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Ein Pfeil zerschnitt die Luft. Ryld wich noch gerade rechtzeitig zurück, um zu sehen, wie der mit weißen Federn besetzte Pfeil an ihm vorbeijagte und den Baumstamm so dicht passierte, daß seine Federn über die Rinde strichen. Hätte Ryld sich nur darauf verlassen, daß der Stamm ihn schützte, hätte sich der fachkundig abgefeuerte Pfeil wohl in sein Auge gebohrt.

»Es bringt nichts, länger zu warten«, flüsterte Pharaun.

Der Magier hatte auf Quenthels Befehl, einen Hinterhalt vorzubereiten, ohne jede Begeisterung reagiert, und es mißfiel ihm nicht, das Unterfangen für gescheitert zu erklären und sich wieder dem Rest der Gruppe anzuschließen. Er murmelte die rauhen Silben eines Zaubers und beschrieb konzentriert eine Reihe von Gesten.

Einen Augenblick später streckte sich der Magier und ließ Ryld wissen: Komm. Ich habe ein Abbild erzeugt, das sie glauben lassen wird, wir stünden noch immer hier. Wir sind derweil für unsere Gegner unsichtbar. Folge mir und bleib dicht hinter mir.

Ryld nickte und zog sich zusammen mit Pharaun in aller Heimlichkeit zurück. Er warf einen letzten Blick auf den verlassenen Wald und fragte sich, ob der Trick des Magiers funktionieren würde.

Halisstra ist irgendwo da hinten, dachte er. Höchstwahrscheinlich ist sie tot.

Die Bewohner der Oberflächenwelt hatten kein Interesse erkennen lassen, Gefangene zu machen. Die Vernunft ließ Ryld ihren Verlust als nur ein weiteres Opfer einer Schlacht abschreiben, eine Reaktion, die er beim vorzeitigen Ableben eines jeden nützlichen Kameraden empfinden würde. Er hatte im Laufe der Jahre an genügend Schlachten teilgenommen, um zu wissen, daß Krieger früher oder später starben. Dennoch empfand er beim Gedanken an Halisstras Tod ein seltsames Unbehagen.

Pharaun blieb stehen und drehte sich langsam, um nach Hinweisen auf den Rest ihrer Gruppe und auf ihre Widersacher zu suchen, die ihnen weiter folgten. Ryld hielt inne und lauschte.

Durch die Baumkronen strich ein sanfter Wind, der in den Ästen leise seufzte. Blätter raschelten, Zweige knackten. In der Nähe murmelte ein kleiner Bach, doch er konnte keine Anzeichen für eine drohende Gefahr erkennen – oder für Halisstras Rückkehr.

Dumm, auf so etwas zu hoffen, sagte er sich.

Macht dir etwas Sorgen? gestikulierte Pharaun.

Nein, erwiderte der Waffenmeister.

Der Magier betrachtete ihn aufmerksam, während der Mondschein sein hübsches Gesicht in ein silbriges Licht tauchte.

Sag nicht, du bist um die Frau besorgt!

Natürlich nicht, gab Ryld zurück. Ich bin nur besorgt, weil sie eine wertvolle Kameradin ist. Mir gefällt der Gedanke nicht, ohne ihre Fertigkeit zum Heilen weiterzumarschieren. Sonst bin ich nicht besorgt. Ich bin doch kein Narr.

Ich finde, du protestierst etwas zu energisch, bedeutete Pharaun ihm. Ich nehme aber an, es ist nicht weiter wichtig.

Er wollte noch etwas anfügen, doch ein plötzliches Rascheln hinter ihnen ließ ihn verstummen. Pharaun und Ryld drehten sich gleichzeitig um, Rylds Hand fuhr zu Splitters Heft, mit der anderen hob er die Armbrust. Doch dann tauchte auf einmal Valas Hune vor ihnen auf. Von der gesamten Gruppe war der Mann von Bregan D’aerthe derjenige, der in dem Katz-und-Maus-Spiel der Jagd durch den Wald die nötige Geduld besaß und es mit den Bewohnern der Welt an der Oberfläche aufnehmen konnte.

Konntet ihr einen unserer Feinde entdecken? fragte der Späher.

Nein, aber jemand sah genug von Ryld, um einen Pfeil auf ihn abzufeuern, erwiderte Pharaun. Da sie zu ahnen schienen, wo wir uns aufhielten, ließen wir eine Illusion zurück und kamen wieder her.

Ein Lebenszeichen von Halisstra? fragte Ryld.

Nein. Bei dir? entgegnete Valas Hune.

Vor einer halben Stunde hörten wir Kampfeslärm ein Stück weit hinter uns. Es hielt einige Minuten lang an. Das könnte sie gewesen sein, signalisierte Pharaun.

