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Valas zuckte die Achseln und sagte: »Das mag heute so sein, aber wer weiß, was vor tausend Jahren war? Ich fand zahlreiche ihrer Artefakte und Überreste, die hier überall verstreut sind. Ihre gehörnten Schädel sind sehr markant. Meine Freunde im Haus Jaelre sagten mir, viele Minotauren hielten sich noch heute an einsamen Orten und in nicht mehr benutzten Gängen des Labyrinths auf, darunter auch dämonische Bestien, die über mächtige Hexenkräfte verfügen. Ihre Patrouillen liefern sich mit diesen Monstern regelmäßig Kämpfe.«

»Ich frage mich allmählich, ob wir irgendwann auf unserer Reise auch ein Reich vorfinden werden, in dem ein fröhliches, zivilisiertes Völkchen lebt, das wirklich um unser Wohlergehen besorgt ist und uns gerne seine Hilfe gewährt«, murmelte Pharaun.

»Ich glaube bald, unsere schöne Stadt stehe am Boden eines Fasses voller Giftschlangen.«

»Wenn dem so ist, dann sind wir schneller, stärker und giftiger als jede andere Schlange im Faß«, sagte Quenthel lächelnd. »Laßt uns weitergehen. Wenn hier Minotauren unterwegs sind, dann wären sie gut beraten, sich nicht dort zu zeigen, wo die Kinder Menzoberranzans gehen.«

Die Gruppe marschierte noch mehrere weitere Stunden durch die endlosen düsteren Höhlen und gewundenen Gänge, ehe sie eine Pause einlegte, um sich auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen. Der Abschnitt des Labyrinths, in dem sie sich befanden, schien fast völlig verlassen zu sein. Es fanden sich nur wenige Hinweise darauf, daß irgend jemand hier in den letzten Jahren entlanggegangen war, die Jäger des Unterreiches eingeschlossen, die rein instinktiv handelten, aber keinen Verstand besaßen. Um sie herum wirkte alles unnatürlich ruhig, und jedes Mal, wenn die Unterhaltung für einen Moment stockte und Schweigen einsetzte, schien die Stille förmlich auf sie einzustürmen und wirkte auf eine Weise feindselig, als verabscheue das Gestein selbst die Anwesenheit der Gruppe.

Nachdem Valas und Ryld die Wache übernommen hatten, wickelten sich die anderen in ihren Piwafwi und machten es sich auf dem kalten Steinboden der Höhle bequem. Halisstra schloß die Augen halb und versank in tiefe Trance, wobei sie von endlosen Tunneln und von sonderbaren alten Geheimnissen träumte, die tief unter Schimmel begraben waren. Im Traum glaubte sie, in der Stille ein schwaches, fernes Rascheln oder Flüstern zu hören, das so weit entfernt war, daß sie das Gefühl hatte, es deutlicher vernehmen zu können, wenn sie sich ein Stück weit von der Gruppe entfernte und sich tiefer in die Dunkelheit begab. Obwohl sich die Luft nicht im mindesten regte, nahm sie aus der Ferne das tiefe Seufzen eines Windes wahr, der irgendwo in den Tunneln wehte, ein dumpfes Wehklagen, das sich am Rand ihrer Wahrnehmung bewegte – so wie etwas Wichtiges, das ihr entfallen war, aber noch eben greifbar zu sein schien. Manchmal war es Lolth, die so flüsterte, das zischende Seufzen einer wortlosen Botschaft, die eine Priesterin mit dem Wissen erfüllte, welchen Wunsch die Dämonenkönigin hatte.

Furcht und Hoffnung regten sich in Halisstras Herz, und sie kam dem Erwachen näher.

Was ist dein Wunsch, Göttin? schrie sie im Geiste. Sag mir, wie Haus Melarn wieder deine Gunst erlangen kann. Sag mir, wie Ched Nasad wiederauferstehen kann. Ich werde alles tun, was du verlangst!

Treulose Tochter, flüsterte der Wind ihr zu. Schwache Närrin.

Entsetzen riß Halisstra aus ihrer Trance, und sie schrak mit rasendem Herzen auf.

Nur ein Traum, sagte sie sich. Ich habe geträumt, was ich mir wünschte. Ich habe geträumt, wovor ich mich fürchte, weiter nichts. Lolth hat nicht gesprochen. Sie hat mich nicht verdammt.

Ein Stück neben ihr lagen oder saßen die anderen auf dem Boden und waren in ihre eigene Meditation versunken. Etwas weiter entfernt hielt Ryld Wache, eine breitschultrige, reglose Gestalt in der Finsternis. Die Tochter des Hauses Melarn senkte den Blick und lauschte den befremdlichen Geräuschen, die der Wind ringsum in der Finsternis verursachte, die ihre Leute für sich beansprucht hatten.

