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Karussell.

Ansätze von Selbstgefühl kamen wieder. Ich war nicht bloß ein Haufen seltsamer, irrlaufender Empfindungen. Irgendwo tief im Innern war ich… jemand.

Karussells schwirrten durch mein Bewußtsein. Ich lag auf einem Bett. Grelles Licht blendete mich jedesmal, wenn ich die Augen öffnen wollte. Die Stimmen entfernten sich.

Zeit verging.

Mir wurde unbeschreiblich schlecht. Ich hörte jemand stöhnen. Kam nicht darauf, daß ich selber stöhnte. Nach einiger Zeit merkte ich es dann doch und konnte es abstellen. Schritte kamen wieder. Trapp, trapp. Mindestens zwei

Leute.

«Wie heißen Sie?«

Wie ich hieß? Ich konnte mich nicht erinnern.

«Er ist völlig durchnäßt.«

«Was denn sonst? Er saß im Regen mitten auf dem Gehsteig.«

«Ziehen wir ihm die Jacke aus.«

Sie setzten mich auf und zogen mir die Jacke aus. Ich legte mich wieder hin. Die Hose wurde mir ausgezogen und eine Decke über mich gebreitet.

«Er ist sturzbetrunken.«

«Ja. Ich muß ihn mir aber ansehen. Die sind so lästig, wie sie breit sind. Besteht immer die Gefahr, daß so jemand auf den Kopf gefallen ist und sich einen Schädelbruch zugezogen hat. Dann stirbt er uns am Ende noch weg.«

Ich versuchte ihnen klarzumachen, daß ich nicht betrunken sei. Ein Schädelbruch… verdammt. Ich wollte doch nicht morgen aufwachen und tot sein.»Was sagt er?«Ich versuchte es noch einmal.»Nicht betrunken«, sagte ich.

Jemand lachte freudlos.

«Das riecht man am Atem.«

Woher wußte ich, daß ich nicht betrunken war? Die

Antwort entzog sich mir. Ich wußte es einfach… weil ich nicht genug… weil ich gar keinen Alkohol getrunken hatte. Woher ich das wußte? Ich wußte es einfach. Woher wußte ich das?

Während diese unergiebigen Gedanken durch das Chaos in meinem Kopf wirbelten, tasteten viele fremde Finger in meiner Frisur herum.

«Er hat sich den Kopf angeschlagen, verdammt. Eine ziemlich starke Schwellung.«

«Sein Zustand hat sich aber nicht verschlechtert, seit er hergebracht wurde. Es geht ihm eher besser.«

«Scott«, sagte ich plötzlich.

«Wie bitte?«

«Scott.«

«Ist das Ihr Name?«

Ich versuchte mich aufzusetzen. Das Licht drehte sich schwindelerregend.

«Wo… bin ich?«

«Das sagen sie alle.«

«In einer Zelle sind Sie, Verehrtester.«

«Was?«sagte ich.

«In einer Zelle im Polizeirevier Savile Row. Sinnlos betrunken.«

Unmöglich.

«Also, Wachtmeister, ich nehme ihm gerade mal Blut ab. Dann erledige ich die anderen Sachen, und danach sehe ich ihn mir zur Sicherheit noch mal an. Glaub zwar nicht, daß wir hier eine Fraktur haben, aber wir dürfen kein Risiko eingehen.«

«In Ordnung, Doc.«

Schwach registrierte ich den Einstich einer Nadel. Zeitverschwendung, dachte ich. Ich war nicht betrunken. Was dann…, außer daß mir schlecht und schwindlig war, daß ich in der Luft hing und mich nicht zurechtfand? Keine Ahnung. Zu viel Mühe, darüber nachzudenken. Ohne Gegenwehr fiel ich in einen Strudel schwarzen Schlafs.

Das nächste Erwachen war in jeder Hinsicht schlimmer. Ich mochte noch gar nicht aus dem Dunkel herausgezerrt werden. Mein Kopf tat furchtbar weh, meine Knochen schmerzten auch ganz schön, und insgesamt kam ich mir vor wie ein schwerer Fall von Seekrankheit.

«Guten Morgen, guten Morgen, verscheucht sind alle Sorgen. Täßchen Tee für Sie, unverdienterweise.«

Ich schlug die Augen auf. Das helle Licht war noch da, aber jetzt erkennbar nicht als aufgeblähter Mond, sondern als eine schlichte Glühbirne unter der Decke.

Ich schaute hin, wo die Stimme hergekommen war. Ein Polizist mittleren Alters stand da mit einem Pappbecher in der Hand. Hinter ihm eine Tür, auf einen Gang geöffnet. Um mich herum die engen Wände einer Zelle. Ich lag auf einem leidlich bequemen Bett, unter zwei warmen Decken.»Werden Sie langsam wieder nüchtern?«»Ich war nicht… betrunken. «Meine Stimme klang heiser, und mein Mund fühlte sich pelzig an wie eine Nerzstola.

