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Er sagte lächelnd, das werde er nicht tun, und stellte damit mein Vertrauen in die Menschheit fast wieder her. Ich dankte ihm, daß er sich die Mühe gemacht hatte, mich zu suchen, anstatt den Mund zu halten, das falsche Pferd wegzubringen und mir eine Rechnung für die getane Arbeit zukommen zu lassen. Er sah mich an, als faßte er nicht, wie jemand so zynisch sein konnte, und ich dachte mir, daß ich das auch erst von Jody gelernt hatte.

Jody hatte sich Energise also doch geschnappt.

Ich war stocksauer, auch wegen meiner eigenen Kurzsicht. Wenn er imstande war, mich von Andy-Fred über den Haufen fahren zu lassen, hätte ich wissen müssen, daß er nicht beim ersten Rückschlag aufgeben würde. Er war fest entschlossen gewesen, mich zu überlisten und Energise mit nach Hause zu nehmen, und ich hatte seine Sturheit wie auch seine Frechheit unterschätzt.

Je rascher ich Jody loswurde, desto besser. Ich ging zu meinem Wagen und dachte, als ich die Rennbahn verließ, einzig und allein daran, welchem Trainer ich meine Pferde anvertrauen sollte und wie schnell der Wechsel zu bewerkstelligen wäre.

Charlie lächelte über die blanke helle Tischplatte bei Parkes hinweg und schob die leere Kaffeetasse zur Seite. Seine Zigarre war halb geraucht, sein Portwein halb getrunken und sein Magen, wenn ich von meinem ausging, wohlig gefüllt mit gutem Essen, dem vielleicht besten in ganz London.

Ich fragte mich, wie Charlie in jungen Jahren ausgesehen hatte, vor dem Wohlstandsbauch und den Hängebacken. Erfolgreiche Geschäftsleute durften ruhig ihr Teil wiegen, dachte ich. Hager und hungrig waren die Anfänger, die Hitzköpfe, die es eilig hatten. Charlie strahlte mit jedem überschüssigen Pfund Reife und Kompetenz aus.

Er hatte glattes, angegrautes Haar, oben dünn und an den Seiten zurückgekämmt. Tiefliegende Augen, große Nase, fester, gerader Mund. Nach herkömmlichen Maßstäben kein gutaussehendes Gesicht, aber eines, das sich einprägte. Wer einmal mit Charlie zusammengetroffen war, erkannte ihn in der Regel sofort wieder.

Er war allein gekommen, und das von ihm gewählte Restaurant bestand aus mehreren eher kleinen Räumen mit jeweils drei oder vier Tischen; ein ruhiger Ort, an dem man ungestört war. Charlie hatte vom Pferderennen, vom Essen, vom Premierminister und vom Stand der Börse geredet, war aber noch nicht zur Sache gekommen.

«Ich habe den Eindruck«, sagte er freundlich,»daß Sie auf etwas warten.«

«Sie haben mich noch nie zum Essen eingeladen.«

«Ich bin gern in Ihrer Gesellschaft.«

«Und das ist alles?«

Er tippte die Asche von seiner Zigarre.»Natürlich nicht«, sagte er.

«Das dachte ich mir«, erwiderte ich lächelnd.»Aber wahrscheinlich habe ich mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von Ihnen bewirten lassen.«

«Wissentlich?«

«Mag sein. Ich weiß nicht so genau, was Sie beschäftigt.«

«Ihre Geistesabwesenheit«, sagte er.»Wenn jemand wie Sie so abhebt…«

«Also doch«, seufzte ich.»Nun, das war kein produktiver Zustand der Entrückung, sondern die Nachwirkung eines wohl endgültigen Streits, den ich kurz vorher mit Jody Leeds gehabt habe.«

Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.»Wie schade.«

«Daß wir uns gestritten haben, oder daß keine Inspiration im Spiel war?«

«Beides, würde ich sagen. Worum ging es bei dem Streit?«

«Ich habe ihm gekündigt.«

Er machte große Augen.»Ja, aber wieso denn?«

«Wenn ich das jemand erzähle, will er mich wegen übler Nachrede verklagen.«

«Was Sie nicht sagen!«Charlie wirkte wieder voll und ganz interessiert, wie ein Pferd, das neuen Biß bekommt.

«Könnte er das denn?«

«Wahrscheinlich.«

Charlie zog an der Zigarre und stieß den Rauch aus dem Mundwinkel langsam wieder aus.»Wollen Sie es drauf ankommen lassen?«

«Auf Ihre Diskretion könnte man wohl zählen…«

«Unbedingt«, sagte er.»Versprochen.«

Ich glaubte ihm. Ich sagte:»Er hat einen Weg gefunden, mich um große Summen zu prellen, ohne daß ich davon etwas gemerkt habe.«

«Aber Sie müssen doch gewußt haben, daß jemand…«

Ich schüttelte den Kopf.»Ich bin sicher nicht der erste, den man auf die Tour verladen hat. Es ist ein Kinderspiel.«

«Lassen Sie hören«, sagte Charlie.»Das interessiert mich jetzt.«

«Gut. Dann nehmen Sie mal an, Sie sind an sich ein guter Pferdetrainer, aber Sie haben ein ungebremstes Verlangen nach unverdienten Einkünften.«

«Was folgt dann?«fragte Charlie.

