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Nimor saß im Sattel einer Streitechse Agrach Dyrrs und lächelte zufrieden, als die Streitmacht des Hauses Dyrr an ihm vorbeimarschierte. Die Kompanien sammelten sich auf einem kleinen, beengten Platz nahe der Grenze zwischen der Westmauer und Narbondellyn, der ironischerweise gar nicht einmal so weit vom Haus Faen Tlabbar entfernt gelegen war. Jeder Schwertkämpfer der Drow trug neben seinen Waffen und seiner Rüstung auch leichtes Gepäck, und eine Art Versorgungszug bildete sich, da jeder Trupp seine eigenen Packechsen und sein Gefolge mitbrachte. Viele Gemeine der Stadt waren gekommen, um zuzusehen, wie sich die Armee aufstellte, die bei weitem den größten Aufmarsch an Soldaten darstellte, den die Muttermatronen seit dem fehlgeschlagenen Angriff auf Mithralhalle vor vielen Jahren befehligt hatten.

»Ich darf annehmen, die Ratssitzung ist gut gelaufen«, sagte Dyrr, der bei Nimors Steigbügel stand.

Der untote Hexenmeister erschien natürlich nicht in seiner eigenen Gestalt, nicht einmal als der alte Mann, als der er sich in seinem Haus zeigte. Sein gegenwärtiges Erscheinungsbild war das eines unscheinbaren, jungen Magiers von Agrach Dyrr, der die feinen Gewänder seines Hauses trug.

»Deine Muttermatrone war gut vorbereitet«, erwiderte Nimor. Er sprach leise, auch wenn niemand in der Nähe war, der sie hätte belauschen können. »Wir haben die Hälfte aller Soldaten der Stadt für die Schlacht aufgestellt.«

»Yasraena hat sich als nützliches Aushängeschild erwiesen«, stellte der Leichnam fest. »Ich habe ein Dutzend oder mehr Muttermatronen Dyrr miterlebt, und von Zeit zu Zeit stelle ich fest, daß eine Frau gegen meine ... sagen wir ... ungewöhnliche Position innerhalb des Hauses ist. Yasraena würde mich töten, wenn sie könnte, aber selbstverständlich weiß sie, daß Agrach Dyrr zwangsläufig vernichtet würde, sollte mir etwas Unerfreuliches widerfahren. Ich habe sie von den seit langem bestehenden Vereinbarungen in Kenntnis gesetzt, um sie davon abzuhalten, mir eine Überraschung zu bereiten.«

Nimor lachte ironisch und entgegnete: »Ich glaube, Ihr seid höchst selten einmal überrascht, Meister Dyrr.«

»Erfolg erwächst aus Vorbereitung, junger Nimor. Betrachte dies als deine Lektion für heute.« Der Leichnam verzog seinen illusionären Mund zu einem Lächeln, dann entfernte er sich. »Viel Glück bei Eurem Unterfangen, Hauptmann.«

Nimor wendete seine Streitechse auf der Stelle, als die letzte Kolonne ihn passiert hatte.

Er wandte sich noch einmal dem Leichnam zu und sagte: »Ein letztes Wort. Narbondel wurde vor Zehntagen einmal mit Verspätung mit Licht erfüllt, seitdem geschah es aber jeden Tag pünktlich. Es heißt überall in der Stadt, die Meister Sorceres hätten ihren Erzmagier ersetzt.«

Dyrr spreizte lächelnd die Hände.

»Da Erzmagus Baenre für einige Zeit nicht zur Verfügung stehen könnte«, entgegnete der Leichnam, »würde es mir gefallen, wenn die Meister Sorceres aus eigenem Antrieb bestimmten, wer Gromphs Platz einnehmen soll.«

»Hätten Muttermatrone Baenre und der Rat dabei nicht ein Wörtchen mitzureden?«

»Nicht, wenn den versammelten Meistern bewußt wird, welche Macht sie innehaben«, sagte Dyrr. »Ich bin natürlich kein Mitglied der Akademie, dafür aber einige junge Hündchen meines Hauses, die mich gut auf dem laufenden halten. Die Meister diskutieren, ob es wohl an der Zeit sei, mit der Tradition zu brechen und selbst einen Erzmagier zu benennen. Aber die Hälfte von ihnen sinnt darüber nach, wie sie jeden Konkurrenten eliminieren können, der klug und mutig genug ist, um den Posten anzunehmen, während die andere Hälfte überlegt, ob sie lieber in ihr eigenes Haus zurückkehren und dort herrschen sollen. Ein solcher Bruch mit dem Rat zöge einen Bürgerkrieg nach sich, und die wenigen Meister, denen noch immer nicht klar ist, daß der Bürgerkrieg bereits tobt, beharren darauf, den Status Quo beizubehalten, da man sich vor Lolths Rückkehr fürchtet. Ungeachtet dessen ist Sorcere seit Gromph Baenres Verschwinden praktisch gelähmt.«

Der Leichnam wandte sich ab und ging auf seinen großen Stab gestützt weg, wobei er ein trockenes, rauhes Gelächter ausstieß.

