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»Wollen Sie den Weg zu Lande zurücklegen?«

»Nein. Ich schiffe mich mit meinen Truppen in Grand Haven ein, lande mit einem kleinen Teil derselben in Traverse City, während die andern nach Duncan weiterdampfen, inspiziere die Forts [100]

Jefferson und Jackson und begebe mich dann selbst nach Duncan. Von Traverse City aus muß ich natürlich marschieren.«

»So müßte ich also auch einen Teil des Weges zur See zurücklegen?«

»Ei ganz natürlich, was wollen Sie sich unnötigerweise den Strapazen einer Landreise aussetzen. Sie bekommen dort oben noch genug daran. Für Sie wird es das richtigste sein, sich wie ich in Grand Haven einzuschiffen und dann am Manistee an Land zu gehen. Dort treffen Sie unsre Agentur und können dann mit einem des Landes kundigen Führer Ihren Weg durch die Wälder suchen. Sie ziehen nach Nordost, ich nach Südwest. Der nächste Militärposten ist für Sie Fort Jackson, das eigens dazu angelegt ist, die Ottawas zu überwachen.«

»Machen Ihnen die Indianer noch immer zu schaffen?«

»Die Macht des Chippewayvolkes, zu ihm gehören die Ottawas, Pottawatomies, Saulteux und Missinsig, ist längst gebrochen, mit ihnen, einigen Huronen und Sene-cas, mag die Zahl der Indianer auf den beiden Halbinseln von Michigan nicht ganz achtzehntausend betragen.

»Vor drei Jahren haben die Schurkereien unsrer Indianeragenten, welche die Leute verhungern ließen, einen Ausbruch der Ottawas veranlaßt, der dann freilich die ganze indianische Wildheit entfesselte, aber es war nur ein Akt der Verzweiflung. Sie sind blutig gezüchtigt worden und halten seitdem Ruhe. Diebereien kommen freilich oft genug vor und machen den kommandierenden Offizieren dieser Forts häufig Unannehmlichkeiten, da sie dann zwischen den sehr zur Selbsthilfe geneigten, im Hinterwald ansässigen Farmern und den indianischen Spitzbuben zu entscheiden haben, was selten ohne Verdrießlichkeiten abgeht. Das ist aber auch alles, ich glaube nicht, daß die Indianer im Norden noch einmal zu den Waffen greifen werden.«

»Sie treten bald Ihren Marsch an?«

»Ich bin nur hier, um mich beim Gouverneur zu verabschieden und den alten Freund Myers wiederzusehen, ich reise morgen mit meiner Tochter nach Grand Haven, wo wir uns einschiffen.«

»Ihr Fräulein Tochter begleitet Sie, Herr Oberst?« fragte erstaunt der junge Mann.

»Ja, Herr, Frances Schuyler verläßt ihren Vater nicht.«

Sie schritten weiter, bis sie auf die Damen trafen, welche Mister Myers in guter Laune zu erhalten wußte, wenigstens herrschte sehr muntere Stimmung, als sie zu ihnen gelangten. [101]

»Was erregt die Heiterkeit der Damen?« fragte der Oberst.

»Papa erzählt wieder seine drolligen Geschichten.«

»Pst! Mary, Pst!« lachte er. »Es ging wieder über den Adel her, Schuyler, und da Ihr von altem holländischem Geschlecht seid und der Herr Graf sogar ein deutscher Lord ist, so könnte ich mit meiner Geschichte gut ankommen.«

»Nur immer zu, Myers,« sagte Oberst Schuyler.

»Ich werde sie mit dem Stoizismus eines Indianers ertragen,« fügte Graf Edgar hinzu.

»Machen uns gar manchmal lustig, Herr Graf, über Adel, Orden und so weiter, wahrscheinlich, weil wir beides nicht haben können, aber ist harmlos. Haben da eine Familie hier, Courtland, behauptet vom ältesten normannischen Adel abzustammen und mit Wilhelm dem Eroberer in England eingezogen zu sein, ist sehr stolz darauf, sehr exklusiv in gesellschaftlicher Beziehung und behandelt uns Staubgeborene ohne sechsunddreißig Ahnen etwas von oben herunter. Der witzigste Kopf Lansings, der Advokat Hoboken, erzählte nun kürzlich einem besonders hochmütigen Angehörigen dieser Familie folgende Geschichte:

»»Kennen Sie,< fragte er den Normannensprößling, >die Geschichte von der Namen-gebung an Adam?<

»Alles ringsum, es war in großer Gesellschaft, horcht auf, denn Hobokens scharfer Witz ist so allgemein bekannt, wie die Schwäche der Courtlands.

