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»Wir wollen keinen Kurs in Meteorologie«, blaffte sie. »Fangen Sie endlich an, ehe meine Damen hier sich den Arsch abfrieren.«

Ihre Damen kicherten und stemmten sich, aneinander geklammert, gegen den Wind. Sie hatten die runzligen Apfelbäckchen Achtzigjähriger und betrachteten Miss Sludgecur mit der ehrfürchtigen Bewunderung von Kindern, die erlebt haben, dass ihre Eltern es mit jedem aufnehmen und ihn ohne viel Federlesens niederstrecken.

»Ja, natürlich«, sagte Malcolm. »Das Wetter ist der Hauptgrund dafür, dass das Schlachtfeld im Winter geschlossen ist. Wir haben für Ihre Gruppe eine Aus­nahme gemacht, weil die Damen Richardianerinnen sind, und wenn Richardianer Bosworth aufsuchen, kommen wir ihnen gern entgegen. Das ist die beste Art, dafür zu sorgen, dass die Verbreitung der Wahrheit gefördert wird, da sind Sie doch sicher meiner Ansicht.«

»Was, zum Teufel, labern Sie da?«, fragte Miss Sludgecur. »Richa-was?«

Woran Malcolm hätte merken müssen, dass der Rundgang nicht so glatt verlaufen würde, wie er gehofft hatte. »Ri char dianer«, erklärte er und strahlte die alten Frauen an, die um Miss Sludgecur herumstanden. »Die Menschen, die an die Unschuld Richards III. glauben.«

Miss Sludgecur starrte ihn an, als wäre er von einem anderen Stern. »Was? Wir schauen uns hier den roman­tischen Zauber Großbritanniens an, Kumpel. Ich sage nur, Jane Eyre, Mr. Rochester, Heathcliff und Cathy, Maxim de Winter. Liebe auf dem Schlachtfeld heißt das Motto von heute, und wir wollen was sehen für unser Geld. Ist das klar?«

Einzig um ihr Geld ging es. Nur weil sie bezahlten, war Malcolm hier. Aber, Herrgott noch mal, wussten diese Frauenzimmer auf der Suche nach dem romantischen Zauber überhaupt, wo sie sich hier befanden? Wussten sie - interessierte es sie? -, dass der letzte König, der in einer kriegerischen Schlacht fiel, nur einen Kilometer von ihrem jetzigen Standort entfernt von seinem Schicksal ereilt worden war? Und dass dieses Schicksal ihn infolge von Aufstand, Verrat und Treulosigkeit ereilt hatte? Offensichtlich nicht. Sie waren nicht zu Richards Unterstützung hergekommen. Sie waren hierher gekommen, weil es Teil ihrer Pauschalreise war. Die grüblerische Liebe, die hoffnungslose Liebe und die treue Liebe waren bereits abgehakt. Nun sollte er ihnen eine Version der tödlichen Liebe aus dem Ärmel schütteln, die sie hinreichend begeistern würde, um am Ende des Nachmittags ein paar Pfund locker zu machen. Na schön. Das würde er gerade noch schaffen.

Betsy kam Malcolm erst wieder in den Sinn, als er an der ersten Markierungsmarke des Rundgangs Halt machte, dort, wo Richards Heer zu Beginn der Schlacht gestanden hatte. Während seine Schäfchen das Banner mit dem weißen Eber fotografierten, das an der Fahnenstange vom Wind gepeitscht wurde, blickte Malcolm über sie hinweg zu den heruntergekommenen Gebäuden der Windsong Farm, die auf der Höhe des nächsten Hügels zu erkennen waren. Er konnte das Haus sehen und auch Betsys Wagen im Hof. Den Rest konnte er sich vorstellen - und seinen diesbezüglichen Fantasien nachhängen.

Bernie hatte bestimmt nicht gemerkt, dass seine Frau dreieinhalb Stunden gebraucht hatte, um in Market Bosworth ein Päckchen Hackfleisch zu besorgen. Es war schließlich fast halb eins, da hockte er zweifellos wie gewöhnlich am Küchentisch und versuchte, eines seiner Formel-I-Modellrennautos zusammenzubasteln. Die ein­zelnen Teile würden ausgebreitet vor ihm liegen, und er hatte es vielleicht geschafft, eines an ein anderes zu kleben, bevor er den Tatterich bekommen hatte und ihn mit einer Dosis Black Bush beruhigen müsste. Ein Glas Whisky hatte garantiert zum nächsten geführt, und wie immer würde es damit geendet haben, dass er nicht einmal mehr die Tube mit dem Kleber halten konnte.

Es sprach alles dafür, dass er bereits volltrunken über seinem Modellauto zusammengesunken war. Es war Samstag, da müsste er eigentlich seiner Arbeit in der St.- James-Kirche nachgehen, um diese für den Sonntags­gottesdienst zu schmücken. Aber dem armen alten Bernie würde erst einfallen, was für einen Tag man schrieb, wenn Betsy nach Hause kam und neben ihm das Hackfleisch mit solcher Wucht auf den Tisch knallte, dass es ihn aus seinem Rausch riss.

