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Cynric kam wieder herein und stellte eine heiße Fleischpastete auf einen nahen Tisch.

»Wenn ihr euch an den Tisch setzen wollt, bringe ich euch noch mehr Apfelwein, mit dem ihr das Essen hinunterspülen könnt.«

Die Pastete sah gut aus und roch gut, und bald war das Heulen des Sturmes da draußen vergessen, während sie das Mahl genossen. Eadulf erläuterte einiges von dem, was ihm Cynric über die Auseinandersetzungen zwischen Christen und Heiden berichtet hatte. Schwester Fidelma sah ihren Gefährten mitleidig an.

»Es muß schwer sein für dich, so etwas zu hören. Aber es wird doch sicher aufgewogen durch die Freude, deine Heimat wiederzusehen.«

»Es ist lange her, seit ich zuletzt in Seaxmund’s Ham war. Ich freue mich wirklich darauf, es wiederzusehen.« Er schaute sie besorgt an. »Es tut mir leid, wenn ich eigensüchtig scheine, Fidelma.«

Ihre Augen weiteten sich für einen Moment. Sie meinte, sie verhielte sich eigensüchtig. Sie merkte plötzlich, wie sehr sie ihr Heim in Cashel vermißte. Das Land des Südvolks war düster, kalt und unwirtlich. Als sie sich bereit erklärte, Eadulf nach Canterbury zu begleiten, und ihr Heimatland verließ, war sie nicht auf den Gedanken gekommen, daß er noch weiter in sein Geburtsland reisen wollte. Aber das, so wurde ihr nun klar, war eine törichte und egozentrische Annahme ihrerseits gewesen. Es war nur natürlich, daß Eadulf nach seinem Aufenthalt in Rom und fast einem Jahr im Königreich ihres Bruders in Mu-man nun einige Zeit in seiner Heimat verbringen wollte.

Sie bemühte sich, die Befürchtungen, die sie überfielen, zu verscheuchen. Sie hoffte, er würde nicht allzu lange Zeit in diesem Ort ... Seaxmund’s Ham ... bleiben. Dann fühlte sie sich schuldig wegen dieses selbstsüchtigen Gedankens. Warum erwartete sie, daß er in ihr Land zurückkehren wollte? Doch ihr fehlte ihre Heimat. Sie war genug gereist. Sie wollte zur Ruhe kommen.

Sie merkte, daß Eadulf sie über den Tisch hinweg anlächelte.

»Tut es dir nicht leid?« fragte er.

Sie spürte, wie sich ihre Wangen röteten.

»Was soll mir leid tun?« fragte sie zurück, obgleich sie genau wußte, was er meinte.

»Daß du mitgekommen bist in mein Land?«

»Es tut mir nicht leid, daß ich mit dir zusammen bin«, formulierte Fidelma ihre Antwort vorsichtig.

Eadulf betrachtete sie forschend. Er lächelte, doch sie sah, wie ein Schatten über seine Augen huschte. Bevor er noch etwas sagen konnte, faßte sie rasch seine Hand.

»Wir wollen für den Augenblick leben, Eadulf.« Ihr Ton war ernst. »Wir haben uns geeinigt, daß wir den alten Brauch meines Volkes befolgen und ein Jahr und einen Tag zusammenbleiben wollen. Ich habe zugestimmt, so lange deine ben charrthach zu sein. Damit mußt du dich zufriedengeben. Alles, was länger gelten soll, erfordert viel juristische Überlegung.«

Eadulf wußte, daß das Volk der fünf Königreiche von Eireann ein sehr kompliziertes Rechtssystem besaß, das mehrere Definitionen einer richtigen Ehe enthielt. Fidelma hatte ihm auseinandergesetzt, daß es nach irischem Recht neun unterschiedliche Typen von Verbindung gab. Der Ausdruck, den sie gebraucht hatte, ben charrthach, hieß wörtlich »Geliebte«. Eine ben charrthach war noch nicht eine gesetzlich gebundene Ehefrau, aber eine Frau, deren Stand und Rechte durch das Gesetz des Cdin Ldnamnus anerkannt waren. Es handelte sich um eine Ehe auf Probe, die ein Jahr und einen Tag dauerte. Glückte sie nicht, konnten beide Teile wieder getrennte Wege gehen, ohne sich eine Strafe oder einen Tadel zuzuziehen.

