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«Ich hasse den Winter«, sagte er.

«Mir macht er nichts aus.«

«Sie sind jung«, meinte er.»Sie spüren die Kälte nicht.«

«So jung auch wieder nicht. Fünfunddreißig.«

«Fast noch ein Baby.«

Wir bogen um die Ecke, und der Wind biß mit arktischen Zähnen.»Fürchterlich«, sagte Charlie.

Sein Wagen, ein großer blauer Rover 3500, stand weiter vorn als mein Lamborghini. Wir hielten vor dem Rover an, und er schloß die Tür auf. Ein Mädchen in einem langen Rock kam vom Ende der Straße auf uns zu; der Wind ließ ihre Haare und ihren Rock wie Fahnen zur Seite wehen.

«Sehr informativer Abend«, sagte Charlie, die Hand ausstreckend.

«Aber anders, als Sie erwartet hatten«, sagte ich und erwiderte den Händedruck.

«Vielleicht sogar besser.«

Er öffnete die Tür und ließ sich auf den Fahrersitz sinken. Das Mädchen im langen Rock ging an uns vorbei, ihre Absätze klapperten auf dem Pflaster. Charlie schnallte sich an, und ich schlug seine Tür zu.

Das Mädchen blieb stehen, zögerte und kam zurück.

«Entschuldigung«, sagte sie.»Aber könnten Sie mir…«Sie brach ab, als hätte sie es sich anders überlegt.

«Können wir Ihnen helfen?«sagte ich.

Sie war Amerikanerin, Anfang Zwanzig, und ihr war sichtlich kalt. Um die Schultern trug sie nur einen Seidenschal, darunter eine dünne Seidenbluse. Keine

Handschuhe. Goldene Sandalen. Eine kleine goldene Netzhandtasche. Ihre Haut schimmerte blau in der Straßenbeleuchtung, und sie zitterte erbärmlich.

«Steigen Sie ein«, meinte Charlie durchs heruntergekurbelte Fenster,»raus aus dem Wind.«

Sie schüttelte den Kopf.»Ich glaube…«Schon wandte sie sich ab.

«Seien Sie nicht albern«, sagte ich.»Sie brauchen Hilfe. Also lassen Sie sich helfen.«

«Aber… «

«Sagen Sie uns, was Sie brauchen.«

Sie zögerte erneut und stieß dann hervor:»Ich brauche etwas Geld.«

«Das ist alles?«sagte ich und zog meine Brieftasche heraus.»Wieviel?«

«Für ein Taxi… nach Hampstead.«

Ich hielt ihr einen Fünfer hin.»Reicht das?«

«Ja. Ich… wohin schicke ich den zurück?«

«Lassen Sie nur.«

«Das fehlte noch.«

Charlie sagte:»Er schwimmt in Geld. Er ist nicht darauf angewiesen.«

«Darum geht's nicht«, sagte die junge Frau.»Ich kann es nicht annehmen, wenn Sie mir nicht sagen, an wen ich es zurückzahlen kann.«

«Es ist absurd, über Fragen des Anstands zu streiten, wenn man friert«, sagte ich.»Ich heiße Steven Scott. Die Adresse ist Regent's Park, Malthouse. Das kommt an.«

«Danke.«

«Wenn Sie wollen, fahre ich Sie auch. Da steht mein Wagen. «Ich zeigte die Straße hinunter.

«Nein, danke«, erwiderte sie.»Was glauben Sie, wie ich in den Schlamassel hineingeraten bin?«

«Wie denn?«

Sie zog den dünnen Schal um sich.»Ich habe mich zum Abendessen einladen lassen und dann festgestellt, daß die Sache einen Haken hatte. Also habe ich den Herrn mit seiner Suppe sitzenlassen und bin davongestürmt. Erst draußen ging mir auf, daß ich kein Geld dabeihabe. Er hatte mich nämlich abgeholt. «Sie lächelte plötzlich und zeigte ebenmäßige weiße Zähne.»Manche Mädchen sind dümmer als andere.«

«Steven kann Ihnen ja ein Taxi besorgen«, sagte Charlie.

«Einverstanden.«

Es dauerte zwar einige Minuten, bis ich eins fand, aber sie stand immer noch gegen den Wind geduckt vor Charlies Wagen, als ich wiederkam. Ich stieg aus dem Taxi, sie stieg ein und fuhr unverzüglich davon.

«Der Narr und sein Geld«, meinte Charlie.

