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»Die Soldaten Menzoberranzans erwarten, daß jede Armee, die sich auf diesem Weg nähert, durch das Bemühen aufgehalten werden muß, Rhazzts Dilemma einzunehmen, was der Stadt Zeit gibt, diesen neuralgischen Punkt an den Säulen des Leids ausreichend zu besetzen, damit jeder weitere Angriff unterbunden wird. Ich schlage vor, Ihr gestattet dem Außenposten, Meldung zu machen und die Herrscher Menzoberranzans vor Eurer Armee zu warnen. Ehe die Muttermatronen eine Armee aufstellen können, die gegen Euch marschiert, werden wir Rhazzts Dilemma bereits im Sturm eingenommen haben. Dann warten wir ab, um den Aufmarsch der Drow bei den Säulen des Leids zu stoppen.«

»Euer Plan weist zwei grundlegende Schwachpunkte auf«, grinste Borwald verächtlich. »Erstens geht Ihr davon aus, daß der Außenposten eingenommen werden kann, wann immer wir das wünschen. Zweitens scheint Ihr zu denken, die Muttermatronen würden sich entschließen, eine Armee zu entsenden, statt sich auf eine Belagerung einzurichten. Es würde mich interessieren, wie Ihr diese beiden Meisterleistungen vollbringen wollt.«

»Ganz einfach«, erwiderte Nimor. »Der Außenposten wird fallen, weil ein Großteil der Garnison in die Stadt verlegt wurde, um dort für Ordnung zu sorgen. Von den Soldaten, die verblieben sind, gehören viele zu den Agrach Dyrr. Darum dränge ich darauf, diesen Weg zu nehmen, um anzugreifen. Der Außenposten wird an Euch verraten werden, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«

»Ihr wußtet davon, noch bevor wir aufgebrochen sind«, stellte Horgar fest. »In Zukunft werdet Ihr mich derlei früher wissen lassen. Was wäre geschehen, wenn Ihr während des bisherigen Marschs irgendeinen Unfall erlitten hättet? Wir müssen genau wissen, welche Art von Hilfe wir von Euch bekommen und wann das jeweils der Fall sein wird.«

Nimor lachte. »Es wäre für die weitere Dauer unserer Freundschaft gut, Prinz Horgar, wenn Ihr Euch von Zeit zu Zeit darüber wundert, wie hilfreich ich sein kann.«

Halisstra erhob sich aus ihrer Trance und stellte fest, daß sie durchgefroren und naß war. Über Nacht hatte sich eine dünne Schicht aus ekligem Stoff über den Wald gelegt, bei dem es sich wohl um Schnee handelte. Auch auf den Zweigen lag diese nasse, kalte Masse, die so leuchtend weiß war, daß sie fast so blendete wie die Sonne. Das Erstaunen über diese Entdeckung ließ aber rasch wieder nach, nachdem ihr klar geworden war, daß es dieser Schnee war, der ihre Kleidung und sogar ihren Piwafwi naß und eiskalt hatte werden lassen. Echter Schnee entpuppte sich für sie als ein weit weniger ansprechendes Phänomen, als es die Bücher in der Bibliothek ihres Hauses dargestellt hatten.

Hoch über ihr war der Himmel wieder grau verhangen, aber etwas heller als am Vortag – und damit wieder so hell, daß er den Drow in den Augen schmerzte. Da Quenthel nicht darauf bestanden hatte, noch im Sonnenschein loszuziehen, hatte Pharaun Zeit genug, sich zu erholen und sich seinen Zaubern zu widmen. Die meiste Zeit des Tages verbrachten sie abgeschirmt vom Sonnenschein in der Höhle, die ein Stück vom Eingang entfernt lag. Erst am späten Nachmittag machte sich die Gruppe zum Weitermarschieren bereit, als die Sonne bereits wieder unterging.

»Erinnert mich daran, daß ich mich später mit Methoden befasse, wie man diesen infernalischen Himmelskörper auslöschen kann«, meinte Pharaun und blinzelte zu den Wolken, die weiteren Schnee versprachen. »Er ist immer noch irgendwo da oben hinter diesen segensreichen Wolken und verbrennt meine Augen.«

»Ihr seid nicht der erste unserer Art, der das Licht als schmerzhaft empfindet«, gab Quenthel zurück, »und je länger Ihr Euch beklagt, um so mehr macht es mir zu schaffen. Also hört auf zu jammern und widmet Euch lieber Eurem Zauber.«

»Natürlich, beeindruckendste aller Herrinnen«, sagte Pharaun in bissigem Tonfall.

Er wandte sich ab und eilte hinüber zu den schneebedeckten Felsen und Findlingen, ehe Quenthel eine angemessene Erwiderung einfiel. Die Baenre murmelte halblaut einen finsteren Fluch und wandte sich auch ab, um Danifae zuzusehen, die Quenthels Matte und Decken in ihrem Rucksack verstaute. Die anderen schwiegen und gaben sich mit dem Zusammenpacken beschäftigt, um vorzugeben, sie hätten von dem Wortwechsel zwischen Quenthel und Pharaun und von Quenthels Verhalten gegenüber der Kriegsgefangenen nichts mitbekommen.

