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»Nicht angeblich«, korrigierte Malcolm automatisch. Diese postkoitalen Dialoge waren von einer Eintönigkeit, die ihn zu deprimieren begann.

»Ach was? Tatsächlich? Ich hätte gesagt, dieser komische König, wie heißt er gleich wieder, ist dir viel wichtiger als ich.«

Nun, er ist auf jeden Fall weit interessanter, dachte Malcolm, sagte aber: »Na, hör mal! Das bedeutet für uns, Geld auf der hohen Kante zu haben.«

»Wir brauchen kein Geld auf der hohen Kante«, entgegnete sie. »Das hab ich dir bestimmt schon hundert Mal gesagt. Wir haben das -«

»Außerdem«, fiel er ihr hastig ins Wort, denn je weniger zwischen ihnen zum Thema von Betsys Erwartungen gesagt wurde, desto klüger. »Außerdem ist es eine nützliche Erfahrung. Wenn das Buch erst mal fertig ist, werden Interviews, öffentliche Auftritte und Vorträge auf mich zukommen. Ich brauche die Übung. Ich brauche« - ein entwaffnendes Lächeln in ihre Richtung - »mehr als ein Eine-Frau-Publikum, mein Schatz. Stell dir nur mal vor, wie das sein wird, Bets. Cambridge, Oxford, Harvard, die Sorbonne. Meinst du, Massachusetts wird dir gefallen? Und Frankreich?«

»Bernie hat wieder Probleme mit dem Herzen, Male«, sagte Betsy und strich mit dem Finger den Türpfosten hinauf.

»Wirklich?«, sagte Malcolm erfreut. »Der arme alte Bernie. Er ist schon ein armer Teufel, Bets.«

Das Problem Bernie musste natürlich geregelt werden. Aber Malcolm vertraute darauf, dass Betsy Perryman der Aufgabe gewachsen war. Beschwingt von Sex und billigem Champagner, hatte sie ihm einmal erklärt, jede ihrer vier Ehen sei nach der jeweils vorausgegangenen ein Schritt nach oben gewesen, und man brauchte wahrhaftig kein Genie zu sein, um zu wissen, dass ein Schritt aus einer Ehe mit einem unverbesserlichen Alkoholiker - mochte er noch so gutmütig sein - in eine Beziehung mit einem Oberschullehrer, der auf dem besten Weg war, mit seiner Korrektur der mittelalterlichen Geschichte das ganze Land aufhorchen zu lassen, zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung war. Folglich konnte man sich darauf verlassen, dass Betsy die Sache mit Bernie regeln würde. Es war nur eine Frage der Zeit.

Scheidung kam selbstverständlich nicht in Frage. Malcolm hatte Betsy von Anfang an klar gemacht, dass er ihr bei allem heißen, leidenschaftlichen, wahnsinnigen Verlangen und so weiter, mit ihr zusammenzuleben, niemals zumuten würde, in die bescheidenen Verhältnisse abzusteigen, die das Einzige waren, was er ihr derzeit bieten konnte. Er würde es ihr nicht nur nicht zumuten, er würde es ihr strikt verbieten. Betsy - seine geliebte Betsy - verdiene so viel mehr, als er ihr, so wie es im Augenblick um ihn bestellt war, bieten könne. Aber wenn erst der Erfolg sich einstellt, liebster Schatz ... oder wenn, was Gott verhüten möge, Bernie etwas zustoßen sollte ... Dies, hoffte er, würde ausreichen, um in der schwammigen grauen Masse ihres Gehirns ein Licht aufgehen zu lassen.

Malcolm verspürte keinerlei Schuldgefühle bei dem Gedanken an Bernie Perrymans Hinscheiden. Gewiss, sie kannten einander seit ihrer Kindheit, da ihre Mütter Jugendfreundinnen gewesen waren. Aber am Ende der Pubertät hatten ihre Wege sich getrennt, da sein völliges Versagen bei der Schulabschlussprüfung den armen Bernie zu einem Leben auf dem Hof der Familie verbannt hatte, während Malcolm ein Universitätsstudium aufge­nommen hatte. Und danach - nun ja, Unterschiede im Bildungsniveau machten es in der Tat schwierig, mit Leuten zu kommunizieren, denen es an gewissen Grundlagen fehlte, auch wenn man einmal mit ihnen befreundet gewesen war. Im Übrigen hatte Malcolm bei der Heimkehr von der Universität sehr schnell erkannt, dass sein alter Freund seine Seele an den Black-Bush­Teufel verkauft hatte. Und was hätte er davon gehabt, eine Freundschaft mit dem berüchtigtsten Säufer der Umgebung zu erneuern? Trotzdem, sagte sich Malcolm gern, hatte er Bernie ein gewisses Mitgefühl nicht verweigert. Jahrelang war er einmal im Monat auf den Hof gekommen - natürlich immer nur im Schutz der Dunkelheit -, um mit seinem früheren Freund Schach zu spielen und sich seine whiskyseligen Betrachtungen über ihre Kindheit und das, was hätte sein können, anzuhören.

