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Das Licht im Inneren war gedämpft - oder vielleicht, schoss es ihr durch den Kopf, lag es an ihren Augen, die ihr wie der Rest ihres Körpers bald den Dienst versagen würden. Vielleicht war auch dies eine Wirkung des Kontakts mit Exantrum - Verlust der Sehkraft -, oder vielleicht hatte sie an diesem Verlust von dem Moment an gelitten, als sie angefangen hatte zu glauben, ihr Mann hätte eine Geliebte.

Wie klar jetzt alles war. Wie nahtlos Terry Stewarts Beschreibung der männlichen Midlife-Krise sich mit dem zusammenfügte, was Eric Lawton getan hatte. Wie offenkundig jetzt Erics Gründe dafür waren, nicht nur seine Gegenwart zu fälschen, sondern auch seine Vergangenheit. Wie leicht es zu verstehen war, warum er sich seiner ersten Frau, seiner Tochter und dem Rest seiner Familie entfremdet hatte, die zweifellos genau gewusst hatte, womit er sich seinen Lebensunterhalt verdiente. Es war besser, vorzugeben, man hätte keine Familie; besser, das arme Opfer zu spielen; besser,irgendwas zu tun, als sich dazu zu bekennen, dass man ein Wissenschaftler war, der sein Geld damit verdiente, dass er tödliche Waffen entwickelte. Und nicht etwa Kriegswaffen, die von Soldaten gegen Soldaten eingesetzt wurden, sondern Waffen zur Ermordung unschuldiger Zivilisten oder - in den Händen anderer, in den Händen von Terroristen, zum Beispiel - um ein ganzes Volk in die Knie zu zwingen.

Nach dem Gespräch mit Sharon Pasternak wusste Charlie zwei Dinge: Sie wusste, dass Eric - der davon gesprochen hatte, dass sie nicht mehr lang in dieser Gegend leben würden, der von schnellen Autos und Börsengeschäften und Segeljachten geredet hatte - nie mit einem Journalisten Kontakt aufgenommen und auch nie die Absicht gehabt hatte, es zu tun. Er hatte genau das getan, was sie von Anfang an geargwöhnt hatte: Er hatte eine von Biosyn entwickelte Substanz verkauft. Nur war es kein Heilmittel gegen AIDS oder Krebs oder sonst was gewesen, wie sie angesichts des Geldes vermutet hatte. Ob ihn das zu einem schlechten Menschen machte, zu einem fehlgeleiteten oder habgierigen Menschen oder gar zum Teufel selbst, war für Charlie ohne Bedeutung. Denn Eric Lawton war tot, und auch für seinen Tod wusste sie endlich den Grund.

Sie schob sich in einen der steiflehnigen Kirchenstühle und setzte sich. Sie hätte auch niederknien und beten können, aber den Himmel mit Bitten zu bestürmen, darüber war sie hinaus. Für das, woran sie litt, gab es keine Hilfe - weder göttliche noch andere. Und Eric hatte es in dem Moment gewusst, als sie ihm gestanden hatte, zu welchen Niedrigkeiten sie sich in ihrem Argwohn gegen ihn hatte hinreißen lassen. Sie hatte ihm beichten müssen - sie hatte das dringende Bedürfnis gehabt -, als er beim Nachhausekommen triumphierend vom »größten Ver­kaufserfolg in meiner ganzen Karriere« gesprochen hatte. »Warte nur, bis du hörst, wie hoch der Bonus ist, Char! Wie war's mit einer Luxuskreuzfahrt zur Feier des Ereignisses? Oder sollen wir einfach unser ganzes Leben umkrempeln? Das können wir uns jetzt leisten. Wir können uns alles leisten. Es tut mir wirklich Leid, dass ich in letzter Zeit immer so daneben war.«

Da hatte sie gewusst, dass ihre Befürchtungen unbe­gründet gewesen waren, dass es keine andere Frau in seinem Leben gab.

Und in der Hoffnung auf Absolution von der Sünde des Zweifels an ihm hatte sie ihm alles gestanden.

