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Es überkam ihn unwillkürlich ein Gefühl der Trauer darüber, daß ein nicht unbegabtes Geschlecht, wenn seine Entwickelung zur höheren Zivilisation auch noch so langsam sich vollzog, verschwinden mußte, ehe es auch nur eine Blüte treiben konnte.

Der Indianer schwieg und schaute vor sich nieder, ebenso der Graf.

Diese Gelegenheit aber benutzte Michael, um wiederum das Wort zu ergreifen und sich über einen Punkt zu vergewissern, welcher ihm einiges Bedenken verursachte.

»Euer Gnaden werden erlauben, die Frage an Euer Gnaden zu richten, ob es wahr ist, wie der rote Mann hier sagt, daß seinesgleichen den Menschen die Haut vom Kopfe abziehen.«

»Ja, Michael, das ist Gebrauch bei den roten Kriegern.«

»Das ist aber eine ganz grausame Art und Weise, seine Gegner zu behandeln, Euer Gnaden. Einem den Schädel einschlagen, nun, das ist eine ganz regelrechte Sache, und geht manchmal nicht anders, [121] aber so einem das Fell über die Ohren ziehen, das ist doch ganz unschicklich und unchristlich.«

»Die Kopfhaut des Feindes ist das höchste Siegeszeichen des indianischen Kriegers, nicht so, Athoree?«

Dieser nickte.

»Na, weißt du, mein roter Freund, schön ist das aber nicht, und ich hoffe, das nicht an dir zu erleben. Du hast dich heute zwar brav gegen mich benommen, das muß ich gestehen, aber solche Menschenschinderei könnte mich veranlassen, dir die junge Freundschaft zu kündigen. Du hast doch nicht schon etwa menschliche Kopfhäute abgezogen?«

Ein Ausdruck wilden Triumphes flog über des Indianers dunkle Züge, der aber gleich darauf einem Ausdruck der Trauer Platz machte.

»Athoree wird keine Skalpe mehr nehmen,« sagte er langsam.

»Na, das freut mich, es ist sonst eine unheimliche Sache, mit dir umzugehen. So ein richtiger Christ scheinst du auch nicht zu sein, wenn ich auch nicht alles verstanden habe, was du vorhin Seiner Gnaden auskramtest. Gehst du denn auch hie und da einmal in die Kirche?«

Der Indianer hob den Arm und deutete auf die grüne Wölbung über sich, durch welche die ewigen Sterne herniederblitzten, deutete auf die uralten Bäume, welche sich ringsum erhoben: »Dies Kirche für roten Mann, hier er beten zu Manitou.«

»Na ja, das ist ja ganz gut, aber so ein bißchen ordentliche Religion muß doch sein; was du da vorhin erzählt hast, das schmeckt doch ein wenig nach Aberglauben.«

»Ich glaube, Michael,« sagte der Graf, »mir beten alle zu demselben großen guten Geiste, jeder auf seine Weise.«

»Nun, Euer Gnaden werden das ja schon verstehen, obgleich der Athoree bei uns in Irland mit seiner Religion nicht weit kommen würde. Pater Anselmus würde ihm schon so lange einheizen, bis er einen regelrechten Glauben hätte, wie sich's auch schickt.«

»Was beginnen wir mit den Fellen der Bären?« fragte der Graf, um dieses nun genug behandelte Thema abzubrechen.

»Frisches Fell sehr schwer, wird Maultier nicht tragen können, wenn überhaupt tragen, ehe es ganz trocken.«

»Es wäre doch zu bedauern, wenn wir diese schönen Siegeszeichen zurücklassen müßten.«

Er hatte kaum ausgesprochen, als der Indianer hastig seine neben ihm liegende Büchse ergriff und nach dem Innern des Waldes zu lauschte. [122]

»Was gibt's?« fragte leise der durch die« Bewegung des Indianers beunruhigte Graf. »Pst!« flüsterte Athoree zurück. »Mann im Walde.«

Heinrich und der Graf griffen auch nach ihren Waffen.

»Indianer, Athoree?«

»Weißer Mann. Er kommen.«

So saßen sie lauschend, die Büchsen in der Hand, während Michael erstaunt um sich sah.

Jetzt hörten auch Graf Edgar und Heinrich einen leichten Schritt nahen.

Aller Augen richteten sich dahin, woher die Laute kamen; der Indianer hatte den Hahn seiner Büchse aufgezogen.

