Futtermeister gesagt, und der hat es mir gesagt, und ich habe mich selbst überzeugt. Und jetzt möchte ich eine Erklärung.«
«Und zwar eine gute«, ergänzte ich in Anlehnung an seinen Schulmeisterton. Er zeigte sich nicht belustigt.
«Das ist kein Scherz.«
«Mag sein. Aber ein Verbrechen ist es auch nicht. Wenn Sie sich ein klein wenig beruhigen, erkläre ich es Ihnen.«
«Sie haben mir ein Pferd vertauscht. Kein vernünftiger Trainer läßt sich das bieten. «Sein Zorn war kalt und tief.
Ich sagte:»Das Pferd, das Sie für Energise gehalten haben, war das vertauschte. Und das habe nicht ich hergebracht, sondern Jody. Das Pferd, das Sie fürs Champion Hurdle trainieren wollten und das heute morgen hier wegging, ist ein ziemlich unbrauchbarer Siegloser namens Padellic.«
«Das glaube ich nicht.«
«Als Energise«, hob ich hervor,»hat er Sie maßlos enttäuscht.«
«Tja…«Ein erster leiser Zweifel kroch in seine Stimme.
«Als ich herausfand, daß Sie das falsche Pferd bekommen hatten, bat ich Sie ausdrücklich, es in kein Rennen zu führen, damit es nur ja nicht hieß, Sie — oder ich — hätten ein vertauschtes Pferd laufen lassen.«
«Aber wenn Sie es doch wußten… wieso haben Sie dann Jody nicht sofort auf seinen Irrtum hingewiesen?«
«Es war kein Irrtum«, sagte ich einfach.»Er hat absichtlich das falsche Pferd geschickt.«
Rupert ging zweimal schweigend durch das Zimmer und machte uns dann, immer noch wortlos, etwas zu trinken.
«Schön«, sagte er und reichte mir ein Glas.»Bitte erzählen Sie.«
Ich erzählte eine ganze Zeit lang. Er bedeutete mir, Platz zu nehmen, setzte sich mir gegenüber und hörte aufmerksam mit ernster Miene zu.
«Und dieser Wachdienst…«, sagte er schließlich.»Rechnen Sie damit, daß Jody versucht, sich Energise wieder zu holen?«
Ich nickte.»Jody ist ein ungemein entschlossener Mensch. Ich habe einmal den Fehler gemacht, seine Energie und seine Schnelligkeit zu unterschätzen, und schon war ich Energise los. Ich nehme an, als er heute bei seiner Rückkehr aus Chepstow gehört hat, was Felicity, der Fahrer und der Pfleger zu erzählen hatten, ist er in die Luft gegangen und hat beschlossen, sofort zu handeln. Er ist nicht der Typ, der eine Sache erst mal überschläft. Er kommt heute Nacht. Ich glaube und hoffe, daß er heute Nacht kommt.«
«Weiß er denn genau, daß Energise hier ist?«
«Das kann er sich wohl denken«, sagte ich.»Er wird seinen Fahrer über die Tour befragen, und der wird ihm von der Verkehrszählung berichten. Jody wird nachhaken und erfahren, daß Pete Duveen auch da war. Dann ruft Jody vermutlich Pete Duveen an, um zu hören, ob dem irgendetwas aufgefallen ist, und Pete, der nichts zu verbergen hat, wird ihm sagen, daß er hier ein schwarzes Pferd abgeholt hat. Und daß er auch wieder ein schwarzes Pferd hergebracht hat. Und daß ich mit am Verkehrskontrollpunkt war. Ich habe ihn nicht darum gebeten, das für sich zu behalten, und offen und frei heraus, wie er ist, wird er es schon sagen.«
Um Ruperts Mundwinkel zuckte der Anflug eines Lächelns.
Er verscheuchte es sofort.»Ich billige eigentlich nicht, was Sie getan haben.«
«Nichts Gesetzwidriges«, merkte ich an, ohne auf den Grenzfall mit Berts Pseudopolizeiuniform einzugehen.
«Mag sein. «Er dachte darüber nach.»Und die Wachleute sollen den Diebstahl von Energise verhindern und gleichzeitig Jody auf frischer Tat ertappen?«
«Genau.«
«Ich habe sie heute Abend auf dem Hof gesehen. Zwei Mann. Die sagten, sie erwarten Anweisungen von Ihnen, wenn Sie heute Abend kommen, aber da war ich offen gestanden so sauer auf Sie, daß ich kaum hinhörte.«
«Ich habe auf dem Weg ins Haus mit ihnen gesprochen«, bestätigte ich.»Einer geht in regelmäßigen Abständen den Hof ab, der andere setzt sich vor die Box. Sie sollen sich bei jeder Gelegenheit von ihrer Wache abbringen lassen.«
«Sie sollen?«
«Natürlich. Die Maus muß sich doch den Käse ansehen können.«
«Großer Gott.«
«Und könnten Sie — würden Sie sich vielleicht bereithalten, um als Zeuge aufzutreten, wenn Jody nach der Beute greift?«
Zum ersten Mal schien ihm bewußt zu werden, daß auch er Jodys Opfer war. Sein Gesicht nahm fast den gleichen Ausdruck an wie das von Charlie und von Bert — als fände er Gegenmaßnahmen ganz reizvoll. Das Lächeln zuckte wieder in den Mundwinkeln.
