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»Ich will eure Herrin retten«, brüllte er die Peitsche an, während er das Emblem an seiner Kleidung festmachte.

Der Späher näherte sich und packte Quenthel unter den Armen, dann nutzte er die Macht ihrer Brosche, um sie vom Boden hochzuheben.

Unterdessen begutachtete Ryld weiter die Barriere, die ihm den Weg versperrte.

»Na gut«, murmelte er schließlich.

Er bewegte sich ein Stück zurück und stieß sich an der Wand des Schachts ab, dann holte er mit Splitter für den kräftigsten Schlag aus, zu dem er fähig war. Mit einem zornigen Aufschrei schlug er zu, jagte Splitters Klinge durch das magische Eis und hörte auch dann noch nicht auf, als ihm verheerende kalte Wellen entgegenschlugen. Er ignorierte den Schmerz und holte wieder und wieder aus. Das Eis zersplitterte in Dutzende von Stücken, die zu Boden fielen. Ohne auf die anderen zu warten, schob sich Ryld durch die entstandene Öffnung und drang in die Lagerstatt des Betrachters vor.

16

Schon am ersten Tag nach dem Mord an Seyll begann Halisstra sich zu fragen, ob sie vielleicht besser bedient gewesen wäre, wenn sie sich den Eilistraee-Priesterinnen angeschlossen und einen Übertritt zu deren Glauben vorgetäuscht hätte. Diese Strategie hätte sie zwar nicht wieder mit ihren Kameraden zusammengebracht, doch dann hätte sie zumindest eine Unterkunft und etwas zu essen gehabt, und ihr wäre die Möglichkeit auf eine Gelegenheit geblieben, ihre Ausrüstung wieder an sich zu nehmen. So aber befand sie sich auf einem schier endlosen Marsch durch die eiskalten Wälder. Als die Morgendämmerung anbrach, war der einzige Schutz, den sie finden konnte, eine kleine, feuchte Höhle, die von Findlingen von der Größe eines Drow und kahlen Bäumen umgeben war. Zitternd legte sie den gestohlenen Rucksack ab und durchsuchte ihn in der Hoffnung, daß sie irgendeinen wichtigen Gegenstand oder etwas zu essen übersehen hatte.

Seyll und ihre Anhänger hatten eine Reise durch die Wildnis geplant, die kaum mehr als ein paar Stunden gedauert hätte. Also führten sie nur so viel Ausrüstung mit sich, wie Halisstra selbst eingepackt hätte, wäre es ihre Absicht gewesen, zu einer bekannten Höhle zu gehen, die allenfalls ein paar Kilometer von Ched Nasad entfernt war, und erst recht hatten sie nichts ausgewählt, was der Flucht ihrer Gefangenen hätte behilflich sein können.

Mit der Armbrust, die sie Xarra abgenommen hatte, und ihren Bae’qeshel-Liedern hatte sie gute Chancen, jedes Wild zu erlegen, das ihr über den Weg lief, doch während ihrer stundenlangen Wanderung waren ein paar Vögel das einzige, was sie entdeckt hatte. Aber selbst wenn es ihr gelang, Beute zu machen, hatte sie keine Möglichkeiten, das Fleisch zu garen. Es war, als hätte sich der Wald gegen sie verschworen.

Sie war einigermaßen sicher, daß sie nach der Flucht vor den Ketzern in westliche Richtung gegangen war. Wenn Seyll nicht gelogen hatte, als sie sagte, sie befänden sich nahe der Stelle, an der man Halisstra gefangengenommen hatte, konnte die Melarn-Priesterin höchstens ein bis zwei Nachtmärsche von dem kleinen Fluß entfernt sein, den Pharaun in seiner Vision beschrieben hatte. Da der Fluß vor ihr von Süden nach Norden verlief, konnte sie ihn nicht verfehlen, wenn sie sich weiter in westlicher Richtung bewegte.

Halisstra versuchte, sich an der Richtung zu orientieren, in der Sonne und Mond untergingen, wich davon aber ein wenig nach links ab, da sich beide zu dieser Jahreszeit etwas weiter südlich über den Himmel bewegten. Allerdings wußte sie nicht, ob sie flußauf- oder flußabwärts weiterziehen sollte, wenn sie den Strom erreichte, da sie nicht zu sagen vermochte, an welchem Punkt Pharaun und die anderen angekommen waren. Wenn sie es genau überlegte, konnte sie nicht einmal sicher sein, ob sie den richtigen Fluß vor sich hatte, wenn sie ihn erreichte. In den letzten eineinhalb Tagen hatte sie ein gutes Dutzend kleiner Bäche überquert, und auch wenn sie bei keinem davon der Ansicht gewesen war, man dürfe ihn als richtigen Fluß bezeichnen, fehlte ihr die Erfahrung mit der Oberflächenwelt, um sich dessen gewiß zu sein.