«Als erstes«, sagte ich,»braucht man dafür einen begeisterungsfähigen Dummen, der Geld hat und wenig vom Rennsport versteht.«

«Sie?«fragte Charlie.

«Mich. «Ich nickte traurig.»Jemand empfiehlt Sie mir als guten Trainer, und mich beeindruckt das Flair von Kompetenz und Hingabe, das Sie umgibt, also frage ich Sie, ob Sie mir ein gutes Pferd besorgen könnten, da ich gern Besitzer werden möchte.«

«Und ich kaufe preiswert ein gutes Pferd und knöpfe Ihnen ein Vermögen dafür ab?«

«Nein. Sie kaufen das beste Pferd, das Sie kriegen können. Ich bin hingerissen, Sie fangen mit dem Training an, und schon bald ist das Pferd bereit für die Rennbahn. Nun erzählen Sie mir, daß Sie einen sehr vertrauenswürdigen Buchmacher kennen, und machen mich mit ihm bekannt.«

«Hm, hm!«

«Sie sagen es. Aber der Buchmacher ist hoch angesehen, und da ich es nicht gewohnt bin, größere Summen zu wetten, bin ich froh, mich in so würdigen Händen zu wissen. Sie als mein Trainer sagen mir, mein Pferd berechtige zu großen

Hoffnungen, da dürfe ich bei seinem ersten Rennen ruhig einmal eine kleine Wette auf Sieg und Platz wagen. Hundert Pfund vielleicht.«

«Eine kleine Wette!«rief Charlie aus.

«Sie heben hervor, daß das gerade mal die Trainingsgebühr für drei Wochen sei«, sagte ich.

«Tu ich das?«

«Tun Sie. Ich schlucke erst mal, weil ich bis jetzt immer nur Zehner gewettet habe, und dann setze ich die hundert auf Sieg und Platz. Aber das Pferd läuft wirklich gut und wird Dritter, und der Buchmacher zahlt ein wenig, statt mich blechen zu lassen.«

Ich trank meinen Rest Portwein. Charlie trank ebenfalls aus und bestellte Kaffee nach.

«Beim nächsten Start des Pferdes«, fuhr ich fort,»sagen Sie, nun sei es wirklich top, es könne nicht verlieren, und wenn ich jemals eine große Wette anlegen wolle, dann sei jetzt die Zeit dafür, bevor alle Welt auf den Karren aufspringe. Der Buchmacher bietet mir einen guten Kurs, und ich gehe auf Wolken und wage den Sprung.«

«Tausend?«

Ich nickte.»Tausend.«

«Und?«

«Es spricht sich rum, und das Pferd startet als Favorit. Aber es ist nicht sein Tag. Es läuft schlechter als beim ersten Mal und wird Fünfter. Sie sind außer sich. Da kommen Sie nicht mit. Prompt tröste ich Sie und sage Ihnen, daß es nächstes Mal bestimmt wieder besser läuft.«

«Aber es läuft beim nächsten Mal nicht besser?«

«Es läuft. Es gewinnt wunderschön.«

«Aber Sie haben nicht auf das Pferd gesetzt?«

«Doch. Diesmal ist die Quote nicht wie davor 35 zu 10, sondern 70 zu 10. Ich setze fünfhundert, gewinne dreitausend und freue mich riesig. Ich habe den Verlust vom letzten Mal mehr als wettgemacht und außerdem ja noch das Sieggeld bekommen. Ich zahle die Trainingsrechnungen aus dem Gewinn, habe einen Teil vom Kaufpreis für das Pferd bereits wieder eingebracht und bin hochzufrieden mit meinem Besitzerdasein. Ich bitte Sie, mir noch ein Pferd zu kaufen.

Auch zwei oder drei, wenn es sich anbietet.«

«Und diesmal bekommen Sie teure Versager?«

«Keineswegs. Mein zweites Pferd ist ein fabelhafter Zweijähriger. Er gewinnt sein Debüt. Ich habe zwar nur hundert auf ihn gesetzt, aber da er 110 zu 10 steht, bin ich trotzdem sehr zufrieden. Also ermutigen Sie mich bei seinem nächsten Lauf, den es als von allen Zeitungen getippter heißer Favorit antritt, zu einer richtig großen Wette auf mein Pferd. So eine Gelegenheit bekommt man nicht oft, sagen Sie, die Konkurrenz sei chancenlos. Ich lasse mich überzeugen und setze dreitausend Pfund.«