Halisstra nahm ihr Gepäck und folgte Pharaun durch das Schlundloch auf den verborgenen Pfad entlang der Mauer, der bis auf Waldniveau anstieg. Als sie auf der Lichtung stand, die jene tiefer gelegene Stelle umgab, an der der Höhleneingang unter dem Fels hervorkam, wurde ihr bewußt, wie dicht und erdrückend der Wald wirkte. Wohin sie auch sah, standen Bäume und Büsche dicht an dicht und bildeten eine grüne Mauer, die überall gleich aussah. Nichts markantes war zu sehen, kein ferner Gebirgszug, an dem sie sich orientieren konnte, kein geordnetes System aus sandbedeckten Straßen, auf denen man sich fortbewegen konnte. Selbst in den verwinkeltsten Höhlen des Unterreiches gab es nur eine Handvoll Richtungen, in die man sich bewegen konnte – vor oder zurück, links oder rechts, aufwärts oder abwärts. Im Wald dagegen konnte man jede beliebige Richtung einschlagen und kam immer irgendwo an. Das war ein ungewohnter Gedanke, der ihr Unbehagen bereitete.

Nachdem sie den bewaldeten Hügel betrachtet hatte, wandte sie sich zu Pharaun um. Auch der Rest der Truppe stand oder hockte da und sah ihn an.

»Wenn ich etwas sage«, erklärte Pharaun, der den Blick auf die Bäume gerichtet hatte und über die Schulter zu den anderen sprach, »ganz gleich was, dann merkt es Euch gut, denn es kann sein, daß ich nicht genau verstehe, was ich sehe.«

Er breitete die Arme aus, schloß die Augen und wiederholte unablässig schroffe Silben arkaner Macht, während er sich langsam im Kreis drehte.

Das geisterhafte Gefühl wirkender Magie erfaßte Halisstra. Es war so nah, daß es fast greifbar schien, zugleich war es unendlich weit entfernt. Ein seltsamer kalter Wind kam auf, wehte seufzend durch die Baumwipfel, die sich mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung bogen, und wurde abrupt stärker. Schnee löste sich von den Ästen und Zweigen und fiel zu Boden, während der befremdliche Wind laut heulend zum wütenden Sturm anschwoll. Halisstra schirmte mit einer Hand ihre Augen gegen den umherwirbelnden Staub und Schmutz ab und hörte, wie Pharauns Stimme tiefer und gewaltiger wurde, da der Zauber ein Eigenleben zu entwickeln begann und sich aus seiner Kehle zu reißen schien. Sie verlor den Halt und rutschte weg, bis sie sich auf ein Knie stützen und wieder Halt finden konnte. Ihre Haare peitschten um ihren Kopf wie ein Lebewesen mit eigenem Willen.

Die Magie von Pharauns Erkenntniszauber trug ihn in die Lüfte. Mit nach wie vor ausgestreckten Armen drehte er sich im Wind, der ihn umgab. Seine Augen waren leer und schimmerten silbern, sein Blick war gen Himmel gerichtet. Ein Nimbus aus grüner Energie begann sich um Pharauns Körper zu bilden, und er stieß ein lautes Geheul aus. Blitze aus smaragdenem Feuer brachen aus dem ihn umgebenden Lichtkranz hervor und bohrten sich Rapieren gleich in die Felsen ringsum, als seien sie aus zartem Fleisch. Im nächsten Augenblick barsten sie unter ohrenbetäubendem Lärm. Dort, wo die grünen Blitze eingeschlagen waren, hatte sich im zertrümmerten Stein eine schwarze Rune oder ein Symbol gebildet, als sei es mit Säure eingebrannt worden. Allein ihr Anblick ließ Halisstras Augen schmerzen, und von hoch oben über dem Boden der Lichtung begann Pharaun in einer gräßlichen Stimme zu sprechen, die Wind und Donner übertönte.

»Fünf Tage westlich von hier gibt es einen kleinen Fluß«, sprach der Magier. »Wendet Euch nach Süden und folgt dem dunklen, schnellen Wasser stromaufwärts für einen weiteren Tag, bis Ihr an die Tore der Minauth-Feste gelangt. Der Diener Vhaerauns lebt dort. Er wird Euch helfen und Euch betrügen, doch keines von beidem so, wie Ihr erwartet. Jeder von Euch bis auf einen wird Verrat begehen, ehe Eure Reise beendet ist.«

Der Zauber war vorüber. Der Wind legte sich, die grüne Energie verflog, und Pharaun sackte so schnell zu Boden, als sei er von einem Dach gestürzt. Der Magier traf ungelenk und hart auf dem Grund auf und landete mit dem Gesicht im Schnee. Als der Nachhall der Gewalt seines Zaubers sich im verschneiten Wald verlor, verblaßten auch die in den Stein gebrannten Runen und Symbole und zerfielen zu winzigen schwarzen Staubflocken, die im nächsten Moment verschwunden waren.