Fidelma hatte sich nicht dafür entschieden, weil sie Mönch und Nonne waren. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, daß dies ein Hindernis für eine Heirat sein könnte. Kein Mönch und keine Nonne, ob sie nun der Lebensweise Colmcilles oder den Regeln Roms oder irgendeiner anderen christlichen Kirche folgten, sahen das Zölibat als eine notwendige Bedingung für einen religiösen Beruf an. Es gab allerdings eine wachsende Minderheit, die die Ehen von Geistlichen verurteilte und das Zölibat als den wahren Weg derer pries, die sich dem neuen Glauben widmeten. Mehr Sorge bereitete es Fidelma, daß eine Heirat mit Eadulf als eine unstandesgemäße Ehe gelten könnte -falls ihr Bruder, König Colgü von Muman, überhaupt seine Zustimmung dazu gab. Eine solche Ehe besaß zwar rechtliche Gültigkeit, bedeutete aber, daß Eadulf, als ein Ausländer ohne Grundbesitz in Muman und ohne den fürstlichen Rang Fidelmas, nicht die gleichen Besitzrechte genießen würde wie seine Ehefrau. Da sie Eadulfs Charakter kannte, meinte Fidelma , daß es nicht unbedingt eine Aussicht auf eine glückliche Ehe böte, wenn Eadulf sich nicht rechtlich mit ihr gleichgestellt fühlen würde.

Es gab natürlich auch andere Formen der Ehe. Nach dem Gesetz konnte ein Mann mit einer Frau in ihrem Hause zusammen wohnen, wenn ihre Familie das erlaubte, oder sie konnte offen mit ihm davongehen ohne die Zustimmung ihrer Familie und doch einige Rechte behalten. Fidelmas Problem bestand darin, daß sie inzwischen zwar ernsthaft über eine Heirat mit Eadulf nachdachte, aber nicht wußte, welchen Weg sie einschlagen sollte. Außerdem war sie davon ausgegangen, daß ihre gemeinsame Zukunft in Cashel liegen würde. Die letzten Wochen mit Eadulf in den angelsächsischen Königreichen hatten Zweifel bei ihr geweckt.

Eadulf unterbrach ihre Gedankengänge.

»Habe ich denn gesagt, ich wäre nicht zufrieden, Fidelma?« Eadulf lächelte etwas gezwungen, als er ihre wechselnde Miene bemerkte.

Plötzlich flog die Tür krachend auf, und einen Moment schien es, als zeichne sich eine seltsame Gestalt aus der Unterwelt gegen den wirbelnden Schnee ab, der nun hereintrieb. Ein eisiger Hauch drohte die Laternen auszublasen, die den Hauptraum des Gasthauses erhellten. Die Gestalt, die wie ein riesiger zottiger Bär aussah, drehte sich um und mußte sich gegen die Tür stemmen, um sie gegen den Druck des böigen Windes zuzuschieben. Dann wandte sie sich wieder um und schüttelte sich, so daß Wolken von Schnee aus den dicken Pelzen stiebten, die ihren Körper von Kopf bis Fuß einhüllten. Darauf wühlte sich ein Arm aus den Pelzen heraus und wickelte einen Teil der Kopfbedeckung ab. Darunter kam ein bärtiges Gesicht zum Vorschein.

»Met, Cynric! Met, um der Liebe der Mutter Balders willen!«

Der Mann stapfte weiter in den Gastraum hinein und verstreute noch mehr Schnee aus seinen Pelzen. Seine äußerste Hülle ließ er einfach auf den Boden fallen. Ein Lederwams bedeckte seinen stämmigen Körper, und um seine riesigen Waden hatte er Sackleinen gewickelt und mit Lederriemen festgebunden.

»Mul!« rief der Wirt erstaunt aus, als er den Neuankömmling erkannte. »Was machst du denn jetzt draußen bei diesem scheußlichen Wetter?«

Der Mann, den er Mul nannte, war von mittlerem Alter, breitschultrig, mit flachsblondem Haar und wettergegerbter Haut. Sein Körperbau war der eines Bauern oder Schmieds. Seine muskulösen Schultern und Arme schienen das Wams fast zu sprengen. Er hatte ein grobes, rötliches Gesicht mit einem buschigen Bart. Es sah aus, als wäre es zerschlagen worden und nicht richtig geheilt. Seine Lippen waren ständig geöffnet und ließen Lücken in den gelben Zähnen erkennen. Die durchdringenden hellen Augen standen dicht an seiner Hakennase, was ihm einen Ausdruck ewiger Mißbilligung verlieh.

»Ich bin auf dem Heimweg«, knurrte er. »Wo sollte denn ein Mensch in dieser Nacht sonst sein?« Plötzlich erblickte er Fidelma und Eadulf an der anderen Seite des Raumes und neigte den Kopf zum Gruß.

»Möge Wotans Speer eure Feinde durchbohren!« dröhnte er nach der alten Formel.

»Deus vobiscum«, antwortete Eadulf feierlich mit leichtem Vorwurf in der Stimme.

Der Mann, den der Wirt mit Mul angeredet hatte, riß Cynric einen Becher Met aus der Hand, ließ sich auf einen Stuhl nahe am Feuer fallen und trank ihn mit einem mächtigen Schluck halb leer. Dann rülpste er laut und zufrieden.