Auf diese Weise hatte er zum ersten Mal vom »Erbe« gehört, wie Bernie es bezeichnet hatte. Und nur um an das »Erbe« heranzukommen, bumste er seit zwei Jahren unermüdlich Bernies Ehefrau. Betsy und Bernie hatten keine Kinder. Bernie war der Letzte seiner Familie, also würde das Erbe Betsy zufallen. Und Betsy würde es Malcolm überlassen.

Das allerdings wusste sie noch nicht. Aber sie würde es bald genug erfahren.

Malcolm lächelte, als er daran dachte, wie gut Bernies Erbe seiner Karriere tun würde. Seit nahezu zehn Jahren schrieb er mit fanatischem Eifer an dem Werk, dem er den SpitznamenRichies Reinwaschung gegeben hatte - seine Ehrenrettung Richards III. -, und wenn sich das Erbe erst mal in seinen Händen befand, brauchte er sich um seine Zukunft keine Sorgen mehr zu machen. Auf der Fahrt zum Bosworth Field, wo die australische Gruppe ihn erwartete, deklamierte er laut den ersten Satz des vorletzten Kapitels seinesopus magnum: »Bei dem angeblichen Verschwin­den Eduards, des Lord Bastard, Grafen von Pembroke und March, und Richards, des Herzogs von York, beginnen die Historiker traditionell, aus Quellen zu schöpfen, die von ihrem Eigeninteresse verunreinigt sind.«

Wunderbar, diese Formulierung, dachte er. Und das Beste daran war, dass es auch noch die Wahrheit war.

Der Reisebus war schon da, als Malcolm auf den Parkplatz bei Bosworth Field brauste. Die Fahrgäste waren törichterweise ausgestiegen, anscheinend alles Frauen und niederschmetternd betagt. Wie eine Herde Schafe standen sie fröstelnd zusammengedrängt im Wind, der mit Sturmstärke tobte. Als Malcolm aus seinem Wagen stieg, löste sich eine der Frauen aus der Herde und ging mit großen Schritten auf ihn zu. Sie war kräftig gebaut und wesentlich jünger als die anderen, was Malcolm zu der Hoffnung veranlasste, es werde ihm gelingen, sich mit einer gehörigen Portion Charme aus der Affäre zu ziehen. Aber dann bemerkte er ihr kurz gestutztes Haar, die plumpen Fesseln und die strammen Waden . ganz zu schweigen von dem Klemmbrett, das sie im Gehen gegen ihre offene Hand schlug. Eine lesbische Fremdenführerin, die eine Stinkwut im Bauch hat, dachte er. Das kann ja heiter werden.

Aber er erwartete sie mit einem strahlenden Lächeln.

»Es tut mir wirklich Leid«, flötete er. »Ich hatte Ärger mit dem Wagen.«

»Ich will Ihnen mal was sagen, Kumpel«, begann sie im breitesten australischen Slang, »wenn wir von >Der roman­tische Zauber Großbritanniens< für eine Führung um zwölf Uhr mittags bezahlen, dann erwarten wir, dass die beschissene Führung auch Punkt zwölf Uhr beginnt. Wieso kommen Sie zu spät? Verdammt noch mal, hier draußen ist es ja wie in Sibirien. Man kommt fast um vor Kälte. Los, fangen wir endlich an.«

Sie machte auf dem Absatz kehrt und winkte ihre Schützlinge zum Rand des Parkplatzes, wo der Fußweg rund um das Schlachtfeld begann.

Malcolm rannte der Truppe hinterher. Es ging um sein Trinkgeld, da musste er sich bemühen, seine Säumigkeit durch eine glanzvolle Zurschaustellung seines Wissens wettzumachen.

»Ja, ja«, sagte er mit geheuchelter Jovialität, als er die Reiseleiterin eingeholt hatte. »Es ist wirklich ein unglaub­licher Zufall, dass Sie Sibirien erwähnen, Miss -?«

»Sludgecur«, sagte sie kurz.

»Ah. Ja. Miss Sludgecur. Natürlich. Wie ich eben sagte, es ist ein unglaublicher Zufall, dass Sie Sibirien erwähnen. Auf diesem Stück englischen Bodens haben wir nämlich die höchste Erhebung westlich des Ural. Darum leiden wir hier unter diesen Moskauer Witterungsverhältnissen. Sie können sich vorstellen, wie es im fünfzehnten Jahrhundert gewesen sein muss, als -«