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Mr. Myers forderte auf, zu Tisch zu gehen. Oberst Schuyler bot galant der Frau vom Hause seinen Arm, während der Hausherr Miß Schuyler den seinigen lieh; Edgar führte Miß Myers zu dem nahe liegenden geräumigen Diningroom.

Das Mahl war einfach, aber trefflich und die gebotenen Weine vorzüglich.

Während einer der Pausen im Laufe des Mahles bemerkte Oberst Schuyler: »Ich habe vor dem französischen Kriege Ihr Vaterland besucht, Herr Graf, und doch dort einen andern Eindruck von dem deutschen Volkscharakter gewonnen, als wir ihn von dem größeren Teile der bei uns ansässigen Deutschen empfangen.«

»Sind Ihnen meine hier heimisch gewordenen Landsleute nicht sympathisch, Herr Oberst?«

»Unsre Deutschen haben im großen Bürgerkriege treu zur Union und zum Norden gehalten, wie sie bereits im Unabhängigkeitskampfe auf unsrer Seite gegen England fochten, dafür sind wir ihnen Dank schuldig. Niemand wird ihnen auch Fleiß, Betriebsamkeit und Intelligenz absprechen; sie bilden im großen und ganzen ein tüchtiges Element in unserm Staatsleben. Aber es ist etwas Kleinliches in diesen Leuten, und sie werden bei ihrem merkwürdigen Vereinsleben, ihrer Zerrissenheit und Streitsucht, ihren dumpfigen Bierstuben, welches alles wohl Erbteile der politischen Zerrissenheit ihres Vaterlandes und der polizeilichen Bevormundung des Volkes sind, nie die geschäftliche und gesellschaftliche Stellung des Amerikaners erreichen.«

»Es tut mir leid, das zu hören.«

»Es ist so, trotz aller guten Eigenschaften auch Ihrer hiesigen Stammesgenossen. Will man aber den Deutschen kennen lernen, muß man ihn in seinem Vaterlands aufsuchen, da gewinnt man die Ueberzeugung, ein großes, gutes, zum Höchsten aufstrebendes Volk vor sich zu sehen. Das eiserne Staatsgefüge, besonders in Preußen, hat mich mit Bewunderung erfüllt. Ich habe mich als Soldat vorzugsweise um Ihre militärischen Einrichtungen gekümmert, und mit diesen kann kein Volk der Erde sich messen. Der Mangel ähnlicher Einrichtungen hat uns in unserm furchtbaren Bürgerkriege so unendliche Menschenopfer gekostet, welche zweck- und nutzlos hingeschlachtet wurden.«

Miß Schuyler richtete die ernsten Augen auf Edgar und fragte mit einer Stimme von bestrickendem Klang: »Sind Sie ein Freund des Krieges, Herr Graf?«

»Als Berufssoldat müßte ich eigentlich mit Ja antworten,

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Schuyler; wer aber, der den Krieg gesehen hat, wäre ein Freund desselben? Ich habe ihn kennen gelernt, wie Ihr Herr Vater, in seiner schrecklichsten Gestalt, und ist es gleich geboten, das Schwert zu ziehen, um die höchsten Güter dieses Lebens zu verteidigen, wenn es sein muß, dafür zu sterben - so treffe jeden der Fluch der Menschheit für alle Zeit, der leichtfertig den Krieg heraufbeschwört.«

»Sie sprechen mir aus der Seele,« fügte der Oberst hinzu.

»Und glauben Sie, Sir,« fuhr seine Tochter fort, »daß eine Zeit kommen wird, wo es keine Kriege mehr gibt?«

Nach einer kurzen Pause sagte der Graf: »Nein, Miß Schuyler, ich glaube das nicht und wünsche es auch nicht.«

»Wie? Widerspricht es nicht dem, was Sie eben sagten?«

»Ich glaube nicht. Entfesselt der Krieg alle wilden und grausamen Instinkte der Menschennatur, so ruft er daneben auch alle edlen und großen Eigenschaften des Herzens empor, todesmutige Hingebung für das Vaterland, das hohe Gut der Freiheit, Treue, Mitleid, Aufopferungsfähigkeit in ungeahntem Grade, und nie wird ein Volk würdig unter den Nationen dastehen, welches nicht fähig und bereit ist, für ideale Güter zu kämpfen und zu sterben. Unser Lieblingsdichter sagt: >Der Krieg ist schrecklich wie des Himmels Plagen, Doch ist er gut, ist ein Gesetz wie sie.<«

Er hatte sich bei diesen Worten der deutschen Sprache bedient und fuhr nun fort: »Das heißt im Englischen -«

»Ich lese Schiller im Original, Herr Graf,« sagte Miß Schuyler, sich des Deutschen bedienend.

