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Es wurde an die Tür geklopft, und ein junger Mönch trat ein. Er war fast noch ein Knabe, blond mit hellem Teint, blauen Augen und roten Lippen. Er wirkte scheu und verlegen. Er trug ein Tablett mit einem dampfenden Krug und zwei Tonbechern. Er hielt den Blick gesenkt und schaute Fidelma nicht an.

»Ich soll euch heiße Brühe bringen.« Er sprach zu Eadulf, nachdem er sich unsicher umgesehen und gleich wieder die Augen niedergeschlagen hatte. »Dann soll ich im Nebenzimmer ein Feuer für dich machen, Bruder.«

Eadulf nahm das Tablett aus den zitternden Händen des Jungen und stellte es auf den Tisch.

»Vielen Dank.« Fidelma lächelte ihn an. »Wie heißt du?«

»Ich bin Bruder Redwald, Schwester.« Die Haltung des Jungen verriet, wie verlegen es ihn machte, direkt von ihr angesprochen zu werden.

»Du brauchst dich nicht zu beunruhigen«, versicherte ihm Fidelma.

»Der Abt ...«, setzte der Junge an. Dann machte er den Mund fest zu.

»Wir haben schon gehört, daß dem Abt Frauen in der Abtei nicht willkommen sind«, antwortete Fidelma ernst. »Mach dir keine Sorgen, du wirst keinen Ärger bekommen, nur weil du deinen Dienst tust.«

Der Junge nickte rasch. »Dann gehe ich jetzt an meine Arbeit, Schwester.«

Er war bereits aus der Tür, als Eadulf ihn mit einer scharfen Frage zurückholte.

»Kanntest du Bruder Botulf?«

Der Junge wandte sich schnell um. Seine Miene war beinahe angstvoll, und einen Moment schaute er Eadulf voll ins Gesicht, dann senkte er wieder den Blick.

»Jeder kannte Bruder Botulf. Er war der Verwalter der Abtei und war schon dabei, als sie gegründet wurde. Er war einer der Begleiter des heiligen Aldred, dessen Gebeine hinter dem Hochaltar in der Kapelle ruhen. Unsere Abtei ist nach ihm benannt.«

»Kanntest du Bruder Botulf gut?«

»Bruder Botulf war nett zu mir.«

»Ist nicht jeder hier nett zu dir?« fragte Fidelma sanft.

Bruder Redwald seufzte, sah sie aber nicht an und gab keine Antwort.

»Weißt du, was mit Bruder Botulf geschah? Ich meine, wie er getötet wurde?« drängte ihn Eadulf.

Der Junge schüttelte den Kopf, ohne Eadulf anzusehen. »Sein Leichnam wurde heute früh gefunden. Es heißt, jemand sei in die Abtei eingebrochen, um etwas aus der Kapelle zu stehlen, und Bruder Botulf habe ihn entdeckt. Der Dieb hat ihn erschlagen.«

»Was wurde denn gestohlen?« erkundigte sich Fidelma .

»Gestohlen wurde nichts. Ich hörte, wie Bruder Willibrod sagte, daß Bruder Botulf den Diebstahl verhindert hat und der Mörder mit leeren Händen floh.«

»Die Abtei sieht aus wie eine Festung, in die läßt sich wohl nicht so leicht einbrechen«, bemerkte Eadulf. »Hast du gehört, wer der Dieb war?«

Der Junge verzog das Gesicht, als lehne er alle Verantwortung ab. »Es soll einer aus der Bande von Geächteten gewesen sein, die im Moor lebt. Die mögen keine Mönche. Ich hörte, wie Abt Cild ihrem Anführer die Schuld am Tod Bruder Botulfs gab und erklärte, er werde ihn bestrafen.«

»Wie heißt ihr Anführer?« fragte Eadulf.

»Sein Name ist Aldhere. Jetzt laß mich bitte an meine Arbeit gehen, Bruder.«

Eilig verließ er den Raum. Sie hörten, wie er nebenan Feuerholz aufschichtete.

Fidelma nieste zweimal.

»Reich mir das heiße Getränk, Eadulf«, bat sie sanft. »Vielleicht erwärmt mich das.«

»Irgend etwas stimmt hier nicht«, meinte Eadulf nachdenklich und gab ihr den Becher. »In dieser Abtei herrscht eine merkwürdige Stimmung, die mir nicht gefällt. Sie ist irgendwie sehr belastend. Spürst du das auch?«

Fidelma lächelte dünn. »Ich würde sagen, daß der Tod deines Freundes schon belastend genug ist.«

»Das meine ich nicht. Ich trauere um ihn, aber stärker als meine Trauer ist mein Bestreben, die Umstände seines Todes aufzuklären.«

Fidelma nippte an ihrem Getränk und schaute ihn besorgt an. »Was soll es sonst sein als ein Zufall, daß er dich aufgefordert hat, vor Mitternacht hier zu sein?«

»Vor Mitternacht«, wiederholte Eadulf mit Betonung, »und dann stelle ich fest, daß dies die Stunde ist, in der sein Leichnam zur Ruhe gebettet werden soll. Ist das ein Zufall? Warum wollte er, daß ich genau zu der Zeit hier eintreffen sollte?«

»Ein paar diskrete Erkundigungen könnten uns klüger machen«, meinte Fidelma.