Wenn er dann mit einem Ruck den Kopf hob, würde Betsy den Abdruck des Autonamens auf seiner Haut sehen und zu Recht angewidert sein. Malcolms Umarmungen noch frisch im Gedächtnis, würde sie die Ungerechtigkeit ihrer Situation um so bitterer empfinden.

»Warst du schon in der Kirche?«, würde sie Bernie fragen. Es war die einzige Arbeit, die er hatte, da seit acht Generationen kein Perryman mehr Hof und Land be­wirtschaftet hatte. »Bei Pater Naughton kommst du mit solchen Mätzchen nicht durch, Bernie. Der lässt sich das nicht gefallen, nur weil du ein Perryman bist. Du musst dich heute um die Kircheund den Friedhof kümmern. Und es wird langsam Zeit, dass du's anpackst.«

Bernie wurde nie aggressiv, wenn er betrunken war, und er würde es auch jetzt nicht werden. Er würde sagen:

»Ich geh ja schon, mein kleines Mamilein. Aber Durst hab ich zum Gotterbarmen. Meine Kehle ist so trocken wie ein Sandhaufen, Mami-Mädel.«

Er würde sie mit dem gleichen gutmütigen Lächeln anschauen, mit dem er in Blackpool, wo sie einander das erste Mal begegnet waren, ihr Herz gewonnen hatte. Und das Lächeln würde sie trotz Malcolms vorangegangener Minnedienste an ihre Pflicht als treu sorgende Ehefrau erinnern. Aber das war völlig in Ordnung. Es lag überhaupt nicht in Malcolm Cousins' Interesse, dass Betsy Perryman ihre Pflicht versäumte.

Sie würde ihren Mann also fragen, ob er seine Tabletten genommen habe, und da Bernie Perryman außer Trinken nichts tat, wenn man ihn nicht mindestens zehnmal daran erinnerte, würde er sie natürlich nicht genommen haben. Daraufhin würde Betsy sie holen und die vorgeschriebene Dosis in ihre offene Hand schütten. Und Bernie würde gehorsam seine Tabletten nehmen und dann aus dem Haus torkeln - wie immer ohne Jackett -, um sich zur St.- James-Kirche und seiner Arbeit zu begeben.

Betsy würde ihm nachrufen, er solle seine Jacke mitnehmen, aber er würde abwinken. Sie würde schreien:

»Bernie! Du holst dir noch den Tod -«, und bei dem Gedanken, der ihr bei diesen Worten durch den Kopf schoss, abrupt innehalten. Denn eben Bernies Tod war nötig, damit sie für immer an der Seite ihres Geliebten sein konnte.

Sie würde also den Blick zu dem Fläschchen mit den Tabletten in ihrer Hand senken und das Etikett lesen: >Digitoxin. Nehmen Sie ohne Absprache mit Ihrem Hausarzt nicht mehr als eine Tablette täglich ein.<

An diesem Punkt würde sie sich vielleicht auch der Erklärung des Arztes erinnern: »Es ist wie Digitalis. Davon haben Sie schon gehört, nicht? Eine Überdosis würde seinen Tod bedeuten, Mrs. Perryman, darum müssen Sie immer Acht geben und dafür sorgen, dass er niemals mehr als eine Tablette einnimmt.«

Mehr als eine Tablette, würde es ihr in den Ohren dröhnen. Sie würde sich des morgendlichen Beischlafs mit Malcolm erinnern. Sie würde eine Tablette aus dem Fläschchen schütteln und sie nachdenklich betrachten. Endlich würde ihr eine Möglichkeit einfallen, die Zukunft zurechtzubiegen.

Vergnügt wandte Malcolm den Blick vom Haus der Perrymans ab und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Richardianerinnenin spe. Alles ging nach Plan.

»Von hier aus«, verkündete er der Gruppe von Frauen, die trotz ihrer Betagtheit mit begierigem Eifer die Liebe auf dem Schlachtfeld suchten, »können wir im Nordosten das Dorf Sutton Cheney erkennen.«

Aller Köpfe wandten sich in die besagte Richtung. Möglich, dass sie sich, wie die Reiseleiterin so drastisch erklärt hatte, die alten Ärsche abgefroren hatten, aber sie waren konzentriert bei der Sache, das musste man ihnen lassen. Außer dieser Sludgecur, deren Arsch bestimmt in einem wollenen Schlüpfer steckte. Sie sah ihn so herausfordernd an, als wollte sie sagen, na, nun versuch mal, aus der Schlacht von Bosworth eine Romanze zu machen. Das wäre ja gelacht, dachte er und nahm den Fehdehandschuh auf. Er würde ihnen von romantischer Liebe erzählen. Und er würde ihnen eine Lektion in Geschichte geben, die sie so schnell nicht vergessen würden. Diese australischen Omas waren vielleicht keine Richardianerinnen gewesen, als sie am Bosworth Field angekommen waren, aber sie würden überzeugte Jünge­rinnen sein, wenn sie wieder abfuhren. Und sie würden in den australischen Busch heimkehren und ihren Enkeln berichten, dass Malcolm Cousins -der Malcolm Cousins - ihnen zum ersten Mal die Augen dafür geöffnet hatte, welch großes Unrecht die Welt am Andenken eines redlichen Königs begangen hatte.