Allein wäre Aliisza viel schneller vorangekommen, doch ein großer Auftritt in der Stadt der Grauzwerge konnte die Duergar leichter dazu bringen, sie ernst zu nehmen. Außerdem machte das hier Spaß.

Die Reise hierher war weder besonders schnell noch glatt verlaufen. Aliisza und ihre Krieger hatten sich fünf Tage lang auf den alten Zwergenrouten um ein hohes Tempo bemüht, um schnellstmöglich den Dunkelsee zu erreichen. Doch dort angekommen mußten sie drei weitere Tage warten, ehe sich ein Duergar-Boot fand, das sie befördern konnte. Sie war es allmählich leid, sich auf Geheiß Kaanyr Vhoks mal in diese, mal in jene Ecke des Unterreiches zu begeben. Andererseits stellte sie so ihre Nützlichkeit für den Kriegsherrn dämonischer Abstammung unter Beweis, und es war vielleicht gar nicht so schlecht, daß die Umstände ihr Grund gaben, sich von Zeit zu Zeit von ihm zu entfernen. Es regte ihren Appetit auf ihre Rückkehr an und gab ihr manchmal Gelegenheit, ihrer Vorliebe für ... Abwechslung zu frönen.

Gracklstugh schien eine einzige große Schmiede zu sein, eine Stadt voller fauchender Schmelzöfen und übelriechenden Rauchs. Aliisza fand, sie hätte Ähnlichkeit mit der Gießhalle in den Ruinen Ammarindars, auch wenn Vhoks Schmiede nur einen Bruchteil dessen ausmachte, was die Duergar vorweisen konnten.