»>Nein,< sagt der Gefragte harmlos.

»>Als Gott Adam geschaffen hatte,< so ließ sich unter tiefem Schweigen der Anwesenden der Advokat vernehmen, forderte er ihn auf, sich einen Namen zu wählen.<

»Nach einigem Nachsinnen sagte Adam: >Nun, wenn ich wählen darf, so möchte ich wohl Courtland heißen.<

»>Nun sieh mal einer,< sagte lächelnd der liebe Gott, >diesen Burschen an, sich gleich solchen alten vornehmen Namen auszusuchen.<

»Das Gelächter war unauslöschlich, welches hierauf ausbrach.«

Der Graf und Schuyler lachten auch.

»Mister Myers hat immer seine Schnurren im Kopf,« sagte Mistreß Myers. »Gott bewahre ihm seinen Humor.«

Indem sie sich anschickten, weiterzugehen, traf es sich, daß Edgar neben Miß Schuyler einherschritt.

»Ihr Vortrag der Orpheusarie hat mich sehr ergriffen, Miß Schuyler, Sie sind eine Künstlerin.«

»Nein, aber ich singe mit dem Herzen, Herr Graf, und da ist [102] bei einem solchen Tonstück die Wirkung unwiderstehlich auf fühlende Menschen,« sagte sie einfach.

»Wenn Ihnen bekannt ist, was mich in dieses Land geführt hat, können Sie erst recht ermessen, wie des Orpheus' Klage mich berührt.«

»Ich habe von dem traurigen Schicksal Ihrer Schwester, wie von Ihrer Mission gehört, und hoffe zu Gott, daß auch treue Bruderliebe im stande ist, der Unterwelt ein Opfer zu entreißen.«

Sie gingen schweigend eine Weile nebeneinander.

»Sie begleiten Ihren Vater in seine einsame Garnison, Miß?«

»Ja. Mein Vater hat nichts auf der Welt als mich, und ich nichts Teureres auf Erden als ihn, den besten der Väter, den vollendetsten Gentleman, den tapfersten Krieger.«

Ihr Auge leuchtete, als sie sprach, und Edgar sah mit aufrichtiger Bewunderung in dieses schöne, von edlen Gefühlen belebte Antlitz.

»Es ist, wie mir Oberst Schuyler sagt, nicht unwahrscheinlich, daß wir uns in den Urwäldern des Nordens wieder begegnen.«

»Es soll mich freuen, Sie dort zu sehen und gute Nachrichten von Ihnen zu hören.«

»Sie fürchten also dieses einsame Leben in jenen so entfernten Garnisonen nicht?«

»Nein, Herr Graf, nachdem ich einige Zeit in Washington zugebracht, wo mein Vater im Kriegsdepartement tätig war, sehne ich mich sogar danach. Es sollen Unordnungen dort oben in den Garnisonen herrschen, deshalb sendet man einen Offizier vom Range meines Vaters dorthin; er wollte den Auftrag meinethalben schon ablehnen, ich selbst habe ihn dazu bestimmt, ihn anzunehmen, ich bin der Bälle, der Soireen, des Klatsches herzlich überdrüssig, und wenn ich,« setzte sie lächelnd hinzu, »Aussicht habe, wie meine liebe Mary meint, Königin der Ottawas zu werden, so ist das schon eines Aufenthaltes in einem einsamen Fort wert.«

Der Graf dachte in seinem Sinn: selten wie das Aeußere dieses Mädchens ist auch sein Denken und Fühlen. Etwas wie ein Kompliment schwebte ihm auf den Lippen, was er in andrer Gesellschaft mit Eleganz vorgebracht haben würde, doch diesem Mädchen gegenüber, die ausgestattet mit solch hohen Vorzügen der Seele wie des Körpers, sich dennoch so schlicht und einfach gab, und einen öden Aufenthalt an der Seite des bejahrten Vaters dem in den Salons der Hauptstadt des Landes vorzog, wollte es nicht über die Lippen, er sagte nur: »Wohl dem Vater, der sich einer solch liebevollen Tochter erfreut.«

Sie traten wieder zu den andern, und Graf Edgar schickte sich [103] an, sich zu verabschieden. Er dankte den Damen des Hauses und vor allem Mister Myers, der ihn mit so warmer Freundlichkeit aufgenommen hatte.