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»Zumindest behauptet er das«, meinte Andzrel. »Könnt Ihr ihn in dieser Sphäre vernichten?«

»Nicht sofort. Sie hält ihn für eine Weile fest und umgibt ihn mit einem undurchdringlichen Schild aus magischer Energie. Sie wird sich nach kurzer Zeit auflösen, dann könnt Ihr ihn nach Belieben töten.«

»Dann später«, sagte Andzrel und ließ den gefangenen Nimor auf sich beruhen.

Mit einer Hand griff er nach einer kleinen Phiole an seinem Gürtel und schluckte den Inhalt, den Nimor für einen Heiltrank hielt. Er sah hinüber zum Kampfgetümmel, seine Miene war ausdruckslos, als er den Schlagabtausch betrachtete.

Zal’therra humpelte zu ihm und sagte: »Bereitet einen Vormarsch vor. Mit Nauzhrors Verstärkung können wir das Blatt wenden und diese verfluchten Zwerge und Tanarukks schlagen.« Sie sah den Magier an. »Wie viele Soldaten habt Ihr mitgebracht?«

»Leider nur eine einzige Kompanie. Die Muttermatrone wollte keine weiteren Reserven in einer verlorenen Schlacht riskieren, wenn es schlecht läuft.«

Zal’therra begann zu protestieren, doch Andzrel legte ihr die Hand auf den Arm.

»Nein«, sagte er. »Die Muttermatrone hatte recht. Jetzt, da wir einen gesicherten Rückzug antreten können, müssen wir so viele Häuser wie möglich aus dem Kampf zurückziehen. Die Duergar und die Tanarukks haben gewonnen.«

Nauzhror riß die Augen auf. »Ist es so ernst?«

»Wenn wir schnell sind«, gab Andzrel zurück, »werden wir einen Großteil unserer Soldaten retten können. Wenn wir die wichtigen Häuser aus der Schlacht zurückziehen, können wir uns notfalls kämpfend bis nach Menzoberranzan zurückbewegen. Wir dürfen keine Zeit verlieren, wenn wir Xorlarrin und Tuin’Tarl retten wollen. Fey-Branche ist verloren, und ich habe keine Ahnung, was mit Barrison Del’Armgo ist. Duskryn und Kenafin wurden überrannt. Menzoberranzan darf keinen weiteren Drow mehr verlieren.«

»Euer Rückzug wird das Unvermeidliche nur hinauszögern«, sagte Nimor. »Ihr könnt es nicht aufhalten.«

Andzrel stützte sich auf sein Schwert und warf Nimor einen finsteren Blick zu.

»Wenn ich es recht überlege«, sprach der Waffenmeister, »werde ich ein paar Mann hierlassen, die darauf warten sollen, daß sich die Sphäre auflöst. Ich sehe keinen Grund, ihn auch nur einen Moment länger als nötig leben zu lassen.« Er blickte Nimor kühl in die Augen. »Euer Haus wird den Tag bereuen, an dem es unsere Stadt hinterging, Verräter.«

Nimor versuchte wieder, mit Gewalt die Sphäre zu verlassen, doch es wollte ihm nicht gelingen. Andzrel, Zal’therra und Nauzhror wandten sich ab und folgten den Soldaten in den wiederaufgeflammten Kampf, während einige Wachen sich um die Sphäre herum aufstellten.

»Wir sehen uns in Menzoberranzan«, versprach Nimor den Männern.

Dann wirkte der Mann, der die Gesalbte Klinge genannt wurde, die Macht seines Rings und verschwand aus der Energiekugel in die Schatten, die ihn willkommen hießen.

18

Vier Stunden später stand die Gruppe wieder unter der Bronzemaske Vhaerauns in der Kapelle der Minauth-Feste. Beschädigte und verschmutzte Kettenhemden waren aufwendig gesäubert, gebrochene Glieder ersetzt worden, die Waffenröcke waren gereinigt. Die, die Rucksäcke, Nachtzeug und andere Ausrüstung verloren hatten, führten nun Ersatzausrüstung mit sich, die sie von den Jaelre-Händlern erworben hatten. Zum ersten Mal, seit sie Gracklstugh hinter sich gelassen hatten, fühlte Halisstra sich sauber, ausgeruht und einigermaßen gut für die nächste Phase ihrer Reise vorbereitet. Ihr fehlten das Kettenhemd, das sie als die erste Tochter des Hauses Melarn getragen hatte, und auch der Streitkolben, den ihre Mutter ihr vor einem Jahrhundert gegeben hatte. Aber wenigstens hatte sie noch ihre Leier, und das Kettenhemd und das Schwert von Auzkovyns waren kein völlig nutzloser Ersatz.