«Das war kein Bauernfängertrick.«

«Wäre doch ein guter«, sagte er.»Woher wissen Sie, ob sie nicht zwei Straßenzüge weiter aus der Taxe springt und den nächsten Kavalier um einen Fünfer erleichtert?«

Lachend drehte er die Scheibe hoch, winkte und lenkte seinen Rover heimwärts.

Montag früh kam die gute Nachricht und die schlechte.

Die gute war ein Brief, dem eine 5-Pfund-Note beilag. Geschnitten, Charlie, dachte ich.

Lieber Mr. Scott,

es war sehr nett, daß Sie mir am Samstagabend geholfen haben. Sicher gehe ich nie wieder ohne Geld für die Heimfahrt zu einer Verabredung.

Mit freundlichen Grüßen Alexandra Ward

Die schlechte Nachricht war gedruckt: Meine beiden abonnierten Tageszeitungen (eine für den Rennsport, eine allgemeine) ließen sich über die Treulosigkeit von Besitzern aus, die ihre schwer arbeitenden Trainer abschießen. Eine schrieb:

Doppelt hart für Jody Leeds nach allem, was er für Mr. Scott getan hat, daß der Besitzer nun aus heiterem Himmel erklärt, seine Pferde in andere Hände geben zu wollen. Wie wir vor Jahresfrist an dieser Stelle groß berichteten, hat Jody Leeds eigens den Großstall Berksdown Court übernommen, um die wachsende Zahl von Scott-Pferden unter Dach zu bringen. Jetzt steht der achtundzwanzig Jahre alte Trainer plötzlich allein und verlassen da mit einem Berg noch offener Verbindlichkeiten. Verrat wäre vielleicht ein zu starkes Wort. Undankbarkeit nicht.

Die andere, in eher reißerischem Ton:

Enttäuscht über den Absprung des undankbaren Besitzers Steven Scott (35), sagte Leeds (28) am Sonnabend in Sandown:»»Jetzt bin ich geliefert. Scott hat mich fallenlassen, während er noch die Glückwünsche für den Sieg seines von mir trainierten Hürdlers Energise entgegennahm. Mir blutet das Herz. Da legt man sich für einen Besitzer krumm, und er tritt einen in den Hintern.«

Höchste Zeit, unsere Trainer vor dergleichen zu schützen. Man munkelt, daß Leeds vor Gericht gehen will.

Die vielen Notizbücher der Presse, die vielen gespitzten Ohren waren nicht umsonst dagewesen. Wahrscheinlich glaubten sie ja wirklich alle, daß Jody unfair behandelt worden war, aber nicht einer hatte danach gefragt, wie das Ganze von meiner Warte aussah. Nicht einer schien anzunehmen, daß es für mein Verhalten einen zwingenden Grund geben könnte.

Empört legte ich die Zeitungen weg, frühstückte zu Ende und nahm mein Tagwerk in Angriff, das wie üblich weitgehend darin bestand, daß ich still in einem Sessel saß und vor mich hin starrte.

Um die Mitte des Nachmittags, steif und fröstelnd, schrieb ich an Miss Ward.

Liebe Miss Ward,

vielen Dank für den Fünfer. Würden Sie mit mir essen gehen? Es ist kein Haken dran. Anbei fünf Pfund für das Taxi nach Hause.

Mit freundlichen Grüßen Steven Scott

Gegen Abend telefonierte ich mit drei verschiedenen Trainern und bot ihnen jeweils drei Pferde an. Alle sagten zu, doch ihre Vorbehalte waren deutlich zu spüren. Keiner von ihnen fragte, warum ich mich von Jody getrennt hatte, obwohl alle offensichtlich Zeitung gelesen hatten.

Einer, ein sehr direkter Nordengländer, sagte:»Ich möchte eine Garantie, daß die Pferde mindestens sechs Monate bei mir bleiben, wenn sie nicht gerade lahm gehen oder

«In Ordnung.«

«Schriftlich.«

«Wenn Sie wollen.«

«Ja, ich will. Wenn Sie mir die Pferde mit der Garantie rauf schicken, sind wir im Geschäft.«

Für Energise wählte ich einen großen Hof in Sussex, auf dem Hürdler besonders gut gediehen, und den vorsichtigen Worten des Trainers Rupert Ramsey konnte ich entnehmen, daß er von dem Pferd fast soviel hielt wie ich selbst.Für die letzten drei suchte ich einen mittelgroßen Durchschnittsstall in Newmarket aus. Nie wieder würde ich alles auf eine Karte setzen.

Schließlich biß ich die Zähne zusammen, griff zum Hörer und wählte Jodys vertraute Nummer. Aber nicht er, sondern Felicity, seine Frau, meldete sich.

Ihre Stimme war scharf und bitter.»Was willst du?«