Nimor hob eine Braue und sah dem Leichnam nach, wobei er über die Worte seines Verbündeten nachdachte. Dann folgte er der Kolonne.

»Leutnant Jazzt!« rief er.

Aus der marschierenden Truppe des Hauses Agrach Dyrr löste sich ein kleiner, narbiger Mann und kam zu Nimor. Die Soldaten, die in der Kolonne vorrückten, wußten, daß »Hauptmann Zhayemd« kein Angehöriger ihres Hauses war. Doch hatte man ihnen erklärt, der Befehlshaber der Truppe genieße das völlige Vertrauen von Muttermatrone Yasraena und er sei sogar in die Führung des uralten Clans aufgenommen worden. Das war bei den höheren Häusern der Stadt gängige Praxis, an der sich niemand störte. Nimor war sicher, daß Jazzt Dyrr, der zweite Vetter der Muttermatrone persönlich, darüber sehr spezifisch instruiert worden war, was die Umstände anging, unter denen er Nimors Befehle ignorieren sollte, doch da Nimor vorhatte, seinen Teil der Abmachung mit Agrach Dyrr wortgetreu zu erfüllen, konnte er sicher sein, daß der Dyrr-Offizier ihm keine Probleme bereiten würde.

»Ja, Hauptmann?« fragte Jazzt.

Er gab sich Mühe, eine völlig neutrale Miene zu machen, als er Nimor mit der milden Neugier eines erfahrenen Veteranen betrachtete.

»Stellt die Kompanie neben dem Kontingent der Baenre auf. Sagt den Männern, sie sollen sich auf einen langen Marsch gefaßt machen. Ich hoffe, wir brechen innerhalb der nächsten Stunde auf.«

»Jawohl, Hauptmann«, erwiderte Jazzt.

Der Leutnant trat einen Schritt zurück, salutierte zackig, dann wandte er sich ab und begann, den Soldaten von Agrach Dyrr Befehle zuzubrüllen. Nimor wendete sein Reittier und lenkte es über den Platz zu einem kleinen Zelt, in dem hektisches Treiben herrschte. Dort hatten sich die hochwohlgeborenen Offiziere und Befehlshaber über die Kontingente der verschiedenen Häuser versammelt, die meisten von ihnen begleitet von einer Reihe von Feldwebeln und Laufburschen. Mehrere Diskussionen über die unterschiedlichsten Themen – die Marschordnung, der beste Rastplatz für das Ende dieses Tages, die schnellste Route zu den Säulen des Leids – waren gleichzeitig im Gange.

Er stieg ab, gab die Zügel seiner Kriegsechse einem Sklaven, der in der Nähe stand, und begab sich dann mitten in das Wirrwarr, bis er einen abgeschirmten Bereich erreicht hatte. Er mußte das Emblem zeigen, das angab, zu welchem Haus er gehörte und welchen Dienstgrad er innehatte, damit man ihn einließ. Im Inneren dieses Bereiches standen Hauptleute und andere Offiziere der verschiedenen Häuser zusammen und besprachen die unterschiedlichsten Themen zur gleichen Zeit. Die Gelegenheit, eine Armee auf die Beine zu stellen und in den Krieg zu ziehen, schien sie wenigstens für den Augenblick alle Rivalitäten und Vendettas vergessen zu lassen. Statt einander auf den Straßen zu bekämpfen, versuchten die Burschen nun, einander mit mutigen und ruchlosen Taten auf dem Schlachtfeld zu überbieten.

Nimor betrachtete die Befehlshaber und erkannte Embleme von sechs der acht großen Häuser, dazu ein halbes Dutzend Embleme der größten und stärksten unter den unbedeutenderen Häusern. Sein Blick fiel auf einen Mann, der das Abzeichen des Hauses Baenre trug, als er die Hände hochnahm und die Stimme hob, damit die anderen von ihm Notiz nahmen.

»Geht zurück zu Euren Kompanien und kümmert Euch um Eure Versorgungszüge«, sagte Andzrel Baenre, der Waffenmeister des Hauses Baenre. »Ich brauche von jedem von Euch eine Liste mit der Anzahl Packtiere und Wagen in Eurem Zug, außerdem eine Meldung Eurer Bestände. Kehrt in einer Stunde zu mir zurück. Unsere weiblichen Verwandten werden zweifellos viele Fragen von großer strategischer Tragweite besprechen, aber es fällt in unsere Verantwortung, die Einzelheiten der Versorgungszüge und der Schlachtsignale auszuarbeiten. Außerdem müssen wir noch einiges diskutieren.«