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Sie würde erkennen, welch eine Verschwendung es war, ihr Leben mit Bernie Perryman zuzubringen. Sie war, würde sie sich sagen, vierzig Jahre alt und stand in der Blüte ihres Lebens. Sie verdiente etwas Besseres als Bernie. Sie verdiente einen Mann, der Gottes Plan, als er Mann und Frau erschuf, zu würdigen wusste. Gott hatte die Frau aus der Rippe des Mannes geschaffen und damit anschaulich gemacht, dass Frauen und Männer untrennbar miteinander verbunden waren: Die Frauen gewannen Form und Substanz durch ihre Männer, lebten ihr Leben im Dienst ihrer Männer und wurden zum Lohn dafür von ihren Männern mit ihrer überlegenen Körperkraft beschützt und behütet. Aber Bernie Perryman sah immer nur eine Hälfte der Gleichung. Sie - Betsy - hatte für ihn zu schuften und für sein seelisches und leibliches Wohl zu sorgen. Er - Bernie - brauchte nichts zu tun. Gut, ab und zu unternahm er einen schwachen Versuch, mit ihr zu schlafen, wenn er gerade mal in Stimmung war und ihn lange genug hochkriegte. Aber der Whisky hatte ihn längst aller Fähigkeit beraubt, eine Frau zu befriedigen. Und was das Verständnis für ihre feineren Bedürfnisse und seine Pflicht, sie zu stillen, betraf - das konnte man völlig vergessen.

Malcolm stellte sich Betsy gern so vor: oben im sexlosen Schlafzimmer ihres Hauses, voll des gerechten Zorns gegen ihren Ehemann. Aus diesem Zorn würde die Erkenntnis erwachsen, dass er, Malcolm Cousins, der Mann war, dem sie bestimmt war, und sie würde erkennen, dass alle anderen Beziehungen in ihrem Leben nur das Vorspiel zu der innigen Verbindung mit ihm gewesen waren. Sie und Malcolm, würde sie folgern, waren in jeder Hinsicht füreinander geschaffen.

Während sie ihn draußen auf dem Schlachtfeld beobachtete, würde sie sich ihrer ersten Begegnung erinnern und des Feuers, das vom ersten Tag an, als Betsy im Sekretariat der Schule zu arbeiten angefangen hatte, zwischen ihnen loderte. Sie würde den heißen Funken spüren wie damals, als Malcolm: »Bernie Perrymans Frau?« gesagt und sie mit unverhohlen bewunderndem Blick angestarrt hatte. »Da hat der gute Bernie mir aber einiges verheimlicht! Und ich dachte immer, wir hätten keine Geheimnisse voreinander.« Sie würde sich erinnern, wie sie, noch selig in ihrem jungen Glück und ohne eine Ahnung davon, wie sehr Bernies Trunksucht es beein­trächtigen würde, gefragt hatte: »Sie kennen Bernie?«

Und sie würde sich auch an Malcolms Antwort erinnern. »Seit Ewigkeiten. Wir sind zusammen aufgewachsen, haben zusammen die Schulbank gedrückt und in den Ferien die Nachbarschaft unsicher gemacht. Wir haben uns sogar die erste Frau geteilt.« Und sie würde sich seines Lächelns entsinnen. »Wir sind also praktisch Blutsbrüder. Aber ich sehe schon, unsere Beziehung könnte in Zukunft gewisse Einschränkungen erfahren, Betsy.« Und er hatte ihr gerade lang genug in die Augen gesehen, um ihr bewusst zu machen, dass ihr junges Glück nicht halb so heiß war wie der Blick, mit dem er sie ansah.

Von diesem oberen Schlafzimmer aus würde sie sehen, dass die Gruppe, die Malcolm rund um das Schlachtfeld führte, aus Frauen bestand, und würde unruhig werden. Bei der Entfernung zwischen Haus und Schlachtfeld würde es ihr nicht möglich sein, zu erkennen, dass Malcolms Schar kollektiv mit einem Bein bereits im Grab stand, und sie würde unweigerlich beginnen, sich Gedanken zu machen. Was sollte eine dieser Frauen daran hindern, in seinen unwiderstehlichen Bann zu geraten?

Diese Überlegungen würden sie zum Äußersten treiben, und genau darauf hatte Malcolm seit Monaten hin­gearbeitet, wenn er in den zärtlichsten Momenten geflüstert hatte: »O Gott, wenn ich gewusst hätte, wie es sein würde, dich endlich für mich zu haben. Betsy, ich will dich ganz ...«, und dann die heißen Tränen in ihr Haar geweint hatte, die Geständnisse furchtbarer Schuldgefühle und Hoffnungslosigkeit, die ihn angeblich quälten, wenn er in den Armen der Frau seines alten Freundes lag. »Ich kann es nicht ertragen, ihm wehzutun, Betsy, Liebstes. Wenn du dich von ihm scheiden ließest . Ich könnte nie mehr in den Spiegel sehen, wenn er je erführe, wie ich unsere Freundschaft verraten habe.«

Daran würde sie sich erinnern, während sie oben in ihrem Schlafzimmer stand und die heiße Stirn an die kalte Fensterscheibe presste. Sie waren an diesem Morgen drei Stunden zusammen gewesen, aber ihr würde bewusst werden, dass das nicht genügte. Es würde niemals genügen, sich ständig heimlich treffen zu müssen, Gleich­gültigkeit gegenüber dem anderen vorzutäuschen, wenn sie sich in der Schule begegneten. Solange sie nicht vor dem Gesetz ein Paar waren - so wie sie es bereits geistig, seelisch und körperlich waren -, solange würde sie keinen Frieden finden.