Eadulf schien nicht begeistert. »Viel hängt davon ab, ob der Abt hier mir auch erlaubt, diese Erkundigungen einzuziehen. Nach Bruder Willibrods Worten glaube ich nicht, daß man uns zu einem längeren Aufenthalt einlädt.«

Fidelma mußte wieder niesen.

»Ich hoffe, ich habe mir auf dieser anstrengenden Reise keine Erkältung geholt«, murmelte sie. Dann fügte sie hinzu: »Abt Cild scheint nicht viel Nächstenliebe zu besitzen, wenn Bruder Willibrod ihn richtig beschrieben hat. Hast du schon überlegt, wie es weitergehen soll, wenn man uns zur Abreise auffordert?«

Eadulf schüttelte den Kopf. »Wir können nur nach Seaxmund’s Ham gehen, näher finden wir keine Unterkunft.«

»Nun, ehrlich gesagt, ich wäre nicht traurig, wenn wir diese Abtei verlassen, Eadulf. Ich bin nicht nur körperlich unterkühlt, ich war selten an einem Ort, der so eisig auf meine Seele wirkte.«

In diesem Moment wurde an die Tür geklopft, und der einäugige Bruder Willibrod trat ein. Er sah beunruhigt und besorgt aus.

»Abt Cild möchte dich sofort sprechen, Bruder Eadulf. Kommst du mit?«

Eadulf schaute Fidelma entschuldigend an. Sie blickte nicht auf, sondern saß zusammengekauert am Feuer und hielt den Becher in beiden Händen.

Eadulf folgte Bruder Willibrod durch die dunklen gemauerten Gänge der Abtei, bis der dominus vor einer schweren Eichentür haltmachte und vorsichtig anklopfte. Von innen kam ein barscher Befehl, Bruder Willibrod öffnete die Tür, trat beiseite und bedeutete Eadulf, er möge hineingehen. Hinter ihm schloß sich leise die Tür, und Bruder Willibrod wartete draußen.

Der Abt saß am anderen Ende eines langen Eichentischs, auf dem zwei verzierte Kerzenhalter standen, deren flackernde, zischende Talgkerzen ein eigenartiges Licht in dem düsteren Raum verbreiteten. Der Abt wirkte hochgewachsen, wie er da aufrecht in dem geschnitzten Eichensessel saß, die Handflächen auf der Tischplatte, und aus dunklen Augen vor sich hin starrte.

Der Abt hatte ein langes, blasses Gesicht mit scharfen, ausgeprägten Zügen. Die hohe Stirn wurde von langem dunklem Haar umrahmt. Es war ein Gesicht voller energischer Zielstrebigkeit, wie es Eadulf selten bei Geistlichen, häufiger bei Kriegern gesehen hatte. Die Nase war dünn und hatte einen hohen Rücken und seltsam geschwungene Nüstern. In den dunklen Augen spiegelte sich das Licht der flackernden Kerzen und ließ sie rötlich glänzen. Die Wirkung war bedrohlich. Der schmale Mund war fest und grausam.

»Man sagt mir, du seist ein Abgesandter von Theodor, dem neuen Erzbischof von Canterbury, und zugleich erblicher gerefa von Seaxmund’s Ham.«

»Ich bin Eadulf von Seaxmund’s Ham.«

»Das gewährt dir keine besonderen Vorrechte, jedenfalls nicht in meiner Abtei. Anscheinend hast du Bruder Willibrod nicht davon in Kenntnis gesetzt, daß du deinen Rang als gerefa verloren hast, als du das Mönchsgelübde abgelegt hast.«

»Vielleicht hat Bruder Willibrod zuviel vermutet. Ich habe jedenfalls den Ausdruck >ich war< benutzt«, entgegnete Eadulf lebhaft. »Und welche besonderen Vorrechte meinst du? Das verstehe ich nicht.«

»Eine Frau in diese Abtei mitzubringen. Meinen dominus zu überreden, gegen meine wichtigste Regel zu verstoßen. Unser Haus ist Frauen verschlossen.« Der Ton des Abts war scharf.

Eadulf errötete vor Zorn. »Meine Reisegefährtin ist Fidelma von Cashel, die Schwester des Königs von Muman und eine angesehene Anwältin in ihrem Land.«