Ryld kauerte in einem dichten, tödlichen und ätzenden Nebel und versuchte mit allen Mitteln, nicht einzuatmen, obwohl ihm die Luft ausging. Seine Haut brannte, als hätte man flüssiges Feuer über seinen Leib gegossen, und häßliche Beulen bildeten sich an den Stellen, an denen seine Haut nicht vor der Luft geschützt war. Wenn er blieb, wo er war, war das eine Einladung zu einem langsamen, qualvollen Tod, doch die Dämpfe hatten sich wie sanfte weiße Hände um seine Glieder gelegt und hinderten ihn daran, sich zu bewegen. Der verfluchte Betrachter befand sich irgendwo in diesem Raum, nur wo?
Ein greller Blitz erhellte den weißen Nebel, Dutzende zuckender Verästelungen schossen in alle Richtungen davon, während er durch die Dunstschleier jagte. Der Waffenmeister sprang zur Seite und sank langsam zu Boden, da der Nebel seinen Fall abfederte. Ein gewaltiger Donnerschlag erschütterte die Steine im Raum und ließ seine Zähne im Kiefer vibrieren.
»Pharaun!« schrie er. »Wo ist der verdammte ...«
Sofort bereute er, ein Wort gesagt zu haben, da Schmerzen seine Nase und Kehle attackierten, als würden sich heiße Nadeln in sein Innerstes bohren.
»An der östlichen Mauer!« erwiderte der Magier aus einiger Entfernung.
Der Meister Sorceres ging sofort zum nächsten Zauber über, den er so schnell wie möglich zu wirken versuchte. Unterdessen ließ der Betrachter-Magus seinen entsetzlichen Zaubergesang ertönen und murmelte finstere Worte für ein halbes Dutzend Beschwörungen gleichzeitig. Wieder zuckten Blitze, gefolgt vom Heulen und Kreischen beschworener Geschosse, die auf ihre Ziele zujagten und den Schreien, Rufen und Flüchen seiner Gefährten.
Ryld hatte endlich den Boden erreicht und stellte fest, daß er sich dicht an einer geschwungenen Wand befand – das einzige, was er in dem entsetzlichen Nebel sehen konnte. Ohne nachzudenken kroch er so schnell wie möglich vorwärts, da er hoffte, dem ätzenden Nebel zu entkommen, bevor der ihm das Fleisch vom Schädel brannte.
Bei Lolth, was für ein Elend! dachte er, während er mit Splitter nach den dicken Nebelschwaden schlug und stach.
»Die Teufel sind dicht hinter uns!« schrie Jezz, der sich irgendwo jenseits des brennenden Nebels aufhielt. »Erledigt dieses Ding so schnell wie möglich, damit wir uns nehmen können, weshalb wir herkamen, und den Rückzug antreten können!«
Es schnell erledigen, dachte Ryld und schnitt eine Grimasse. Das ist ja eine ganz neue Idee.
Er bewegte sich weiter nach vorn, und plötzlich war er dem tödlichen Nebel entronnen. Niemand war in seiner Nähe, aber aus der Nebelwand hinter ihm hörte er, wie seine Gefährten kämpften.
»Verdammt«, murmelte er.
Nachdem er dem Nebel entronnen war, wurde offensichtlich, daß das gesamte Stockwerk des Turms einst aus fürstlich ausgestatteten Räumen bestanden hatte. Ein dicker roter Schleier auf dem Boden war womöglich früher ein dicker Teppich gewesen, die Wände waren mit orangefarbenen und goldenen Kacheln geschmückt, die einen Wald an der Oberfläche der Welt zeigten, dessen normalerweise grünen Blätter aus einem unerklärlichen Grund in Rot-, Orange- und Gelbtönen dargestellt wurden. Ryld hustete, seine Augen tränten vom Kontakt mit den giftigen Dämpfen. Offenbar war er durch einen Torbogen in einen anderen Raum gelangt, an dessen gegenüberliegender Seite eine Tür wegführte.
»Wo bei allen schreienden Höllen bin ich?«
Etwas vor ihm kreischte vor Wut, und im Raum jenseits des Türbogens flammte magisches Feuer gleißend hell auf. Ryld hob Splitter und stürmte in den nächsten Raum, wo er sich inmitten eines heftigen Gefechts wiederfand.
Danifae und Jezz kämpften mit zwei schlanken, schuppigen Teufeln, die fast drei Meter groß waren. Es handelte sich um gräßliche Scheusale, die große Flügel besaßen und mit rasiermesserscharfen Geißeln und stacheligen Schwänzen um sich schlugen, von denen grünes Gift tropfte. Einige kleinere Teufel zischten und strömten hinter den beiden großen Ungeheuern in den Raum, drängten nach vorn und suchten nach einer Möglichkeit, sich in den Kampf einzumischen.