«Es hängt natürlich davon ab, um welche Zeit Jody kommt… wenn er denn kommt… aber zwei meiner Gäste heute Abend wären die besten unabhängigen Zeugen, die man sich wünschen kann. Eine Richterin und der Gemeindepfarrer.«
«Bleiben die länger?«
«Wir können's versuchen. «Er überlegte ein wenig.»Was ist mit der Polizei?«
«Wie schnell kann sie hier sein, wenn sie gerufen wird?«
«Hm… zehn Minuten. Viertelstunde.«
«Das reicht dann schon.«
Er nickte. Draußen klingelte es leise, die Ankündigung weiterer Gäste. Er stand auf, zögerte kurz, legte die Stirn in Falten und sagte:»Wenn die Wache sich weglocken lassen soll, warum wird sie dann überhaupt an der Tür postiert?«
Ich lächelte.»Wie soll Jody sonst wissen, an welche Box er sich halten muß?«
Die Dinnerparty schien endlos, wenn ich mich auch nachher an kein Wort und keinen Bissen erinnern konnte. Sieben andere saßen am Tisch, alle unterhaltsamer als ich, und insbesondere der Pfarrer glänzte mit seiner Verwandlungskunst. Ich hörte mit halbem Ohr die Serie nachgemachter Stimmen und sah, wie man sich ringsherum vor Lachen kugelte, konnte aber nur an meine Leute draußen in der Winternacht denken und an den Dieb, den ich anzulocken hoffte. Zum Leidwesen seines Publikums verwandelte sich der Pfarrer um Mitternacht in Aschenbrödel und verschwand, um sich für den Sonntag zu rüsten, und bald darauf gingen drei weitere Gäste. Rupert drängte die letzten zwei, noch auf einen Schlummertrunk zu bleiben: die Richterin und ihren Mann, einen stillen jungen Oberst im aktiven Dienst, der ungeahnte Mengen Portwein vertrug. Er blieb beim Anblick einer frischen Karaffe gern noch ein Weilchen, und sie schäkerte in gespielter Resignation weiter mit Rupert.
Mir gingen die gleichen Bedenken durch den Kopf wie am Morgen. Wenn ich nun falsch lag? Wenn Jody nicht kam? Was, wenn er kam, aber nicht bemerkt wurde, und wenn es ihm gelang, das Pferd zu stehlen?
Nun… auch darauf war ich eingestellt. Zum hundertsten Mal ging ich die Eventualitäten durch. Ich überlegte, an was ich noch nicht gedacht, was ich noch übersehen, was ich noch nicht eingeplant hatte. Rupert nahm meinen abwesenden Gesichtsausdruck belustigt zur Kenntnis und versuchte nicht, mich auf den Boden zurückzuholen.
Es klingelte lang, laut und energisch dreimal an der Tür.
Ich war schneller auf den Beinen, als es sich gehörte.
«Nur zu«, sagte Rupert nachsichtig.»Wir kommen gleich nach, wenn Sie uns brauchen.«
Ich nickte, verließ das Zimmer und ging über den Flur zur
Haustür. Mein Helfer stand draußen; grauer Flanellanzug, besorgter Blick, Taschenlampe.
«Was ist?«
«Ich weiß nicht genau. Die beiden anderen sollten den Hof abgehen, und ich habe sie schon eine Weile nicht mehr gesehen. Ich glaube aber, wir haben Besuch, nur ist er nicht mit einem Pferdetransporter gekommen.«
«Haben Sie ihn gesehen? Den Besuch?«
«Nein. Nur das Auto. Sie haben es neben der Straße in wildem Rhododendron versteckt… Jedenfalls steht da ein Auto, das vor einer halben Stunde noch nicht da war. Was meinen Sie?«
«Wir sollten nachsehen«, sagte ich.
Er nickte. Ich ließ Ruperts Haustür angelehnt, und wir gingen zusammen zum Hoftor. An der Einfahrt stand der Lieferwagen, mit dem die Wachmänner gekommen waren, und draußen kamen wir nach kaum fünfzig Metern zu dem Wagen im Gebüsch, der selbst im Schein der Taschenlampe schwer zu sehen war.