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«Was war das eben mit dem Stall?«fragte er Charlie argwöhnisch.»Alle Kapitalisten sind Snobs.«

«Sein Großvater war Mechaniker«, sagte Charlie.»Genau wie meiner Milchmann war und deiner im Straßenbau.«

Es amüsierte mich, daß Charlie meinen Vater und meine Mutter übergangen hatte, die von Beruf Lehrer und Krankenschwester gewesen waren. Mit dem MechanikerGroßvater, dem Schweißer-Onkel und der Unzahl gewerkschaftlich organisierter Verwandter war eher Staat zu machen. Wenn Politiker jeder Couleur unter ihren Ahnen fleißig nach Proletariern suchen und dreimal vor dem ersten Hahnenschrei jede Verbindung zum Adel leugnen, warum sollte ich ein Spielverderber sein? In Wahrheit hatten die zwei scheinbar divergierenden Stränge der körperlichen Arbeit und des Unterrichtens mir von beidem das Beste mitgegeben, nämlich handwerkliches Geschick und die Fähigkeit, Dinge zu entwerfen, die ich von Hand herstellen konnte. Geld und Erfahrung waren dazugekommen.

«Ich nehme an, Mr. Huggerneck ist gegen seinen Willen hier«, bemerkte ich.

«Weit gefehlt«, sagte Charlie.»Er möchte, daß Sie ihm helfen.«

«Wie benimmt er sich denn dann, wenn er mit jemand Streit sucht?«

«Bei dem würde er nichts essen.«

Na gut, dachte ich. Wessen Gastfreundschaft du annimmst, den tritt nicht. Solange das galt, war noch nicht alles verloren.

Wir saßen am Küchentisch; Charlie rauchte und benutzte seine Untertasse als Aschenbecher, und ich fragte mich, was eigentlich so Dringendes anlag. Bert putzte seinen Teller mit einer letzten Scheibe Toast, die er mit Kaffee hinunterspülte.

«Was gibt's zu Mittag?«sagte er.

Ich nahm das, wie es gemeint war, als Dankeschön fürs Frühstück.

«Bert«, kam Charlie zur Sache,»ist bei einem Buchmacher angestellt.«

«Langsam«, sagte Bert.»Nicht ist — war.«

«War«, räumte Charlie ein,»und wird es auch wieder sein. Aber jetzt gerade ist die Firma, bei der er angestellt war, bankrott.«

«Der Chef ist im Dreieck gesprungen«, sagte Bert nik-kend.»Der Gerichtsvollzieher hat ihm keinen einzigen verdammten Schreibtisch dagelassen.«

«Und keine einzige verdammte Schreibkraft?«

«He«, sagte Bert, dessen Brauen sich jäh hoben, als endlich doch ein Lächeln in seine Augen trat.»So übel sind Sie ja gar nicht.«

«Verdorben bis ins Mark«, sagte ich.»Erzählen Sie.«

«Na ja, der Chef hat sich verkalkuliert, oder wie er sagt, seine mathematischen Berechnungen beruhten auf einer Falschannahme.«

«Weil zum Beispiel das falsche Pferd gesiegt hat?«

Berts Lächeln wurde breiter.»Schnell von Kapee, was? Eine ganze Serie von falschen Pferden war das. Also, ich hab jahrelang für den Mann geschrieben. Auf allen großen Bahnen hat er einen Stand im Tatt's und auch im Silver Ring… na ja, gehabt… und ich habe meistens für ihn geschrieben, für ihn direkt, verstehen Sie?«

«Ja. «Buchmacher nahmen immer einen Schreiber mit, der alle angelegten Wetten eintrug. Jede größere Buchmacherfirma hatte bei möglichst vielen Meetings in der Umgebung ein Team von zwei oder mehr Leuten stehen; je größer die Firma, desto mehr Meetings nutzte sie.

«Tja also, ich habe ihn ein paarmal gewarnt, daß sein Buch irgendwie komisch aussieht. Mit der Zeit kriegt man eine Antenne für so was, nicht wahr? In diesem Jahr hat er mehr als einmal totalen Mist gebaut, und ich hab ihm gesagt, er kriegt den Gerichtsvollzieher an den Hals, wenn er so weitermacht, und hatte ich nicht recht?«

«Was meinte er denn dazu?«

«Daß ich mich nicht um Sachen kümmern soll, die mich nichts angehen«, sagte Bert.»Aber es ging mich doch was an, oder? Es ging doch um meinen Job. Um meinen

Lebensunterhalt genauso wie um seinen. Wer zahlt denn meine Raten und meine Miete und meinen Deckel in der Kneipe, hab ich ihn gefragt, und er dreht sich um und sagt, keine Bange, ich hab alles im Griff, ich weiß, was ich tu. «Helle Empörung lag in seiner Stimme.