»Die Teufel greifen an!« schrie Jezz.
Der Jaelre kämpfte mit einem geschwungenen Messer in der einen Hand und einer tödlichen weißen Zauberflamme in der anderen. Einer der großen Teufel sprang Jezz an und umging mit seinen Eisenketten die Paraden des Jaelre, so daß der Oberflächen-Elf zu Boden ging. Die Kreatur baute sich über dem benommenen Jezz auf und griff nach dessen Kehle.
Ryld ließ sich nach vorn gleiten, täuschte hoch an, damit der Teufel die Waffe hob, um sein Gesicht zu schützen, doch dann ging er abrupt in die Hocke und schlug nach dessen Bein, um es am Knie abzutrennen. Das riesige Scheusal brüllte vor Schmerz und verlor den Halt, seine Flügel flatterten wild, während schwarzes Blut aus der schrecklichen Wunde spritzte. Ryld kam näher und veränderte seinen Griff, um Splitter so zu halten, daß er das am Boden liegende Monster töten konnte. Aber der Teufel reagierte mit einem Wirbel aus reißenden Klauen und schnappenden Zähnen, während er mit seinem gefährlichen Schwanz so schnell ausholte, daß allein die Stabilität seines von Zwergen geschaffenen Brustpanzers ihn davor bewahrte, von dem Stachel des verwundeten Teufels durchbohrt zu werden.
Ryld parierte wie wahnsinnig, da er um sein Leben kämpfte, während immer mehr Teufel – eine Gruppe von mannshohen Kreaturen, aus deren schuppiger Haut messerscharfe Stacheln herausragten – sich näherten und ihre Mäuler mit den Reißzähnen zu einem höllischen Grinsen verzogen hatten.
»Drow als Mahlzeit!« höhnten sie. »Drow-Herzen zum Nachtisch!«
»Wir müssen hier raus!« schrie Danifae. »Wir können sie nicht aufhalten!«
Sie ließ ihren Morgenstern geschickt und mit viel Kraft wirbeln, um gegen den anderen großen Teufel sowie zwei der kleineren zu kämpfen, die von den Seiten her sich zu nähern versuchten.
»Wir können nirgends hin«, gab Ryld zurück. »Hinter uns befindet sich der Betrachter!«
Er spürte die todbringenden Zauber, die im Raum hinter ihm zum Einsatz kamen, er fühlte die Erschütterungen der Blitze und den Schauder mörderischer Zauber, die seine Seele versengten und ihm eine Gänsehaut bescherten.
So geht es nicht, dachte er. Wir sind in zwei Gruppen aufgeteilt und müssen gegen zwei gefährliche Gegner kämpfen.
Sie mußten sich neu formieren und sich auf einen der beiden Widersacher konzentrieren oder sich zurückziehen und es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal versuchen. Vorausgesetzt, die Bewohner Myth Drannors erlaubten ihnen überhaupt, sich zurückzuziehen. Wahrscheinlicher war, daß sie alle hier sterben würden, umgeben und überrannt von endlosen Heerscharen blutrünstiger Dämonen. Quenthel und Valas waren vermutlich bereits tot.
Genug, ermahnte sich Ryld. Wir sind nicht so weit gereist, um hier geschlagen zu werden!
Er verdoppelte seine Angriffe, begab sich in Reichweite des großen Teufels und jagte Splitters Spitze in den schuppigen Hals der Kreatur. Diese schlug wild nach ihm, lag aber bereits im Sterben, und ihre Zuckungen brachen kleine Stücke Stein heraus, während die Krallen in die Luft schnappten, anstatt Ryld zu zermalmen. Der Waffenmeister machte einen Satz über den Leichnam und stellte sich den kleineren Teufeln, die bereits näherkamen.
Jezz mischte sich wieder in den Kampf ein, zog eine Schriftrolle aus seinem Gürtel und las hastig einen Bannzauber, der mehrere der kleineren Teufel in das infernalische Reich zurückschleuderte, aus dem sie gekrochen waren.
Zwei andere nahmen sofort den Platz ein, der durch ihr Verschwinden entstanden war.
»Wir müssen weg von hier!« rief Jezz. »Der Betrachter ist unser Feind. Diese Teufel sollen uns ablenken!«
Ryld verzog das Gesicht. Wenn sie flohen, dann würde man sie von hinten niederringen. Dennoch wich er zurück zu der Tür, die hinüber zum Betrachter führte. Er betete, daß sich die Kreatur nicht an einer Stelle befand, von der aus sie sie sehen konnte. Widerstrebend zog er sich Schritt für Schritt zurück, da er ungern in einen anderen Kampf eingreifen wollte, solange der eine noch tobte.