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Was für ein häßlicher Ort, dachte Aliisza. Doch das Ausmaß an Arbeiten, die um sie herum erledigt wurden, hatte eine überwältigende Wirkung auf sie. Immer wieder entdeckte sie Bauteile für Belagerungseinheiten von unglaublicher Größe, die in den Werkstätten montiert wurden. Ched Nasad mochte elegant und listig gewesen sein, doch Gracklstugh war stark. Geschick und Zielstrebigkeit der Zwerge schienen der Magie und Grausamkeit der Drow gewachsen zu sein.

Die Duergar eskortierten sie zu einer großen Festung, die in einen gewaltigen Stalagmiten eingelassen war. Steinwälle und eiserne Türme bewachten die abfallende Seite der Duergar-Burg. Als die Oger sie durch das offene Tor zum Palast des Königs trugen, konnte Aliisza nicht anders, als einen Blick auf die mächtigen Fallgitter und tödlichen Vorrichtungen zu werfen, die jeden Angriff abschmettern sollten. Sie selbst verfügte über verschiedene Methoden der Flucht, doch von ihren Kriegern würde niemand mit dem Leben davonkommen, sollten die Grauzwerge zu dem Schluß kommen, sie nicht gehenzulassen.

Die Prozession kam in einem großen, freudlosen Saal zum Stehen, dessen Boden man mit poliertem Stein ausgelegt hatte.

»Sieht aus, als sei ich da«, sagte sie zu sich selbst.

Sie klopfte gegen die Seite der Sänfte, woraufhin die Oger die Sänfte vorsichtig abstellten. Das Alu-Scheusal wartete, bis die Bewegungen abgeschlossen waren, dann stieg Aliisza aus, reckte sich und drückte ihre Flügel durch.

Ein Duergar-Offizier in einem schlichten schwarzen Überwurf über seiner Rüstung kam auf sie zu.

»Ihr wolltet den Kronprinzen sehen«, erklärte er.

»So bald es ihm recht ist«, erwiderte Aliisza. Sie hatte diese Unterhaltung an diesem Tag schon etliche Male mit verschiedenen Leutnants und Hauptmännern der Duergar geführt.

»Wer seid Ihr noch gleich?«

»Ich bin Aliisza, eine Gesandte Kaanyr Vhoks, des Zepterträgers, Fürst von Ammarindar und Meister der Höllentorfeste. Ich bin der Überzeugung, daß die Nachricht meines Herrn es wert ist, von Eurem Kronprinzen gehört zu werden.«

Der Offizier runzelte zweifelnd die Stirn.

»Die bleiben hier«, sagte er und wies mit dem Kopf auf Aliiszas Gefolge. »Folgt mir.«

Aliisza sah zum Führer ihrer Eskorte, einem mitgenommenen, alten Tanarukk-Kämpfer, dem ein Stoßzahn fehlte, und sagte: »Du und deine Krieger, ihr wartet hier. Es kann eine Weile dauern.«

Sie folgte dem Duergar-Hauptmann tiefer in die Festung und wurde links und rechts von einem weiteren halben Dutzend Duergar-Soldaten flankiert. Sie beschloß, den Trupp als Ehrengarde zu betrachten.

Über eine breite, geschwungene Treppe – die beeindruckend hätte sein können, wenn sich die Grauzwerge die Mühe gemacht hätten, sie auch nur im mindesten zu schmücken – ging es weiter bis in einen Thronsaal, dessen hohe gewölbte Decke von einer Vielzahl riesiger Steinsäulen getragen wurde.

Am anderen Ende des Saals stand eine Gruppe Duergar. Nach der Art, wie sie sich bewegten, und nach den kühlen Blicken zu urteilen mußte es sich um hochrangige Berater und Adlige des Reiches handeln, allerdings ließ ihre Kleidung nicht erkennen, daß sie höher standen als andere Duergar. In ihrer Mitte stand der bislang einzige Vertreter dieser Rasse, an dem Aliisza schmückende Elemente erkennen konnte. Der stämmige Kerl trug unter einem bestickten schwarz-goldenen Überwurf eine Halsberge aus schimmernden Kettengliedern. Ein goldenes Diadem ruhte auf seinem kahlen Schädel, und die Zöpfe seines Bartes wurden von goldenen Ringen zusammengehalten.

Der Hauptmann, der Aliisza begleitete, bedeutete ihr, stehenzubleiben und ging weiter, um dem Kronprinzen etwas ins Ohr zu flüstern. Der Herrscher der Duergar warf Aliisza einen Blick zu, dann trat er vor und verschränkte seine dicken Arme vor der Brust.

»Willkommen in Gracklstugh«, sagte er, doch sein abweisender Blick schien das genaue Gegenteil zu sagen. »Ich bin Horgar Stahlschatten. Was will Vhok?«

Kein Freund von Höflichkeitsfloskeln, stellte Aliisza fest.