»Immer vorausgesetzt, ich laufe nicht seit Stunden im Kreis«, murmelte Halisstra.

Vielleicht war es sinnvoller, den Gedanken aufzugeben, die Jaelre zu finden, und statt dessen den kürzesten Weg aus dem Wald zu suchen. Früher oder später würde sie bestimmt wieder auf irgendeine Zivilisation stoßen, und dort würde sie sich Essen und Vorräte beschaffen – ganz gleich, ob sie darum betteln mußte oder es sich einfach aneignete – und einen Führer überreden, sie zu den Jaelre zu bringen.

Sie schloß die Augen und stellte sich im Geiste die Karte Cormanthors und der umliegenden Länder vor. Sie befand sich im östlichen Teil des Waldes, das wußte sie sicher. War es also am besten, nach Osten zu gehen, der aufgehenden Sonne entgegen? Dort gab es jedoch kaum etwas außer der Menschensiedlung Eggental, wenn ihr geographisches Wissen sie nicht täuschte. Oder war es besser, nach Süden zu wandern? In dieser Richtung gab es einige Täler mehr, womit die Chancen besser standen, auf Zivilisation zu stoßen, auch wenn sie dafür länger wandern mußte, ehe sie den Wald verlassen konnte. Den Norden schloß sie von vornherein aus, da sie sicher war, daß dort Elfenbaum lag. Es war jedoch egal, für welchen Weg sie sich entschied – sie würde zumindest vorübergehend den Jaelre und damit ihrer Mission den Rücken kehren.

»Das wäre alles viel einfacher, wenn Lolth sich bequemen würde, auf meine Gebete zu reagieren«, grollte sie.

Als ihr klar wurde, was sie gesagt hatte, sah sie sich unwillkürlich erschrocken um und hielt die Hand vor den Mund. Lolth sah es nicht gern, wenn ihre Anhänger über sie klagten.

Sie verbrachte einen naßkalten und elenden Tag zusammengekauert zwischen den Felsblöcken in ihrem kleinen Versteck, wo sie immer wieder mal für kurze Zeit in Trance abglitt. Mehr als einmal wünschte sie sich, sie wäre geistesgegenwärtig genug gewesen, um Feliane zu befehlen, sie zu den Jaelre zu führen. Wenigstens hätte sie von ihr Mantel und Ausrüstung fordern sollen, ehe sie sie in den Wald schickte. Fürst Dessaers Männer waren sicher längst auf der Suche nach ihr, und wenn sie sie diesmal zu fassen bekamen, würden sie nicht noch einmal so gnädig mit ihr verfahren. Doch Halisstra neigte ohnehin allmählich zu der Ansicht, eine schnelle Hinrichtung durch die Oberflächen-Elfen sei einem langsamen und einsamen Hungertod in diesem nicht enden wollenden Wald vorzuziehen.

Bei Anbruch der Nacht packte sie ihre Habseligkeiten zusammen und verließ ihr Versteck. Sie stand im Wald, sah in die Richtung, die sie für Westen hielt, dann nach Süden und wieder gen Westen. Im Süden würde sie zwar leichter eine Siedlung von Menschen oder Oberflächenelfen finden, doch sie brachte es nicht übers Herz, alle Hoffnung aufzugeben, je wieder mit ihren Kameraden zusammenzukommen. Es war besser, noch eine Weile in westlicher Richtung zu gehen, und wenn sie bei Tagesanbruch noch immer nicht den Fluß aus Pharauns Vision gefunden hatte, dann würde sie in Ruhe darüber nachdenken, ob sie es wirklich aufgeben sollte.

»Also nach Westen«, sagte sie zu sich selbst.

Ein paar Stunden ging sie durch den Wald und versuchte, den Mond zu ihrer Linken zu halten, auch wenn sie ihn mehr spürte als sah. Die Nacht war kalt, und am Himmel zogen dünne Wolken vorüber, die von einem heftigen Wind vorangetrieben wurden. Von diesem war aber am Waldboden nichts mehr zu spüren, da er es offenbar nicht schaffte, den Schutz durch die Bäume zu überwinden. Im Wald selbst war es kalt und still, und nach den Maßstäben eines Bewohners der Oberfläche war es stockfinster. Halisstra dagegen empfand das diffuse Mondlicht, das seinen Weg in die unteren Regionen des Waldes fand, als See auf leuchtenden silbernen Schatten. Sie blieb stehen, um den Himmel zu betrachten und festzustellen, ob sie sich von der Bahn des Mondes zu sehr vom Kurs abbringen ließ, als sie in der Ferne Wasserrauschen hörte.

Leise ging sie weiter durch die Nacht, bis sie schließlich am Ufer eines breiten, flachen Stromes ankam, der sich seinen Weg über ein Flußbett aus Kieseln bahnte.