Vor allem das Schwert schien eine gute Arbeit zu sein. Eine machtvolle Aura der Heiligkeit umgab es, die es im Griff der Dunkelelfe unangenehm kribbeln ließ. Doch Halisstra vermutete, daß keine böse Kreatur, die mit ihr in Berührung kam, die Klinge würde ertragen können. Angesichts der Tatsache, daß sie in den Abyss hinabsteigen wollte, wo derartige Geschöpfe in großer Zahl auf die Gruppe warten würden, war sie durchaus gewillt, den unangenehmen Zauber des Schwertes wenigstens für eine Weile zu ertragen.

Tzirik hatte eine schwarze Mithral-Plattenrüstung angelegt, die mit grotesken dämonischen Figuren und Goldfiligran verziert war. Ein Streitkolben mit teuflischen Dornen hing an seinem Gürtel, und er trug einen Helm in Form eines Dämonenschädels. Er strahlte Zuversicht und Kraft aus, als hätte er lange auf eine Gelegenheit gewartet, seinem Gott zu dienen und dabei ein Risiko einzugehen, das es wert war, eingegangen zu werden.

»Wie Ihr wißt«, sagte der Priester, »gibt es mehr als eine Möglichkeit, diese Ebene zu verlassen und in andere Dimensionen vorzustoßen. Ich habe mich ausgiebig mit diesem Thema befaßt und bin zu dem Schluß gekommen, daß wir astral projizieren sollten. Wenn wir dann so ...«

»Das würde doch bedeuten, daß wir unseren Körper in komatösem Zustand zurücklassen müßten, während unser Geist in den Abyss reist«, unterbrach Quenthel ihn. »Wie könnt Ihr hoffen, ich würde mich auf so etwas einlassen?«

»Verrat«, grollte Jeggred. »Er will, daß seine Kameraden uns die Kehle aufschlitzen, während unsere Körper wehrlos dalie-gen.«

Der Draegloth trat einen Schritt vor und bleckte seine Fangzähne, um sie dem Priester Vhaerauns zu zeigen.

»Ich habe mich aus zwei Gründen für die astrale Form entschieden, Herrin Baenre«, erwiderte Tzirik und nahm von Jeggred keine Notiz. »Zunächst einmal ist es so sicherer, denn wenn der Geist beim Besuch im Abgrund der Dämonennetze getötet wird, dann ist diese Person nicht tot, sondern würde unversehrt wieder hier erwachen. Immerhin ist es nicht leicht, den Geist zu vernichten. Zweitens bleibt uns keine andere Alternative, so wie ich das sehe. Ich habe bereits versucht, mich körperlich in den Abgrund der Dämonennetze zu versetzen, doch der Zauber hat versagt. Ich glaube, die Barriere, von der der Maskierte Gott sprach, verhindert ein direktes Überwechseln eines stofflichen Körpers in Lolths Reich.«

»Dennoch glaubt Ihr, daß Ihr in der Lage seid, unsere Astralform dorthin zu bringen, wenn das Reich hermetisch versiegelt ist?« fragte Halisstra.

»Ich kenne nur zwei Wege in den Abgrund der Dämonennetze, und wenn der eine nicht funktioniert, dann muß eben der andere funktionieren«, meinte Tzirik schulterzuckend. »Der Maskierte Gott persönlich hat mich angewiesen, Euch hinzubringen, also muß es einen Weg geben. Wenn Euch natürlich ein dauerhaft geöffnetes Tor oder Portal oder etwas anderes bekannt ist, das unsere Welt mit dem Abyss oder gar direkt mit dem Abgrund der Dämonennetze verbindet, dann würdet Ihr davon sicher auch Gebrauch machen können.«

»Beweist mir, daß eine stoffliche Reise nicht funktioniert«, verlangte Quenthel.

»Kommt näher«, sprach Tzirik hinter seiner Maske, und seine Stimme klang auf ironische Weise amüsiert, »und reicht mir die Hand.«

Die Drow kamen näher, faßten einander an den Händen und bildeten einen Kreis um Tzirik. Der trat zwischen Quenthel und Danifae, legte seine linke Hand auf ihre ineinander verhakten Hände und ließ seine rechte frei, da er sie brauchte, um die für den Zauber erforderlichen Gesten zu beschreiben. Er sammelte sich, dann setzte er zu einem donnernden, gewaltigen Gebet an, dessen unheilige Worte die Luft mit fast greifbarer Finsternis erfüllten.

Halisstra paßte auf den Priester auf, um sicher zu sein, daß er den Zauber korrekt wirkte, was er aber offenbar tat – zumindest nach ihrem Verständnis des Zaubers. Einen Moment lang glaubte sie, es würde funktionieren, da die Jaelre-Kapelle um sie herum in Dunst zu versinken schien. Es kam ihr vor, als entschwinde ihr Körper aus dieser Welt, ohne sich auch nur einen Zoll zu bewegen. Doch dann spürte sie durch eine übersinnliche Wahrnehmung ein Hindernis, eine Barriere, die die Gruppe davon abhielt, an einem anderen Ort wieder Gestalt anzunehmen, und die sie fast mit Gewalt in die Minauth-Feste zurückschleuderte. Sie taumelte wie trunken, ihre Sinne waren vollkommen verwirrt.