Aber Bernie stand ihrem Glück im Weg, würde sie denken. Bernie Perryman, in die Alkoholsucht getrieben von der Angst, dass das Erbleiden, das seinen Großvater, seinen Vater und seine beiden Brüder vor ihrem fünfund­vierzigsten Geburtstag dahingerafft hatte, auch ihn vorzeitig ins Grab bringen würde. »Schwaches Herz«, hatte Bernie ihr zweifellos erklärt, die Ausrede, die er seit dreißig Jahren für alles gebrauchte, was er getan oder nicht getan hatte. »Es arbeitet nicht richtig. Es flattert nur, wo es eigentlich pumpen sollte. Ich muss vorsichtig sein. Immer meine Tabletten nehmen.«

Aber wenn Betsy ihren Mann nicht täglich an seine Tabletten erinnerte, konnte man damit rechnen, dass er nicht nur den Grund für ihre Einnahme, sondern ihr Vorhandensein überhaupt vergessen würde. Es war beinahe so, als hätte er einen Todeswunsch, der gute Bernie Perryman. Es war beinahe so, als wartete er nur auf den richtigen Moment, ihr die Freiheit zurückzugeben.

Und wenn sie erst frei wäre, würde Betsy sich sagen, dass das Erbe ihr gehörte. Und das Erbe war der Schlüssel zur Zukunft mit Malcolm. Denn mit dem Erbe in der Hand würden sie und Malcolm endlich heiraten und Malcolm seine schlecht bezahlte Anstellung an der Schule aufgeben können. Glücklich und zufrieden mit seiner Forschungs­arbeit, seiner schriftstellerischen Tätigkeit und seinem Lehrauftrag an der Universität, würde er ihr ewig dankbar dafür sein, dass sie ihm dieses neue Leben ermöglicht hatte. Und in seiner Dankbarkeit wäre er ganz versessen darauf, alle ihre Bedürfnisse zu erfüllen.

Und genau so, würde sie sich denken, soll es sein.

Im Plantagenet Pub in Sutton Cheney zählte Malcolm das Trinkgeld, das ihm die harte mittägliche Arbeit eingebracht hatte. Er hatte alles gegeben, aber die australischen Omas hatten sich als eine Bande von Geiz­hälsen entpuppt. Am Ende hatte er vierzig Pfund für Führung und Vortrag - ein Hungerlohn, wenn man bedachte, welch umfassende Informationen er weiterge­geben hatte - und fünfundzwanzig Pfund an Trinkgeldern. Gott sei Dank für die Ein-Pfund-Münze, dachte er finster. Sonst hätten diese knickrigen alten Weiber ihn wahr­scheinlich mit Fünfzig-Pence-Stücken abgespeist.

Er steckte das Geld ein, als die Tür zur Straße geöffnet wurde und ein eisiger Windstoß in den Gastraum fegte. Die Flammen des Feuers neben ihm flackerten heftig. Asche aus dem offenen Kamin stob auf und rieselte zu Boden. Malcolm blickte hoch. Bernie Perryman - nur in Cowboystiefeln, Blue Jeans und einem T-Shirt mit dem AufdruckTeam Ferrari auf der Brust - torkelte ins Pub. Malcolm versuchte, irgendwo im Hintergrund zu verschwinden, aber das war nicht möglich. Nach dem Wind und der Kälte auf dem Bosworth Field hatte ihn das Verlangen nach Wärme an das lodernde Buchenfeuer geführt. Und direkt in Bernies Blickfeld.

»Malkie!«, grölte Bernie erfreut und sagte, was er immer sagte, wenn sie einander begegneten. »Malkie, alter Kumpel! Wie war's mit 'ner Partie Schach? Mir fehlen unser Schachabende, ehrlich!« Er schüttelte sich vor Kälte und schlug sich mit den Händen auf die Arme. Seine Lippen waren blau gefroren. »Scheiß die Wand an, ist das eine Affenkälte da draußen. Hey, gieß mir 'nen Blackie ein«, rief er dem Wirt zu. »Gleich einen Doppelten.« Er lachte und ließ sich auf einen Hocker an Malcolms Tisch fallen. »Also. Was macht das Buch, Malkie? Bist du schon berühmt? Hast du schon einen Verlag gefunden?« Er kicherte wie ein altes Weib.