Andererseits hatte sie auch noch nie einen Grauzwerg kennengelernt, der sich anders verhielt. Sie beschloß, ohne Um-schweife und Schmeicheleien sofort auf den Punkt zu kommen, da solche Bemühungen beim Herrscher von Gracklstugh offenbar keine Wirkung erzielen konnten. Sie verbeugte sich, dann richtete sie sich wieder auf.

»Kaanyr hat mich geschickt, um einige Fragen zu dem zu stellen, was sich in Ched Nasad abgespielt hat, und vielleicht auch einige andere Themen anzusprechen«, sagte sie und sah die anderen Duergar an. »Genießt jeder hier Euer Vertrauen?«

Horgar kniff die Augen zusammen und murmelte etwas auf Zwergisch, woraufhin sich einige Berater und Adlige zurückzogen und sich wieder ihren Aufgaben widmeten. Zwei schwer gerüstete Wachen in schwarzen Überwürfen blieben stehen, ferner ein wichtig aussehender Duergar, ein narbiger Kerl in Rüstung, der einen mit einem roten Symbol versehenen Wappenrock trug.

»Meine Steinwachen bleiben hier«, erklärte Horgar und wies dann auf den narbigen Zwerg. »Dies ist Clansherr Borwald Feuerhand, Marschall der Armee von Gracklstugh.«

Borwald erwiderte mit finsterem Blick Aliiszas Kopfnicken. Sie zuckte die Achseln und kam sofort auf das eigentliche Thema zurück, um seiner Direktheit mit Direktheit zu begegnen.

»Ein Duergar-Clan – Xornbane, wenn ich nicht irre? – griff die Drow-Stadt Ched Nasad an und leitete deren Zerstörung ein. Kaanyr Vhok fragt sich, ob Ihr den Clan geschickt habt.«

»Clan Xornbane besteht aus Söldnern«, antwortete Borwald. Seine Narbe, die einer tiefen Furche glich, erstreckte sich an der Seite seines Kopfes vom Wangenknochen bis weit hinter das Ohr. »Welchen Auftrag sie in Ched Nasad ausgeführt haben, berührt den Bereich des Handels, nicht der Politik des Tiefenkönigreiches. Ihr solltet diese Frage mit ihnen besprechen.«

»Das würde ich, aber ist schwierig, Überlebende ausfindig zu machen«, gab Aliisza zurück. »Soweit wir das sagen können, saßen sie in der Stadt, die sie in Brand steckten, selbst in der Falle.« Sie sah wieder Horgar Stahlschatten an und fragte: »Also? Zerstörten sie Ched Nasad mit Eurem Segen?«

»Mit meinem Segen?« Der Duergar-Prinz dachte einen Moment lang nach, dann erwiderte er: »Ich bin nicht unglücklich, daß Ched Nasad fiel, allerdings habe ich Clan Xornbane nicht beauftragt, diese Arbeit zu erledigen. Khorrl Xornbane wurde von einer Muttermatrone aus Ched Nasad angeheuert, um ihr bei der Zerstörung der Häuser zu helfen, die über ihr standen. Ich beschloß, mich nicht in Xornbanes Angelegenheiten einzumischen.«

»In dem Fall erscheint die gewählte Taktik unklug. Immerhin bescherten sie ihrem Auftraggeber eine brennende Ruine und erlitten selbst massive Verluste«, merkte Aliisza an.

»Ich fürchte, für diese Entwicklung bin ich zum Teil verantwortlich«, kam eine melodisch klingende Stimme von einer Seite.

Aus dem Schatten einer der vielen Säulen trat eine schlanke Gestalt hervor, ein schmissiger Drow von kleiner Statur, der aber die Anmut einer Katze besaß. Er war ein gutaussehender Kerl, der gepflegte Kleidung in Schwarz und Grau trug, dazu an der Hüfte ein passendes Rapier sowie einen Dolch.

»Im Auftrag meiner Kameraden«, sagte der Fremde, »sorgte ich dafür, daß Khorrls Truppen mit den Steinbrandbomben ausgerüstet wurden, die beim Sklavenaufstand in Menzoberranzan so gute Dienste geleistet hatten. Natürlich hatte ich nicht erwartet, daß sie Ched Nasad komplett zerstören könnten.«

Aliisza zog eine Augenbraue hoch und sagte: »Ich hätte nicht erwartet, einen Dunkelelfen anzutreffen, der das Vertrauen des Prinzen der Duergar genießt.«

»Ich bin eine Art Mittelsmann«, erwiderte der Drow. »Mein Auftrag ist es, in einer Reihe von Häusern in Ched Nasad und Menzoberranzan Veränderungen zu bewirken.« Er lächelte flüchtig, was sich aber nicht in seinen Augen widerspiegelte. »Nennt mich Nimor.«