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»Warum hast du mich hergeführt?«

»Will mit dir allein reden, hier reden, reden am Grabe von meines Volkes Häuptling. Hier nur Wahrheit reden, der große Panther hört es.«

Leise säuselte der Wind in den Blättern. Die tiefe Stille des Waldes, der alte Grabhügel vor ihm, der Sprößling eines Volkes, welches einst hier herrschte, neben ihm, der feierliche Ton, in welchem der Indianer mit ihm sprach, das alles machte auf den Grafen besonderen Eindruck.

Es beschlich ihn ein Gefühl, als ob der Geist des alten Indianerhäuptlings sie umschwebte.

Er blickte in seines roten Gefährten ernstes Gesicht und sagte: »Athoree möge reden.«

»Erst sagen, warum gehen zu Ottawa?«

»Es ist dir schon mitgeteilt, ich suche die Spur meiner Schwester, welche die Ottawas vor drei Jahren vom Manistee in die Gefangenschaft geführt haben, und du sollst nun helfen, sie zu finden.«

»Nicht mehr Spur finden - Sonne, Wind und Regen Spur längst verweht.«

»Vielleicht lebt sie noch in der Gefangenschaft der roten Männer.«

»Nicht wagen, weiße Frau gefangen halten - nicht wagen,« sagte der Indianer nachdrücklich.

»Und lebt sie nicht mehr, so will ich ihre letzte Spur auf Erden, ihr Grab suchen.« [86]

»Gut. Athoree suchen und finden Meschepesches Grab, suchen deiner Schwester Grab, ihn auch finden.«

»Und willst du mir beistehen?«

»Du gesehen Athoree im Nebel, dicker Nebel, dreimal, einmal. Du gut gegen fremden betrunkenen Indianer, schützen ihn gegen rote Hand - du Gutherz - nicht vergessen. Du denken, Athoree schlechter Injin, weil trinken Rum, viel Rum, bis Nebel ganz dick im Kopf. Trinken nicht auf Jagd, nicht auf Kriegspfad, trinken, wenn böse Gedanken kommen, viel böse Gedanken, Rum scheuchen sie weg, und Athoree sehen glückliche Jagdgründe vor sich, sehen die Wyandots, wie sie noch herrschen im Land, und zahlreich sind, wie die Blätter des Waldes. Darum Athoree trinken.«

»Nun, ich habe zu meiner Freude gesehen, daß du, sobald ernste Forderungen an dich herantreten, auch dem Rum entsagen kannst.«

»Immer nur trinken, wenn der böse Geist Degschuhvenoh sendet schlimme Gedanken.«

»Ich schenke dir, Athoree, wenn du mich begleiten willst, mein volles Vertrauen.«

»Das gut, ihm vertrauen, das gut.«

»Und willst du mit mir gehen?«

»Ich will mit dir gehen nach Norden. Vielleicht sendet mich Manitou dorthin -vielleicht,« setzte er leiser hinzu, »der böse Geist - Athoree will gehen und dich beschützen.«

»Gut, ich danke dir.« Und der Graf reichte ihm die Hand, die der Indianer mit einem freundlichen Lächeln nahm und drückte.

»Meschepesche alles hören, nicht Lüge sagen, wo er hören - gerade Zunge, eine Zunge.«

»Das setze ich voraus.«

Der Indianer stand auf und bestieg langsam den Totenhügel, den er, seitdem er in dessen Nähe weilte, durch Entfernung der ihn überwuchernden Pflanzen emsig pflegte. Oben begann er leise zu singen in nicht unmelodischen langgetragenen Tönen. Dreimal umschritt er in der Höhe den Hügel, dann verstummte sein Gesang, und er kam wieder herab.

»Meschepesche sagen, daß Athoree gehen mit weißem Mann nach Norden, ihm sagen, sonst denken, Enkel undankbar gegen großen Vater. Komm, Gutherz, jetzt gehen.«

Bald befanden sie sich wieder in Grovers Heim, wo noch immer Baring weilte, während der Konstabel sich bereits entfernt hatte. [87]

Der junge Mann teilte den beiden mit, daß der Indianer ihm erklärt habe, er wolle ihn begleiten.

»Es ist ein hohes Zutrauen, John, welches dir der Fremde schenkt, und wie ich dich kennen gelernt habe, wirst du es rechtfertigen.«

»Athoree nur eine Zunge, ihn führen hin, ihn führen her.«

Es wurde nun noch mancherlei über die Fahrt in die Wälder gesprochen und dem Grafen Ratschläge erteilt. Besonders aber ihm empfohlen, sich in Lansing vorerst die nötigen Empfehlungen zu verschaffen.

