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«Tja…«, sagte er.»Warum hast du mich denn nicht darauf angesprochen, wenn du mit einer Rechnung mal nicht einverstanden warst? Das hätte ich doch gleich geregelt. Völlig unnötig, das aufzustauen, bis du jetzt auf einmal explodierst.«

Autsch, dachte ich. Ich hatte nie geprüft, ob die Posten auf den monatlichen Abrechnungen richtig zusammengezählt waren. Selbst als ich wußte, daß er mich bestahl, hatte ich nicht vermutet, daß es auf eine so lächerlich einfache Weise geschah.

«Was noch?«fragte ich.

Er sah kurz weg und kam zu dem Schluß, daß ich wohl nicht allzuviel wissen konnte.

«Also schön«, sagte er, als mache er ein gewaltiges Zugeständnis.»Es geht um Raymond, ja?«

«Unter anderem.«

Jody nickte reuig.»Wahrscheinlich war es schon ein bißchen dreist, daß ich ihn dir zweimal die Woche in Rechnung gestellt habe, auch wenn er nur einmal kam.«

«Oder auch gar nicht.«

«Nun ja…«, gab Jody zu.»Vielleicht auch das, ein- oder zweimal.«

Raymond Child ritt alle meine Springer im Wettkampf und fuhr manchmal morgens fünfzig Meilen, um sie auf Jodys Arbeitsbahn einzuspringen. Jody zahlte ihm dafür ein Trainingsgeld plus Spesen und stellte mir beides in Rechnung. Auch auf der Juli-Abrechnung hatten die Kosten für das zweimal wöchentliche Training nicht gefehlt, dabei war, wie ich kürzlich zufällig erfahren hatte, den ganzen Juli über kein Pferd eingesprungen worden, und Raymond hatte Urlaub in Spanien gemacht.

«Hier und da ein Zehner«, meinte Jody.»Das kratzt dich doch nicht.«

«Ein Zehner plus Spesen zweimal die Woche, das sind für den Juli über hundert Pfund.«

«Oh. «Er lächelte schief.»Du hast also wirklich kontrolliert.«

«Was dachtest du denn?«

«Du nimmst doch alles so locker. Du hast immer anstandslos bezahlt.«

«Das ist vorbei.«

«Aber… Also Steven, es tut mir leid. Wenn ich dir mein Wort gebe, daß du bei der Abrechnung nicht mehr beschummelt wirst — daß in Zukunft jeder Posten korrekt aufgeführt wird —, können wir dann nicht so weitermachen wie bisher? Schließlich habe ich eine Menge Rennen für dich gewonnen.«

Ernst, aufrichtig und zerknirscht sah er mich an. Sichtlich überzeugt, daß ich ihm eine zweite Chance geben würde. Man beichtet, zeigt Reue, gelobt Besserung, und hoppla-hopp läuft alles wie gehabt.

«Es ist zu spät«, sagte ich.

Er gab nicht auf; stattdessen markierte er noch etwas mehr den liebenswerten Sünder, der weiß, daß er sehr böse war, der sich aber nun, da er ertappt wurde, zum wahren Engel wandelt.»Wahrscheinlich habe ich mich dumm benommen, weil mir die vielen Sonderausgaben über den Kopf wachsen«, sagte er.»Die Hypothekenrückzahlungen für den neuen Stall sind wirklich mörderisch, und wie du weißt, bin ich ja nur umgezogen, weil ich mehr Platz für deine Pferde brauchte.«

Jetzt war es meine Schuld, daß er betrügen mußte.

Ich sagte:»Ich habe dir doch angeboten, den alten Stall auszubauen.«

«Das hätte nicht gereicht«, warf er rasch ein; doch war die alte Stallanlage auch eher schlicht und bescheiden zu nennen, so war die neue dagegen einfach gewaltig. Zur Zeit des Umzugs hatte ich mich noch gefragt, wie er sich das leisten konnte. Jetzt wußte ich es nur zu gut.

«Nehmen wir das einfach mal als Warnschuß, ja?«sagte Jody überredend.»Ich möchte deine Pferde nicht verlieren, Steven. Das gebe ich offen zu. Die will ich nicht verlieren. Wir haben uns doch immer gut verstanden, oder? Hättest du nur was gesagt… Ich meine, wenn du mich angehauen hättest — Jody, alter Sack, was schreibst du mir denn da auf die Rechnung? — na, dann hätten wir das im Nu bereinigt. Aber als du hier aus heiterem Himmel explodiert bist und gesagt hast, du ziehst deine Pferde ab, direkt nach dem tollen Sieg von Energise… also da ist mir einfach der Kragen geplatzt. Geb ich ja zu. Ich habe Sachen gesagt, die nicht so gemeint waren. Du weißt schon. Tut ja jeder, wenn ihn die Wut packt.«

Er setzte ein Lächeln auf wie in alten Zeiten, als wäre nichts gewesen. Als stünde Energise jetzt nicht schwitzend in einem beschädigten Pferdetransporter neben uns. Als wäre mein Mantel nicht zerrissen und verdreckt, nachdem ich knapp dem Tod entgangen war.

