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»Schnell!« rief er. »Wir haben sie!«

Ihre Unsichtbarkeit versagte sofort, gebannt von dem Magier von der Oberfläche, und aus dem Laub und den Baumstämmen ringsum tauchte ein Dutzend fahler Elfen und grüngewandeter Menschen auf, die Waffen kampfbereit in der Hand. Sie sprangen sie mit einem mörderischen Ausdruck in den Augen an, während der Wald von ihrem lauten Kriegsgeheul erfüllt wurde.

Angesichts der Ausweglosigkeit ihrer Situation knurrte Halisstra, um ihrem Zorn freien Lauf zu lassen, dann stürmte die Drow den Kriegern der Oberflächenwelt entgegen. Sie war entschlossen, ihnen den Sieg nicht leichtzumachen.

Der erste Gegner, der ihr im Weg stand, war ein massiger Mensch mit einem kurzen schwarzen Bart, der mit einem Paar Kurzschwertern kämpfte. Er wirbelte herum, um sie anzugreifen und zielte mit einer Klinge auf ihre Augen, damit sie den Schild hob, während er mit der anderen versuchte, ihr den ungeschützten Bauch aufzuschlitzen. Halisstra wich einfach zur Seite aus und schlug mit dem Streitkolben nach seinem Arm. Sie traf ihn mit solcher Wucht, daß sie den Knochen brechen hörte. Die Klinge flog dem Mann aus der Hand. Er stöhnte vor Schmerz, attackierte sie aber weiter, während er widerwillig Schritt um Schritt zurückwich und gleichzeitig versuchte, sie mit seinem anderen Schwert zu treffen.

Drei seiner Kameraden kamen von allen Seiten auf Halisstra zu und drängten sie in die Defensive. Sie war gezwungen, mit dem Schild Speer und Klinge abzuwehren, zugleich wehrte sie mit dem magischen Streitkolben Angriffe von der anderen Seite ab. Das Geräusch von Metall auf Metall hallte durch den Wald.

»Ergreift sie lebend, wenn ihr könnt«, rief der Magier. »Fürst Dessaer will wissen, wer diese Neuankömmlinge sind und woher sie gekommen sind.«

»Leichter gesagt als getan«, schnaufte der erste Schwertkämpfer, der sich der trotz des Verlustes einer Klinge immer noch tapfer hielt. »Sie scheint an einer Kapitulation nicht interessiert zu sein.«

Halisstra knurrte frustriert und wandte sich abrupt dem Elfen zu ihrer Linken zu, wich der Klinge seines Speers aus und stürmte auf ihn zu. Der Mann wich zurück und wollte seine Waffe heben, doch sie war schneller.

Mit einem eisigen Lächeln rammte sie ihm den Streitkolben zwischen die Augen, die Waffe traf von einem häßlichen Knacken begleitet und zerschmetterte den Schädel ihres Opfers, das in sich zusammensackte.

Den Preis für ihren aggressiven Zug bezahlte sie einen Lidschlag später, als der Elf hinter ihr die Spitze seines Schwertes in ihr linkes Schulterblatt jagte – und das, wo sie noch versuchte, ihm blitzschnell auszuweichen. Stahl kratzte über Knochen, und Halisstra stieß einen Schmerzensschrei aus, als die Kraft aus dem Arm wich, mit dem sie den Schild hielt. Einen Augenblick später bohrte sich der zitternde Pfeil eines Bogenschützen in ihre rechte Wade und ließ das Bein unter ihr wegknicken.

»Jetzt haben wir sie, Jungs!« rief der elfische Schwertfechter.

Er hob die Klinge, um einen weiteren Schlag zu führen, doch Halisstra ließ sich zu Boden fallen, rollte unter seiner Verteidigung hindurch und zerschmetterte ihm mit einem Schlag ihres Streitkolbens die Hüfte. Der Elf schrie vor Schmerz und eilte davon, um ein Stück weiter im Schnee zusammenzubrechen.

Halisstra versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, doch der Magier feuerte einen so mächtigen Lichtblitz auf sie ab, daß die Wucht des Zaubers sie hochriß und durch die Luft wirbelte, bis sie in einem schmalen und eiskalten Fluß in der Nähe landete. Ihr ganzer Leib zuckte und schmerzte als Folge der magischen Energie, und dann roch sie den markanten Geruch verbrannten Fleisches – ihres eigenen Fleisches.

Sie stützte sich mit einem Arm ab und konterte mit einem Bae’qeshel-Gesang, einem tödlichen, durchdringenden Akkord, der die Borke von den Bäumen riß und der den Schnee zu einem weißen, stechenden Sturm aufsteigen ließ. Der Elfenmagier fluchte und schützte sich mit seinem Mantel, schirmte die Augen ab und ließ das todbringende Lied über sich ergehen.