Nach kurzem atemlosem Harren öffneten sich die Büsche und heraus trat ruhig ein Mann in den Schein des Feuers, der nicht ohne Erstaunen die um dasselbe gelagerte Gruppe betrachtete. Der Mann trug das landesübliche Jagdhemd und stand, eine hohe Gestalt, auf seine Büchse gelehnt, da. Die Augen der Lagernden begegneten den seinen. Der Mann war eine auffallende Erscheinung; unter einer kleinen Fellmütze wallte schneeweißes Haar hernieder, der ziemlich lange Bart zeigte dieselbe ehrwürdige Farbe, und die Gesichtszüge waren bleicher, als sonst Wind und Wetter im Walde zu gestatten pflegen, doch ließen das blitzende Auge, die kräftige, elastische Haltung nicht auf das Alter schließen, dem schneeiges Haar eigen ist.

»Ich bin erstaunt, Fremde, euch hier zu sehen, wo selten der Fuß eines weißen Mannes den Boden tritt,« sagte der Mann.

»Kommt näher zum Feuer, Freund,« entgegnete ihm der Graf, dem das Aeußere des Fremden jegliche Besorgnis verscheuchte, »und Laßt Euch nieder, wenn Ihr unsre Gesellschaft nicht verschmäht.« Der Mann kam näher, und genauere Betrachtung seines Aeußern bestätigte nur die ersten flüchtigen Wahrnehmungen. Er ließ sich ruhig am Feuer nieder und sah jeden der Anwesenden einzeln und aufmerksam an. Diese ließen sich das schweigend gefallen.

Dann ließ der Mann seine Augen auf dem Grafen haften und fragte: »Was tut Ihr hier im Lande der roten Männer, Fremder?«

»Wir gedenken den Ottawas einen Besuch abzustatten, Mann, und reisen deshalb friedlich im Lande einher.«

Der Mann sah hierauf Athoree an. »Bist du ein Ottawa, Indianer?«

»Warum du fragen?«

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»Ich sehe nichts an dir,« und er musterte aufmerksam Athoree von Kopf zu Füßen, »was auf einen Ottawa schließen ließe.«

»Und wenn nicht Ottawa, was dann?«

»Dann würde ich um diese Fremden beruhigter sein.«

»Verstehe ich den Sinn Ihrer Worte, Herr,« nahm der Graf das Wort, »so trauen Sie den Ottawas keine freundlichen Gesinnungen gegen uns zu.«

Der Mann antwortete nicht und richtete seine Worte wieder an Athoree: »Wo führst du die Fremden hin?«

»Viel fragen. Erst wissen, warum fragen, dann vielleicht antworten. Erst wissen, wer du bist.«

Der Weißhaarige wandte sich dann wieder an Edgar: »Wie ich aus Ihrer Aussprache des Englischen vernehme, sind Sie ein Deutscher, Sir?«

»So ist es.«

»Wollen Sie Handel mit den Indianern treiben, daß Sie ein Saumtier mit sich führen?«

»Werter Herr,« entgegnete ihm der Graf, »Sie entwickeln eine ja sehr wohltuende Wißbegierde, aber ich bin ganz der Meinung meines indianischen Begleiters, erst zu wissen, wen ich vor mir habe und aus welchem Grunde Ihre Fragen gestellt werden.«

»Hm,« sagte der Fremde, »Sie sind mißtrauisch, kalkuliere, ist recht so bei Begegnungen im Urwald, besonders im Indianergebiet. Lebe seit mehreren Jahren einige Meilen von hier und ernähre mich wesentlich mit der Jagd. Erblicke selten einen weißen Menschen, wenn ich nicht nach dem Fort gehe. Sah Ihr Feuer durch die Büsche, dachte, es seien Ottawas, kam erst näher, als ich Weiße um dasselbe sitzen sah.«

»Stehen Sie mit den Ottawas nicht auf gutem Fuße?«

»Doch, Sie gehen mir aus dem Wege, sie fürchten mich.«

»Sie fürchten Sie?«

»Ihr Aberglaube macht mich ihnen zu einem Schreckgespenst, sie behaupten, meines weißen Haares wegen, ich sei dem Grabe entstiegen und wandle ohne Berechtigung unter den Lebenden einher. Ganz unrecht haben sie nicht,« sagte er für sich, doch verstand es der Graf. »Sie dulden mich deshalb auf ihrem Gebiet und lassen mich unbelästigt, ob ich gleich hier weder wohnen noch jagen dürfte.«

Der Mann hatte etwas Unheimliches an sich.

»Die Ottawas nennen mich den >toten Mann< und scheuen mich. Das ist mein Verhältnis zu den roten Leuten hier.« [124]

Der Fremde sprach so ruhig, mit einer gewissen Milde, aber so, als ob er von einem andern als sich selbst spräche, und aus dem Gesicht, welches höchstens auf einen Mann von vierzig Jahren schließen ließ, sprach trotz des tiefen Ernstes, der darauf lagerte, etwas Gutes, welches den Eindruck des Unheimlichen wieder milderte.