Der Polizist hielt mir den Becher hin. Ich mühte mich auf einen Ellbogen hoch und nahm ihn ihm ab.

«Danke. «Der Tee war heiß, stark und gesüßt. Ich wußte nicht genau, ob mir davon nicht noch schlechter wurde.

«Der Arzt hat noch zweimal nach Ihnen gesehen. Sie waren betrunken. Und Sie haben sich den Kopf angeschlagen.«»Aber ich war nicht… «

«Doch, doch. Der Arzt hat ja eine Blutprobe gemacht.«

«Wo sind meine Kleider?«

«Ah ja. Die haben wir Ihnen ausgezogen. Sie waren naß. Ich hole sie.«

Er ging hinaus, ohne die Tür zu schließen, und ich versuchte in den wenigen Minuten seiner Abwesenheit zu sortieren, was los war. Ich konnte mich an einiges in der Nacht erinnern, wenn auch nebelhaft. Ich wußte auch, wer ich war. Immerhin. Ich sah auf meine Uhr: halb acht. Ich fühlte mich hundsmiserabel.

Der Polizist kam mit einem unglaublich verknitterten Anzug wieder, der jeder Ähnlichkeit mit dem entbehrte, in dem ich losgezogen war.

Losgezogen… wohin?

«Hier ist die Savile Row? Londoner West End?«

«Sie erinnern sich also, wie Sie hergekommen sind?«

«Lückenhaft. Nicht genau.«

«Der Streifenwagen hat Sie heute früh gegen vier irgendwo in Soho aufgegriffen.«

«Was hab ich da gemacht?«

«Bin ich überfragt. Soviel ich weiß, gar nichts. Sie haben nur volltrunken bei strömendem Regen auf dem Gehsteig gesessen.«

«Warum bin ich hergebracht worden, wenn ich nichts gemacht habe?«

«Zu Ihrem eigenen Schutz«, sagte er ohne Groll.»Betrunkene, die man sich selbst überläßt, leben gefährlich, deshalb sammeln wir sie ein. Man kann ja nicht zulassen, daß die auf die Fahrbahn laufen und Unfälle verursachen, daß sie sich den Schädel einrennen oder daß sie beim Aufwachen randalieren und Schaufenster einschmeißen, wie manche es tun.«

«Mir ist schlecht.«

«Wundert Sie das? Falls Sie kotzen müssen, unten am Bett steht ein Eimer.«

Er nickte mir nicht ganz ohne Mitgefühl zu und entfernte sich.

Ungefähr eine Stunde später wurde ich zusammen mit drei anderen Herren in dem gleichen bedauerlichen Zustand in die Marlborough Street gebracht und dem Schnellrichter vorgeführt. Betrunkene standen offenbar als erstes auf der Tagesordnung. Täglich.

In der Zwischenzeit hatte ich mich zögernd mit drei Dingen abgefunden.

Erstens, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, etwas getrunken zu haben, war ich an diesem Morgen um vier völlig besoffen gewesen.

Zweitens, ob mir jemand abnahm, daß ich um halb zwei stocknüchtern siebzig Meilen entfernt in Berkshire gewesen war, spielte keine Rolle. Man würde dagegenhalten, daß ich auf dem Weg nach London reichlich Zeit gehabt hätte, mich zu betrinken.

Und das dritte, eigentlich unangenehmste, waren die vielen blauen Flecke an meinem Körper, die ich mir nicht erklären konnte.

Nach und nach hatte ich mich an meinen Besuch bei Jody erinnert. Ich wußte wieder, wie ich versucht hatte, es mit drei Mann auf einmal aufzunehmen, in jedem Fall ein törichtes Unterfangen, auch wenn man nicht an einen Spezialisten wie den Mann mit der Sonnenbrille geriet. Ich entsann mich, wie weich seine Nase sich angefühlt hatte, als meine Faust sie traf, und ich wußte auch, daß ich dafür Schläge von ihm bezogen hatte. Dennoch…

Ich zuckte die Achseln. Vielleicht erinnerte ich mich nicht an alles; daß ich mich betrunken hatte, wußte ich ja auch nicht mehr. Oder aber… Nun, Ganser Mays und Jody hatten Grund genug, mich nicht zu mögen, und Jody hatte Stiefeletten getragen.

Die Gerichtsverhandlung dauerte zehn Minuten.»Tatbestand Vollrausch «wurde mir vorgeworfen. Tatbestand? fragte ich. In der Tat, kam es zurück.»Schuldig oder nicht schuldig?«»Schuldig«, sagte ich resigniert.

«Fünf Pfund Strafe. Brauchen Sie eine Zahlungsfrist?«