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»Die Prinzen im Tower«, ließ eine andere Stimme sich vernehmen. »Das sind doch die zwei kleinen Jungs, die -«

»Genau die«, bestätigte Malcolm feierlich. »Richards leibliche Neffen.«

Der König habe zweifellos gewusst, dass Elisabeth Woodville, getreu ihrer Gewohnheit, sich die Butter nicht vom Brot nehmen zu lassen, Heinrich Tudor die Hand ihrer ältesten Tochter versprochen hatte für den Fall, dass er die englische Krone für sich erobern sollte. Ebenso habe Richard gewusst, dass alle Männer, Frauen und Kinder, in deren Adern nur ein Tropfen York'schen Blutes floss, Gefahr liefen - als mögliche Anwärter auf den Thron -, beseitigt zu werden, falls Heinrich Tudor die Krone Englands erobern sollte. Und zu diesen Bedrohten gehörten auch Elisabeth Woodvilles Kinder.

Er selbst war dem Erbfolgegesetz gemäß der rechtmäßige Herrscher über das Land. Als direkter - und legitimer - Abkömmling Eduards III. hatte er nach dem Tod seines Bruders Eduard IV. den Thorn bestiegen, nachdem bekannt geworden war, dass der sittenlose Eduard lange vor seiner Heirat mit Elisabeth Woodville heimlich einer anderen Frau ein Heiratsversprechen gegeben hatte. Dieses Versprechen, das vor einem Bischof der Kirche abgelegt worden war, besaß die gleiche Rechtsgültigkeit wie eine mit Pracht vor tausend Zuschauern vollzogene Eheschließung. Dies machte Eduards spätere Heirat mit Elisabeth Woodville ungültig und ihre gemeinsamen Kinder zu Bastarden.

Henry Tudor hatte natürlich gewusst, dass die Kinder durch das Gesetz für illegitim erklärt worden waren und dass im Fall seines Sieges über Richard die Ehe mit der illegitimen Tochter eines toten Königs nicht dazu bei­tragen würde, seinen wackeligen Anspruch auf Englands Thron abzusichern. Er hätte sich also gezwungen gesehen, etwas zu unternehmen.

König Richard seinerseits wäre das klar gewesen, sobald er erfahren hätte, dass Tudor dem Mädchen die Ehe versprochen hatte. Und er hätte gewusst, dass die Legitimierung Elisabeths von York zugleich die Legiti­mierung aller ihrer Schwestern - und Brüder - bedeuten würde. Man konnte nicht das älteste Kind eines toten Königs für legitim erklären und gleichzeitig behaupten, seine Geschwister wären Bastarde.

Malcolm legte eine bedeutungsschwangere Pause ein. Er wartete, ob die begierigen alten Damen, die um ihn versammelt waren, reagieren würden. Sie lächelten und nickten und schenkten ihm freundliche Blicke, aber keine sagte ein Wort. Also half Malcolm ihnen auf die Sprünge.

»Ihre Brüder«, fuhr er geduldig und langsam fort, um sicher zu sein, dass sie jedes romantische Detail aufnahmen. »Wenn Heinrich Tudor Elisabeth von York vor seiner Heirat mit ihr für legitim erklären ließ, würden auch ihre Brüder für legitim erklärt werden. Und dann würde der ältere der beiden Jungen -«

»Ach, du lieber Gott!«, rief eine Frau. »Dann wäreer nach Richards Tod der rechtmäßige König gewesen.«

Gott segne dich, mein Kind, dachte Malcolm. »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen!«, rief er.

»Jetzt hören Sie mal her, Kumpel«, fuhr Miss Sludgecur dazwischen, als es in ihrem spinnwebverhangenen Hirn plötzlich licht zu werden schien. »Die Geschichte kenne ich. Richard hat die armen kleinen Kerle umbringen lassen, während sie unschuldig im Tower saßen.«

Wieder ein Fisch an Tudors Angel, dachte Malcolm. Fünfhundert Jahre waren vergangen, und dieser intrigante walisische Emporkömmling führte sie immer noch alle mit Erfolg an der Nase herum.

Die Geduld in Person, fuhr er mit seiner Erklärung fort. In der Tat behaupte man, der Tradition folgend, seit langem, Richard III. habe die Prinzen im Tower - die beiden Söhne Edwards IV., seine Neffen - ermorden lassen, um seine Position als König zu sichern. Aber niemand habe den Mord bezeugen können, und im Übrigen habe Richard, der nach Recht und Gesetz herrschte, keinen Anlass gehabt, die Knaben zu töten. Im Gegenteil, da er keinen direkten Erben hatte - sein leiblicher Sohn war ja gestorben, wie die Damen eben gehört hatten -, hätte er doch das Recht des Hauses York auf den englischen Thron nicht besser absichern können, als wenn er dafür gesorgt hätte, dass die beiden Prinzen für legitim erklärt würden - natürlich erst nach seinem eigenen Tod. Eine solche Entscheidung konnte damals nur durch päpstlichen Erlass erfolgen, aber Richard hatte zwei Beauftragte nach Rom entsandt, und warum hätte er das tun sollen, wenn nicht, um für die Legitimierung der beiden Knaben Sorge zu tragen, denen durch das sittenlose Verhalten ihres Vaters alle angestammten Rechte geraubt worden waren?