»Lolth spricht nicht«, flüsterte sie. »Ich habe nur den Wind gehört, sonst nichts.«

Warum hat Lolth uns verstoßen? Warum hat sie den Untergang Ched Nasads zugelassen? Was taten wir, um ihren Zorn zu wecken? fragte sich Halisstra. Tränen der Verbitterung stiegen ihr in die Augen. Sind wir ihrer unwürdig?

Der Wind kam erneut auf, diesmal näher und lauter. Es war kein Pfeifen oder Rauschen, vielmehr erinnerte es sie an ein tieftönendes Horn, das in der Ferne geblasen wurde, vielleicht sogar mehrere. Das Geräusch wurde lauter. Halisstra kniff die Augen zusammen. Handelte es sich um ein merkwürdiges Phänomen des Labyrinths, einen Luftstrom, der durch die röhrengleichen Tunnel in der Dunkelheit pfiff? Derlei war an anderen Orten des Unterreiches nicht unbekannt. In manchen Fällen kamen diese Winde so plötzlich auf und waren so stark, daß sie alles Leben aus einem Tunnel wehen konnten. Dieser Wind hier murmelte und dröhnte, während sie zuhörte, viele große Hörner, die gleichzeitig erschollen –

Halisstra sprang auf. Ryld stand da und beobachtete den Weg, den sie gekommen waren, Splitter funkelte in seiner Hand.

»Hört Ihr sie?« rief sie Ryld zu. »Die Minotauren kommen!«

»Ich dachte, es sei der Wind«, knurrte Ryld. »Weckt die anderen.«

Er rannte den Gang entlang, der nahenden Heerschar entgegen, und rief Valas zu, er solle seinen Posten auf der anderen Seite der Gruppe verlassen und sich ihm anschließen. Halisstra hob ihr Gepäck auf und warf es sich über die Schulter, gleichzeitig weckte sie die Gruppe mit Alarmrufen und einem gelegentlich Fußtritt auf, wenn einer von ihnen nicht schnell genug aus der tiefen Trance erwachte.

Sie machte ihre Armbrust bereit und spannte einen Bolzen ein, während sie den Tunnel hinter ihnen im Auge behielt.

Der Boden begann unter ihren Füßen zu beben. Schwere Schritte, die sich anhörten wie herabstürzende Felsbrocken, kamen immer näher, und von den Wänden des Durchgangs wurde tiefes Bellen und Schnaufen wieder und wieder zurückgeworfen, um sich zu einer gewaltigen Kakophonie zu vereinen. Ein heißer, tierischer Gestank schlug ihr entgegen, und dann sah sie sie – eine heranstürmende Menge aus massigen Kreaturen mit Stierköpfen, zotteligem Fell und schweren Hufen. In ihren kraftvollen Händen hielten sie schwere Äxte und Flegel.

Vor dieser heranrollenden Naturgewalt wurden Ryld und Valas Hune hergetrieben, die auf Halisstra wirkten wie Spatzen, die von einer Sturmfront erfaßt wurden. Sie kämpften mit aller Macht gegen die blutrünstigen Kreaturen um ihr Leben. Halisstra legte an und schoß einem der Monster einen Bolzen genau in die Brust, doch das Geschöpf war so im Blutrausch, daß es das Geschoß einfach ignorierte, das sich in seinen Torso gebohrt hatte. Sie legte den nächsten Bolzen ein und wollte zielen, als sich ihr Jeggred in den Weg stellte.

»Jeggred, du Idiot, es sind zu viele, du kannst sie nicht bekämpfen!« schrie sie.

Der Draegloth nahm keine Notiz von ihr und stürzte der Horde entgegen. Einen Moment lang konnten die Größe und die Wut des Halbdämons dem Ansturm der Minotauren standhalten, doch über Jeggreds weißhaarige Schultern und die aufblitzenden Klingen von Ryld und Valas hinweg konnte Halisstra Dutzende mehr der behaarten Monster erkennen, die mit Reißzähnen bewehrten Mäuler aufgerissen, um Befehle zu schreien, die Augen vor Zorn rotglühend. Einige von ihnen waren Splitter, Valas’ geschwungenen Klingen und Jeggreds Klauen zum Opfer gefallen, doch die kampflüsternen Minotauren ließen sich nur von den schwersten Verletzungen stoppen, ansonsten stiegen sie sogar in den eigenen Reihen übereinander, um zu den Drow-Eindringlingen zu gelangen.

Halisstra beugte sich zu einer Seite und feuerte wieder, während sich Danifae mit der eigenen Armbrust in den Kampf einmischte. Quenthel tänzelte dicht hinter Jeggred hin und her und schlug mit ihrer tödlichen Peitsche nach den Monstern, die versuchten, den Draegloth zu überwinden. Pharaun stieß ein arkanes Wort aus, das eine grelle Kugel aus knisternder Energie in die Gruppe der Minotauren schleuderte. Die Sphäre detonierte mit einem Donnerhall, gleißende Blitze schössen in hohem Bogen durch den Tunnel, die einige Minotauren auf der Stelle zu Asche verbrannten und anderen große schwarze Brandwunden zufügten.