«Und er wußte es nicht«, bemerkte ich.»Einen Dreck wußte der. Aber es war, als hätte ich in den Wind geredet. Dümmer geht's nicht. Vor zehn Tagen ist er dann endgültig abgeschmiert. Eine Unmasse Geld verloren. Sense. Wir sind alle entlassen worden. Ohne Abfindung. Er hat sein Konto total überzogen und ist über beide Ohren verschuldet.«

Ich warf einen Blick auf Charlie, der sich ausschließlich für die Asche an seiner Zigarette zu interessieren schien.

«Wie kommt es«, fragte ich Bert,»daß Ihr Chef Ihre Warnungen mißachtet und sich kopfüber in den Abgrund gestürzt hat?«

«Der hat sich in keinen Abgrund gestürzt, er besäuft sich jeden Abend in der Finte.«

«Ich wollte sagen…«

«Versteh schon. Wieso hat er alles verloren? Weil ihn jemand falsch informiert hat, meiner Meinung nach. Auf dem Weg zur Rennbahn hat er sich wer weiß wie aufgeplustert. Wie er dann wiederkommt, sagt er nur, die Firma ist erledigt und restlos im Eimer. Käseweiß war er. Ganz zittrig. Ich hab dich doch oft genug gewarnt, sag ich. An dem Tag auch; ich hatte ihn gewarnt, daß er zu viel auf diesen Energise annimmt, ohne sich abzusichern, und er meinte nur locker, laß mal, kümmer du dich um deinen Kram. Deshalb nehm ich an, jemand hat ihm gesteckt, es sei verabredet, daß Energise nicht gewinnt, aber er hat gewonnen und der Firma damit das Genick gebrochen.«

Bert schloß den Mund, und die Stille war so laut wie Glockenläuten. Charlie klopfte seine Asche ab und lächelte. Ich schluckte.»Ehm…«, sagte ich schließlich.»Das ist erst die halbe Geschichte«, warf Charlie elegant ein.»Bitte erzähl es ihm zu Ende, Bert.«

Bert war so freundlich.»Tja, am Samstag abend sitz ich dann in der Kneipe. Vorigen Samstag, nicht an dem, wo Energise gesiegt hat. Vor vier Tagen, ja? Nach der Räumung und dem ganzen Zirkus. Also da schneit Charles rein, wie er das immer mal wieder macht, und wir trinken ein paar Bier zusammen so als alte Kumpel, wir haben nämlich als Kinder nebeneinander gewohnt, und wie er dann nach Eton auf die Edelpenne ist, mußte ihn in den Ferien ja immer einer auf Normalmaß stutzen. Jedenfalls sitzen wir da in der Kneipe, und ich erzähl ihm meine ganzen Sorgen, und da meint Charlie, er kennt noch einen, der das gern hören würde… na ja, und da sind wir.«

«Was meinen Sie denn jetzt für Sorgen?«fragte ich.

«Ach so… klar. Der Chef hatte ein paar Wettbüros. Eins in Windsor, eins in Staines, weiter nichts. Und der Hauptladen, wo der Gerichtsvollzieher alles ausgeräumt hat, war das Büro in Staines. Da heult also der Chef wie ein Schloßhund und hält sich den Kopf, weil seine Möbel Beine kriegen, und auf einmal klingelt das Telefon. Das steht inzwischen auf dem Boden, den Tisch dafür haben sie schon rausgeschleppt. Der Chef hängt sich also dran, und da ist ein Typ am Apparat, der ihm anbietet, den Mietvertrag zu übernehmen.«

Er schwieg mehr der Wirkung halber, als um Luft zu holen.

«Weiter«, ermunterte ich ihn.

«Ein Geschenk des Himmels war das für den Chef«, sagte Bert, der Einladung folgend.»Er hätte nämlich für beide Läden weiter Miete zahlen müssen, auch wenn sie geschlossen blieben. Er ist dem Typ praktisch um den Hals gefallen, wie man sagt, und der kommt und zahlt ihm noch am selben Morgen dreihundert Pfund cash auf die Kralle, und seitdem läßt sich der Chef nur noch vollaufen.«

Eine Pause.»In was für einer Branche«, fragte ich,»ist denn der Typ?«

«Was?«sagte Bert überrascht.»Er ist Buchmacher natürlich.«

Charlie lächelte.

«Sie werden schon von ihm gehört haben«, sagte Bert.»Ganser Mays heißt er.«

Es konnte wohl nicht anders sein.

«Und wie soll ich Ihnen helfen?«fragte ich.

«Hm?«

«Charlie sagte, Sie wollten meine Hilfe.«

«Ach so. Na, ich weiß nicht recht. Charlie meinte, es wäre vielleicht gut, wenn ich Ihnen das alles erzähle, also hab ich's gemacht.«