«Steven, du kennst mich doch«, sagte er.»Ich gehe immer gleich hoch.«

Als ich nicht sofort antwortete, schloß er aus meinem Schweigen, daß ich seine Erklärungen und Entschuldigungen gelten ließ, und ging ohne weiteres zum praktischen Teil über.

«So, dann wollen wir den alten Knaben mal hier rausschaffen. «Er gab Energise einen Klaps auf die Kruppe.»Aber erst müssen wir die Karren auseinanderbringen, sonst geht die Rampe nicht runter. «Er schnalzte mit der Zunge.»Mal sehen, ob ich einfach zurücksetzen kann. Müßte eigentlich gehen.«

Er sprang aus der Tür und ging außen herum zum Fahrerhaus. Zwischen den Boxen hindurch sah ich, wie er sich ans Steuer setzte, die Gangschaltung prüfte und den Wagen anließ: ein kompetenter, zupackender Mensch, der sich schwierigen Situationen stellte.

Der Anlasser surrte, und dröhnend sprang der Diesel an. Jody setzte sich zurecht, legte den Rückwärtsgang ein und ließ vorsichtig die Kupplung kommen. Der Transporter erzitterte und stand still. Jody trat aufs Gas.

Durch die Frontscheibe sah ich ein paar Männer herankommen, auf deren Gesichtern sich Überraschung mit Zorn mischte. Einer von ihnen begann zu laufen und mit den Armen herumzufuchteln in der klassischen Manier desjenigen, der zu seinem Auto zurückkommt und feststellen muß, daß es verbeult ist.

Jody beachtete ihn nicht. Der Transporter ruckte, die eingedrückte Seite des Fahrerhauses schrammte an ihrem lädierten Nachbarn entlang, und Energise geriet in Panik.

«Jody, stopp«, rief ich.

Es ging an ihm vorbei. Er jagte den Motor hoch, nahm dann den Fuß runter, gab wieder Vollgas. Und noch einmal, und noch einmal.

Im Innern hörte es sich an, als bräche der ganze Transporter entzwei. Energise wieherte, zerrte an seinem Strick und trat mit den scharfen Hufen um sich. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn beruhigen sollte, und kam schwerlich nah genug an ihn heran, um ihm einen Klaps zu geben, selbst wenn das etwas genutzt hätte. Meine Beziehung zu Pferden beschränkte sich darauf, daß ich sie von weitem bewunderte oder ihnen Mohrrüben gab, wenn sie sicher angebunden waren. Niemand hatte mich instruiert, wie man ein hysterisches Tier in der Enge einer rumpelnden Keksdose bändigt.

Mit einem letzten gewaltigen Knirschen krachten die beiden verkeilten Fahrzeuge auseinander, und Jodys vom Widerstand befreiter Transporter schoß rückwärts. Energise glitt aus und setzte sich kurz auf die Hinterhand, und auch ich landete auf dem Boden. Jody stieg auf die Bremse, sprang aus dem Wagen und wurde prompt von den drei Neuankömmlingen gepackt, von denen einer jetzt vor Wut zu platzen drohte.

Ich stand auf, klopfte mir Heu von den Kleidern und faßte mein dampfendes, schäumendes, völlig verschrecktes vierbeiniges Eigentum ins Auge.

«Alles vorbei, alter Knabe«, sagte ich.

Es hörte sich absurd an. Ich lächelte, räusperte mich und versuchte es noch einmal.

«Ganz ruhig, Alter. Das Schlimmste ist überstanden.«

Energise machte noch nicht den Eindruck, als habe er begriffen. Ich sagte ihm, er sei ein prima Pferd, er habe ein prima Rennen gewonnen, er werde im Nu der Größte sein und solle wissen, daß ich ihn sehr bewundere. Ich sagte ihm, er werde bald in einen schönen ruhigen Stall kommen, obwohl ich noch gar nicht genau wußte, in welchen, und da werde ihm erst mal jemand eine ordentliche Ladung extrafeines Heu vorsetzen und einen Eimer Kranenberger und bestimmt auch noch Hafer und solche Dinge. Es tue mir leid, daß ich gerade keine Mohrrübe in der Tasche hätte, aber nächstes Mal würde ich ihm eine mitbringen.

Nach einer Weile schien ihn das Geschwätz zu beruhigen. Ich streckte die Hand aus und klapste ihm den Hals. Sein Fell war naß und feuerheiß. Er schüttelte heftig den Kopf und blies energisch durch die feuchten schwarzen Nüstern, aber man sah das Weiße in seinen Augen nicht mehr, und er hatte aufgehört zu zittern. Mittlerweile interessierte er mich auf eine nie gekannte Art: als Persönlichkeit, die zufällig ein Pferd war.