»Du lieber Gott, Char, da waren wir doch schon einmal. Ichhabe keine Geliebte«, hatte er mit einer Ernsthaftigkeit gesagt, die es in Verbindung mit der Freude, mit der er ihr von seinem Glück erzählt hatte, gar nicht zugelassen hatte, an seinen Worten zu zweifeln. »Du bist die Einzige ... du warst immer die Einzige. Wie konntest du etwas anderes glauben? Ich weiß, ich war zerstreut und unaufmerksam und bin oft erst spät nach Hause gekommen. Aber das war alles wegen dieses Geschäfts, und du darfst niemals etwas anderes glauben -niemals, Char! Für dich habe ich das alles getan. Damit wir uns ein besseres Leben leisten können. Für uns, für unsere Kinder. Etwas Besseres als die Vorstadt. Du verdienst es. Ich verdiene es. Und jetzt, wo diese Sache, auf die ich mich so sehr konzentriert habe, geklappt hat . Ich wollte aus Aberglauben nicht darüber sprechen, ich hatte Angst, dann würde die Sache platzen. Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, dass es dich so fertig machen würde. Komm zu mir, Char. Mensch, Baby, es tut mir Leid.«

Am Klang seiner Stimme hatte sie gehört, dass er die Wahrheit sagte. Der Klang seiner Stimme und der Ausdruck seiner Augen hatten ihr die tröstliche Gewiss­heit gegeben, dass ihre Ängste unbegründet waren. Und so hatte sie sich in dieser Nacht ganz seiner Liebe überlassen und später, bei Morgengrauen, ihre restlichen Sünden gebeichtet. Sie schuldete ihm diese Beichte, fand sie. Nur indem sie ihm offen sagte, wie tief sie gesunken war, würde sie sich selbst vergeben können.

»Aber als ich dann in deinem Badezimmer die Flasche mit Hustensaft zu Boden geworfen habe, war Schluss!« Sie lachte über sich selbst und ihre albernen Ängste. »Es war, als hätte ich plötzlich das Bewusstsein wiedererlangt, als ich da in dieser Robitussin-Pfütze stand.«

Er lächelte und küsste ihre Fingerspitzen. »Robitussin? Char! Was war denndas?«

»Der Wahnsinn«, antwortete sie. »Ich war so sicher. Ich dachte, irgendwo muss es einen Beweis geben. Für irgendwas. Also habe ich überall gesucht. Sogar in deinem Apothekerschränkchen. Und da ist mir die Flasche mit dem Hustensaft aus der Hand gefallen und kaputt­gegangen. Es tut mir Leid.«

Er lächelte immer noch, aber jetzt - in der Rückschau, in der Kapelle in San Juan Capistrano - konnte Charlie erkennen, wie starr dieses Lächeln geworden war. Und sie erkannte jetzt auch, wie er versuchte hatte, sich Klarheit zu verschaffen.

»In meinem Bad war doch gar kein Hustensaft, Char. Du musst in -«

»Doch. Du hast es wahrscheinlich nur vergessen. Das Etikett war uralt. Wahrscheinlich ist es gut, dass die Flasche zerbrochen ist. Es heißt doch immer, Medi­kamente, die älter als sechs Monate sind, soll man nicht mehr nehmen.«

Hatte sein Mund angespannt gewirkt? War das starre Lächeln geblieben? Er sagte: »Ja, ich glaube, da hast du Recht.«

»Tut mir trotzdem Leid, dass ich die Flasche zerbrochen habe.«

Hatte er da den Blick abgewendet? »Und wie hast du die Bescherung wieder sauber gemacht?«

»Auf Händen und Knien, um Buße zu tun.«

Hatte er gelacht? Künstlich oder natürlich? »Hoffentlich hattest du wenigstens Gummihandschuhe an.«

»Nein, ich wollte meine Sünden auf der Haut spüren. Warum? War es in Wirklichkeit gar kein Hustensaft? Hast du vielleicht Gift in der Hustensaftflasche versteckt, für den Fall, dass du mal Lust haben solltest, deine Frau um die Ecke zu bringen?« Sie hatte ihn gekitzelt, um eine Antwort aus ihm herauszulocken. Und sie hatten beide gelacht und begonnen, sich noch einmal zu lieben.

Er hatte nicht gekonnt.

»Ich werde eben alt«, sagte er. »Nach vierzig geht's bergab. Tut mir Leid.«

Und von da an war es immer schlimmer geworden. Er war häufiger weg als vorher; er war wieder geistes­abwesend und verschlossen - in stärkerem Maß als je zuvor; er sperrte sich ein und verbrachte Stunden am Telefon; er investierte Tage, wie es schien, um über das Internet zu »recherchieren«, wie er ihr erklärte, als sie fragte. Und schließlich, als eines Abends das Telefon klingelte, hörte sie ihn sagen: »Heute Abend kann ich nicht, okay? Meiner Frau geht es nicht gut«, und ihr Argwohn erwachte von neuem.

Zwei Tage später fand er sie bei der Heimkehr von der Arbeit unter einer Wolldecke auf dem Sofa liegend, erschöpft von Kopf- und Gliederschmerzen, die sie sich ihrer Meinung nach wegen einer übertrieben anstrengen­den Wanderung auf dem Saddleback Mountain zugezogen hatte. Sie schlief und erwachte nicht, als er kam. Erst als er neben dem Sofa niederkniete, fuhr sie in die Höhe.