Halisstra stimmte ein weiteres Lied an, doch die Krieger eilten durch den Schnee zu ihr, und der stämmige Mensch mit dem Bart brachte sie mit einem Tritt gegen den Kiefer zum Schweigen, der so heftig war, daß sie zu Boden geschleudert wurde. Einen Moment lang wurde ihr schwarz vor Augen, und als sie wieder etwas sah, waren gleich vier todbringende Klingen auf sie gerichtet. Der Schwertkämpfer sah sie über die Spitze seines Schwertes finster an.

»Macht ruhig weiter, wenn Ihr wollt«, forderte er sie verächtlich auf. »Unsere Kleriker können ebensogut Eure Leiche befragen.«

Halisstra wollte sich von dem rasenden Kopfschmerz und dem Dröhnen in ihren Ohren befreien. Als sie sich umsah, entdeckte sie in den Augen aller, die sie umstellt hatten, nur den puren Tod.

Ich kann meine Kapitulation vortäuschen, sagte sie sich. Quenthel und die anderen müssen wissen, daß ich verschwunden bin und werden Anstrengungen unternehmen, mich zu finden.

»Ich gebe auf«, sagte sie in der plumpen Sprache der Menschen.

Halisstra ließ den Kopf nach hinten ans Ufer des Stroms sinken und schloß die Augen. Sie spürte, wie sie hochgezerrt wurde, ihr Kettenhemd wurde ihr vom Leib gerissen, dann band man ihr brutal die Hände auf den Rücken. Die ganze Zeit über ignorierte sie die Männer, in deren Gewalt sie geraten war; zugleich mied sie es, über ihre Situation nachzudenken, indem sie sich auf Lolths gewaltigen Katechismus konzentrierte, den sie als Novizin hatte auswendiglernen müssen.

»Sie muß jemand wichtiges sein. Seht euch die Rüstung an, ich glaube nicht, daß ich so was schon mal gesehen habe.«

»Hier haben wir eine Leier und ein paar Stäbe«, murmelte der Waldläufer mit der gebrochenen Hand, der ihre Habseligkeiten durchging. »Seid vorsichtig, Jungs, sie könnte eine Bardin sein. Wir sollten sie knebeln.«

»Bringt mir schnell den Heiltrank, Fandar liegt im Sterben.«

Halisstra sah zu dem Elfen, dessen Hüfte sie zerschmettert hatte. Mehrere seiner Gefährten knieten neben ihm im Schnee und Matsch und versuchten, ihn zu beschwichtigen, während er sich vor Schmerzen wand. Blut hatte den Schnee ringsum rot gefärbt. Sie beobachtete die Szene, doch im Geist war sie tausend Kilometer oder mehr entfernt.

»Verdammte Drow-Hexe. Den Göttern sei Dank, daß nicht alle so verbissen kämpfen wie sie.«

Der Elfenmagier baute sich vor ihr auf, seine Miene war angespannt und wütend.

»Zieht ihr eine Kapuze über, Leute«, wies er die anderen an. »Sie muß nicht wissen, wo sie ist.«

»Wohin bringt Ihr mich?« fragte Halisstra.

»Unser Herr will einige Dinge erfahren«, erwiderte der Magier. Sein Lächeln war so frostig wie der Schnee ringsum, seine Blicke durchbohrten sie, als handle es sich um Klingen. »Meiner Erfahrung nach sind die meisten Drow so boshaft, daß sie lieber an ihrem eigenen Blut ersticken, statt etwas Sinnvolles und Nützliches zu tun. Ich gehe nicht davon aus, daß du anders bist. Fürst Dessaer wird dir ein paar Fragen stellen, du wirst ihn auf unflätige Weise beschimpfen, dann bringen wir dich wieder nach draußen und weiden dich aus wie einen Fisch. Das ist besser als das, was ihr unseresgleichen antut, wenn wir euch in die Hände fallen.«

Die Kapuze wurde Halisstra übergezogen und so fest zugeschnürt, daß sie kaum atmen oder schlucken konnte.

12

Ryld kauerte im Schatten eines großen Baumes mit einem Stamm, der so dick war und so weit in die Höhe reichte, daß er durchaus die Narbondel des Waldes hätte sein können. Zwischen den Schultern trug Ryld sein Schwert Splitter, das im jüngsten Kampf der Gruppe kaum zum Einsatz gekommen war. Er beugte sich ein wenig vor und suchte den von Mondlicht und Schatten geprägten Waldboden ab, während er ein Ziel zu erspähen versuchte. Zusammen mit Pharaun bildete er die Nachhut ihrer Gruppe und wartete voller Hoffnung, den Spieß umzudrehen und die Elfen und Menschen in Bedrängnis zu bringen, die ihnen schon so lange zu schaffen machten. Nach mehreren kühnen Versuchen, die Drow zum Nahkampf zu zwingen, hatten die Oberflächen-Elfen und ihre menschlichen Verbündeten schließlich doch noch gelernt, die Fertigkeiten und den Kampfgeist der Dunkelelfen zu respektieren. Es dauerte nicht lange, da attackierten sie mit vereinzelten Pfeilen aus der Finsternis, griffen immer wieder schnell an und zogen sich noch schneller zurück.