»Das war’s dann«, murmelte Valas Hune. »Dann kommt. Die anderen warten schon auf uns, und wenn wir unsere Verfolger schon nicht in einen Hinterhalt locken, dann können wir auch weiterziehen. Je länger wir hier verharren, desto wahrscheinlicher wird es, daß noch mehr von ihrer Art auftauchen und sich einmischen.«

Der Späher ging voran und eilte zwischen Bäumen und Sträuchern hindurch, wobei er sich schnell und lautlos bewegte. Pharaun und Ryld konnten es mit seinen leisen Schritten nicht aufnehmen, doch die gewirkte Magie schien eine angemessene Täuschung zu sein, da sie nicht auf weitere Bogenschützen oder Speerträger trafen. Nach einigen hundert Schritten erreichten sie einen steilen Graben, der von dichtem Buschwerk und großen Findlingen bestens verdeckt wurde. Dort trafen sie auf Quenthel, Danifae und Jeggred, die sich versteckt hielten und aufmerksam Ausschau hielten, ob sich ein neuer Angriff abzeichnete.

»Konntet ihr die Bogenschützen überrumpeln?« fragte Quenthel.

»Nein, sie bemerkten uns sehr schnell und gingen einem Kampf aus dem Weg«, antwortete Ryld. Mit der Hand fuhr er durch sein Stoppelhaar und seufzte. »Dies ist für uns kein gutes Schlachtfeld. Wir bekommen die Oberflächen-Elfen nicht unter Kontrolle, sie sind auf diesem Terrain eindeutig im Vorteil. Aber wenn wir gar nichts unternehmen, dann werden sie uns einkreisen und mit Pfeilen durchbohren.«

Valas nickte und fügte an: »Sie arbeiten im Moment an einer Lösung, um uns zu finden und in die Zange zu nehmen. Wir können noch einige Minuten hierbleiben, doch wir werden uns bald wieder auf den Weg machen müssen, da uns sonst der nächste Kampf erwartet. Ich schätze, uns bleiben keine zehn Minuten mehr.«

»Sollen sie kommen«, brummte Jeggred. »Vor nicht einmal einer Stunde haben wir ein Dutzend von ihnen getötet, als sie sich von hinten an uns heranschlichen. Nun wissen wir, daß die Tagwandler hier unterwegs sind, jetzt können wir sie scharenweise niedermetzeln.«

»Der nächste Angriff wird ein Regen aus Pfeilen sein, abgeschossen von Bogenschützen, die wir nicht mal ausmachen können«, sagte Valas. »Ich bezweifle, daß die Bewohner der Oberflächenwelt bereit sein werden, sich in einer Reihe aufzustellen, damit wir sie töten können. Schlimmer noch: Was, wenn die Truppe Hilfe anfordert? Der nächste Angriff könnte bei Tagesanbruch erfolgen, mit einer zwei- oder dreimal so großen Truppe wie der, mit der wir es im Moment zu tun haben. Mir gefällt der Gedanke nicht, nach Sonnenaufgang mit Pfeilen und Zaubern bombardiert zu werden, wenn unsere Widersacher plötzlich wesentlich besser sehen können als wir.«

»Schön«, knurrte Jeggred. »Was würdet Ihr dann vorschlagen?«

»Den Rückzug«, antwortete Ryld. »Wir sollten versuchen, so schnell wie möglich fortzukommen. Mit etwas Glück haben wir einen guten Vorsprung auf unsere Verfolger herausgeholt, noch bevor die Sonne aufgeht, und vielleicht finden wir einen geeigneten Ort, um uns zu verstecken.«

»Oder vielleicht werden wir das Gebiet erreichen, das von den Jaelre kontrolliert wird«, fügte Valas Hune an.

»Was sich als noch gefährlicher erweisen könnte als das Katz-und-Maus-Spiel, das wir uns mit unseren Verfolgern liefern«, sagte Pharaun. »Wenn die Jaelre nicht viel von Besuchern halten ...«

»Das ist egal«, warf Quenthel ein. »Wir sind gekommen, um mit ihrem Priester zu sprechen, und das werden wir auch tun, selbst wenn wir zu dem Zweck das halbe Haus niedermetzeln müssen.«

»Euer Vorschlag ist nicht sehr ermutigend, Meister Hune«, sagte Danifae. Sie blutete aus einer Wunde am rechten Arm, nachdem ein schneller Pfeil ihr Kettenhemd durchdrungen hatte und im Oberarm steckengeblieben war. Während sie sprach, versuchte sie ungelenk, mit einer Hand die Wunde zu verbinden. »Was, wenn es uns nicht gelingt, unsere Verfolger abzuschütteln? Sie scheinen in diesen verdammten Wäldern recht gut mit uns mithalten zu können.«