In freundlich väterlicher Weise nahm dann Baring Abschied von ihm, ihn wiederholt bittend, ihm von den Resultaten seiner Forschungen Mitteilung zu machen, was Graf Edgar versprach.

Am andern Tage erhandelte er dann zwei Pferde von Jones, das eine für sich als Ersatz für das von Morris geraubte Tier, ein andres für den Indianer, und am Morgen des dritten Tages traten sie, Athoree stattlich mit neuer Kleidung ausgerüstet, die ihm der Graf gekauft hatte, nach einem herzlichen Abschiede von den braven Grovers, die den jungen deutschen Edelmann lieb gewonnen hatten, die Reise nach Süden zu an, den Weg, den sie vor wenig Tagen gekommen waren.

Fünftes Kapitel.

In Lansing.

In dem freundlichen Lansing, der Hauptstadt Michigans, schritt, es ist mehr als eine Woche vergangen, seitdem wir Grovers Farm verließen, Graf Edgar in städtischer Kleidung dem Gouvernementsgebäude zu. Den größten Teil seines mitgeführten, teils ihm von Detroit nachgesandten Gepäckes hatte er, ehe er seine Reise zum Muskegon antrat, hier in einem Hotel zurückgelassen, so daß es ihm leicht ward, seine für den Wald berechnete Kleidung angemessen zu verändern. Gaben Tracht und Haltung den Mann vom Stande zu erkennen, so würde jeder Europäer, und besonders der Deutsche, auch sofort in ihm den Offizier im Zivilkleide erkannt haben. Heinrich war mit ihm in Lansing, während er den an die Städte nicht gewöhnten Indianer in einem einsamen Wirtshause vor der Stadt zurückgelassen hatte, um ihn später wieder zu sich zu rufen.

Leichten Schrittes stieg der Offizier der Königsgrenadiere die zum Gouvernementsgebäude führende Treppe hinan und ersuchte im Vestibül einen Bediensteten, ihn zu dem Sekretär Mr. Myers zu führen.

Alsbald stand er vor einem behäbigen Herrn von untersetzter, kräftiger Statur, dessen braunrötliches, frisches Angesicht keineswegs auf einen Stadtbewohner schließen ließ.

Mr. Myers empfing den Grafen höflich, und als ihm dieser, nach seinem Begehr gefragt, das Schreiben Barings eingehändigt, lachte der schon bejahrte Herr, als er es erblickte, so herzlich, daß ihm die Tränen in die Augen traten: »Verzeihen Sie, Herr Graf, meinen ungezügelten Ausbruch von Heiterkeit, aber dieses Schriftstück ist die seltsamste Ausgeburt des Hinterwaldes, die mir je vorgekommen ist. Alter ehrlicher Joe, wir sind Jugendfreunde, Baring und ich. Herr, was mag dir dies Dokument Schweißtropfen gekostet haben -« Und er lachte herzlich von neuem.

Endlich öffnete er den Brief, blickte hinein, und wurde während des Lesens immer ernster. Er legte ihn dann beiseite und sagte: »Aller Beistand, Herr Graf, den ich zu leisten vermag, soll Ihnen gern zu teil werden. Die traurige Angelegenheit hat uns seiner Zeit viel beschäftigt. Indessen ist der Einfluß der Regierung auf jene einsamen und entfernten Gegenden wie auf die in unserm Staate lebenden Indianer nicht bedeutend. Wir hängen dort von untergeordneten Organen ab, die nicht immer zuverlässig sind, wie ich mit Bedauern eingestehen muß. Ich selbst bin im Walde und an der Indianergrenze aufgewachsen, deshalb hat man mich auch hier mit den Indianerangelegenheiten betraut, und kenne ziemlich Land und Leute, bin ja auch nicht ohne Einfluß, besonders auf das Haupt der Ottawas, den Peschewa, aber dieser Einfluß ist sehr bedingter Natur, wie denn ein Indianer in seinen Launen ganz unberechenbar ist. Gern gebe ich Ihnen ein Schreiben an den Mann mit, er kennt das Regierungssiegel, wenn er auch den Inhalt ohne einen Dolmetsch nicht enträtseln kann, und ein solcher ist nicht immer bei der Hand, aber das Siegel legitimiert Sie wenigstens. Sind Sie in der Lage, einige Geschenke hinzuzufügen, wie jene Leute sie lieben, so wird das den Eindruck des Regierungsschreibens wesentlich verstärken. Unser Agent dort oben am Manistee wird Ihnen auf mein Ersuchen ebenfalls alle möglichen Dienste leisten, und Sie können auf der Agentur alles das erlangen, was Sie für die Indianer als Geschenke brauchen.«