»O, Sie sprechen meines Volkes Sprache - wie mich das erfreut!«

»In Ihrem Sinne, Herr Graf, will ich den Krieg acceptieren und mit dem Sohne des Tydeus Hektor rühmen:

>Der, für seine Hausaltäre Kämpfend, ein Beschirmer - fiel, Krönt den Sieger größere Ehre, Ehret ihn das schönere Ziel.<«

Graf Edgar lauschte ihren deutschen Lauten mit Entzücken.

»Meine Tochter hat nur Ihres Schiller wegen, den sie leidenschaftlich verehrt, deutsch gelernt und unser erster Besuch in Ihrem Vaterland galt den geheiligten Stätten, wo Ihr großer Dichter geweilt hat.«

»Schiller,« sagte Miß Schuyler, »kann nicht in andre Sprachen [95]

übertragen werden, selbst in das so nahe verwandte Englisch nicht, der bestrickende Zauber, den das Original ausübt, verschwindet im fremden Idiome wesentlich - der Duft fehlt der nachgeahmten Blüte.«

»Ich höre mit innigem Vergnügen, wie Sie unsern Schiller verehren. Er ist der Liebling unsres Volkes und wird es ewig bleiben, und ich verstehe es ganz, ob ich mich gleich niemals mit Uebersetzungen seiner Werke bekannt gemacht habe, daß die Fülle und Schönheit der Sprache, wie deren hinreißende Klangwirkungen nicht wiedergegeben werden können, selbst im Englischen nicht.«

»Da wir gerade bei dem großen deutschen Poeten sind,« äußerte der immer gut aufgelegte Wirt, »wollen wir seiner in diesem Traubensafte vom Rhein gedenken,« und er präsentierte seinen Gästen gefüllte Römer mit dem deutschen Wein.

Das Gespräch nahm eine andre Wendung, bald ward die Tafel aufgehoben und man begab sich zurück in den Parlour, um dort den Kaffee zu nehmen.

»Gestatten Sie mir, eine Frage an Sie zu richten, Mr. Myers?« ließ der Graf sich vernehmen, als sie sich niedergelassen hatten.

»Immer zu, immer zu, wenn ich sie beantworten kann, soll es geschehen; nur Staatsgeheimnisse darf ich nicht verraten,« setzte er lachend hinzu.

»Als ich heute morgen bei Ihnen war, wurde Ihnen ein Herr gemeldet, den ich dann beim Hinausgehen im Vorzimmer sah. Seit diesem Augenblicke sinne ich darüber nach, wo ich diesen Mann gesehen habe, ohne daraufkommen zu können. Doch muß es bei einer nicht unbedeutenden Angelegenheit gewesen sein, wo diese Physiognomie sich mir eingeprägt hat. Freilich ist es bei der Fülle von Eindrücken, welche ich auf meiner Reise durch das Land empfing, der großen Zahl von Menschen, welche mir hierbei vor Augen kamen, nicht verwunderlich, daß mein Gedächtnis nicht gehorchen will. Ist es indiskret zu fragen, wer der Herr war?«

»Durchaus nicht, durchaus nicht, Sir. Der Mann nannte sich Wharton und ist halb Kaufmann, halb Landwirt, wie ich vermute, am Muskegon ansässig, dort werden Sie ihn gesehen haben.«

»Am Muskegon? Das Aeußere des Mannes machte nicht den Eindruck eines der wackeren Farmer dort oben.«

»Nein, das nicht. Wird ein Spekulant sein, schien mir so. Will aber im Norden, wo viel Wasserkraft vorhanden ist, Mühlen bauen und erkundigt sich bei mir nach den dort angesiedelten Indianern, deren Verhältnissen, und ob er etwa Störungen von ihnen [96] zu befürchten habe. Darüber konnte ich den Mann beruhigen, denn Freund Peschewa, die wilde Katze, wie sein romantischer Name lautet, ist mit seinen Ottawas sehr friedlich gesonnen.«

»Am Muskegon?« sagte nachdenklich der Graf, »dann muß ich ihn dort in andrer Kleidung gesehen haben.«

»Er wußte auch schon von den Spitzbubenstreichen dort, kam von daher und bat energisch um Sicherung der Grenzdistrikte. Ging mich zwar nichts an, aber beschwichtigte den Mann, sagte ihm, es sei alles getan, um dem saubern Kleeblatt, Morris, Wilson und Tyron, das Handwerk zu legen, unsre besten Spürhunde seien bereits hinter ihnen her. Zu Michigan hinaus kommen sie diesmal schwerlich, wenn sie nicht über den Mackinaw nach Norden hin entwischen und das ist eine sehr schwierige Sache. Ist ganz Michigan zu viel daran gelegen, besonders den Morris zu fangen. Wir haben, was diese Gesellen betrifft, eine energische Tätigkeit entfaltet, sobald wir Nachricht von ihnen hatten, so daß man in wenig Tagen auf der einsamsten Farm von ihrer Anwesenheit im Lande wissen wird. Das schien den Herrn zufrieden zu stellen. Machte übrigens den Eindruck eines ganz gebildeten Mannes.«