»Es gab tatsächlich Gerüchte, die Knaben seien tot.«

Malcolm bemühte sich um einen liebenswürdigen Ton.

»Aber diese Gerüchte kamen interessanterweise erst unmittelbar vor Heinrich Tudors Invasion in England in Umlauf. Er wollte König werden, aber er hatte keinerlei rechtlichen Anspruch auf den Thron. Deshalb musste er den regierenden Monarchen in Verruf bringen. Was hätte wirkungsvoller sein können, als das Gerücht auszustreuen, dass die Prinzen - die aus dem Tower verschwunden waren - tot seien? Und nun stelle ich Ihnen eine Frage, meine Damen: Was, wenn sie nicht tot waren?«

Anerkennendes Gemurmel erhob sich in der Gruppe. Malcolm hörte eine der Alten sagen: »Hübsche Augen hat er«, und folgte mit dem Blick dem Klang der Stimme. Sie sah aus wie seine Großmutter. Und schien gut betucht zu sein. Er versprühte noch ein paar mehr Spritzer seines Charmes.

»Angenommen, Richard selbst hatte die beiden Knaben aus dem Tower holen lassen, um sie zum Schutz vor einem Aufruhr in Sicherheit zu bringen? Er wusste, dass die beiden in große Gefahr geraten würden, wenn Heinrich Tudor in Bosworth Field siegte. Tudor hatte sich mit ihrer Schwester verlobt. Um sie heiraten zu können, würde er sie für legitim erklären lassen müssen. Damit aber wären für die beiden Prinzen erneut ihre Rechte wieder gültig geworden, und Eduard, der Ältere, wäre der rechtmäßige Thronfolger gewesen. Das konnte Tudor nur verhindern, indem er die beiden ausschaltete. Für immer.«

Malcolm machte eine Pause, um das wirken zu lassen. Er beobachtete, wie die Schar grauer Köpfe sich in Richtung Sutton Cheney drehte. Dann zum Tal im Norden, wo an der Fahnenstange das Banner der treulosen Stanleys flatterte. Dann hinüber zur Höhe des Ambion Hill, wo der gnadenlose Wind Richards Weißen Eber peitschte. Dann den Hang abwärts in Richtung der Eisenbahngleise, wo einst Tudors Söldner sich zu einer dürftigen Front aufgereiht hatten. Richards Truppen an Zahl und Waffen weit unterlegen, hatten sie auf die Entscheidung der Stanleys gewartet: für Richard oder gegen ihn. Und wenn die Stanleys sich nicht auf Tudors Seite schlügen, wäre die Schlacht verloren.

Die Grauköpfe, stellte Malcolm fest, fraßen ihm aus der Hand. Aber Miss Sludgecur war nicht so leicht einzu­wickeln. »Wie hätte Tudor die beiden umbringen sollen, wenn sie nicht mehr im Tower waren?« Sie hatte ange­fangen, sich mit den Händen auf die Arme zu klopfen, und wünschte dabei zweifellos, sie könnte sein Gesicht bearbeiten.

»Er hat sie nicht umgebracht«, erwiderte Malcolm freundlich, » wenn auch das Verbrechen allenthalben seine machiavellistischen Spuren trägt. Nein, Tudor hatte nicht unmittelbar damit zu tun. Die Situation ist leider um einiges hässlicher. Wollen wir weitergehen, meine Damen, und dabei unser Gespräch fortsetzen?«

»Der Hintern ist auch ganz knackig«, murmelte eine aus der Gruppe. »Ein richtiger Wonneproppen, der Junge.«

Ah ja, er hatte sie in der Tasche. Malcolm war begeistert von seinen Verführungstalenten.

Er wusste, dass Betsy ihn vom Haus aus beobachtete, aus dem Schlafzimmer im ersten Stock, von dessen Fenster aus sie das Schlachtfeld sehen konnte. Ausgeschlossen, dass sie sich das nach ihrem gemein­samen Morgen versagte. Sie würde beobachten, wie Malcolm seine kleine Schar von Schauplatz zu Schauplatz lotste; sie würde wahrnehmen, dass die Frauen förmlich an seinen Lippen hingen; und sie würde daran denken, wie sie selbst keine zwei Stunden zuvor an ihm gehangen hatte. Und der Kontrast zwischen ihrem versoffenen Trottel von Ehemann und ihrem von männlicher Kraft strotzenden Geliebten würde sie intensiv und schmerzlich beschäftigen.