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Cynthia zog eine 20 x 30-Hochglanzvergrößerung von einem Schnappschuß hervor. »Mike.«

»Sieht besser aus als an dem Tag, als er nach Ash Lawn ge­brettert kam.«

»Niemand hat Anspruch auf die Leiche erhoben«, teilte Rick ihnen mit. »Wir haben ihn auf dem Bezirksfriedhof beigesetzt. Wir haben uns Zahnarztunterlagen besorgt, um zu beweisen, daß er es wirklich war. Wir mußten ihn schließlich unter die Erde bringen.«

»Hier ist noch ein Foto. Das ist alles, was Frank Kenton ge­funden hat. Er sagt, er hat jeden angerufen, an den er sich aus der Zeit, als Mike an der Bar bediente, erinnern kann.«

Im Hintergrund des Fotos stand eine verschwommene Gestalt mit dem Rücken zum Betrachter. »Malibu?« fragte Harry.

Mrs. Hogendobber setzte ihre Brille auf. »Alles, was ich er­kennen kann, sind lange Haare.«

»Frank weiß wenig über sie. Sie hatte einen Teilzeitjob in der Anvil-Bar, die ihm gehört - ein Schwulentreffpunkt. Für die Stammgäste hätte Malibu ebensogut ein Stück Tapete sein kön­nen, zudem schien sie ein zurückhaltender Typ zu sein. Frank sagt, er kann sich nicht erinnern, auch nur ein einziges persönli­ches Gespräch mit ihr geführt zu haben.«

»Hat er von der Masche der beiden gewußt?« Harry starrte auf die Gestalt.

»Er ist schließlich dahintergekommen. Huckstep und Malibu sind im letzten Moment abgehauen. Ich vermute, daß sie mit einer ganzen Wagenladung Geld verschwunden sind. Sie sind nach Los Angeles gezogen, wo sie ihr >Gewerbe< fortgeführt haben dürften, auch wenn sie offenbar nie dabei erwischt wur­den. Leichtes Spiel in so einer großen Stadt.«

Rick nahm den Faden auf, als Cynthia fertig war. »Wir glau­ben, daß sie in der Gegend um Charlottesville war, als Mike hierherkam. Wir wissen nicht, ob sie noch in der Nähe ist. Oh, noch eine Kleinigkeit. Wir haben ein paar Einzelheiten über Mikes Herkunft zusammengefügt. Seine Sozialversicherungs­nummer hat uns dabei geholfen. Frank Kenton hatte die Num­mer in seinen Unterlagen. Mike ist in Fort Wayne, Indiana, aufgewachsen. Er hat an der Northwestern University Informa­tik als Hauptfach belegt und nur Einsernoten gehabt.«

Harry klatschte in die Hände. »Der Threadneedle-Virus!«

»Das ist ein kühner Schluß, Harry«, warnte Rick, dann über­legte er einen Moment. »Allerdings, Kerry hätte genau an der richtigen Stelle gesessen, um mitzumachen.«

Harry legte einen Postsack zusammen. »Wenn sie so schlau war, deren Tricks auszuhecken oder mit dem Computer-Genie gemeinsame Sache zu machen, dann war es ganz schön blöd von ihr, sich erwischen zu lassen. Irgendwie paßt das nicht zu­sammen.«

»Die Mordwaffe paßt auf alle Fälle.« Cynthia nahm ein Stück Bananenbrot, das Miranda ihr anbot.

»Also, ihr zwei« - Mirandas Stimme war mit Humor gewürzt -, »Sie sind doch nicht hier, um uns ein Foto von einem Rücken zu zeigen. Ich weiß, daß Sie zwei Morde aufzuklären haben. Sie würden die größte Mühe darauf verwenden, Hogans Mörder zu finden, nicht den Mörder des Fremden. Also müssen Sie glau­ben, daß die beiden Morde zusammenhängen, und Sie müssen uns auf irgendeine Weise brauchen.«

Ricks Kiefer erstarrte mitten im Kauen. Mrs. Hogendobber war gerissener, als er ihr zugetraut hatte. »Na ja. « »Uns können Sie vertrauen.« Miranda bot ihm noch ein Stück Bananenbrot an.

Er schluckte. »Ohne Frage. Es ist bloß.«

Cynthia unterbrach ihn. »Wir sollten es ihnen lieber sagen.«

Hierauf wurde es still.

»Na gut«, stimmte Rick zögernd zu. »Sie sagen es ihnen. Ich

esse.«

Cynthia schnappte sich ein Stück Brot, bevor er den ganzen Laib verschlingen konnte.

»Wir haben unsere Leute an die Computer der Crozet Natio­nal Bank gesetzt. Es ist nicht viel dabei herausgekommen, denn der Dieb hat seine Spuren verwischt. Aber eine interessante Sache haben wir gefunden. Ein Konto, das auf Mr. und Mrs. Michael Huckstep eröffnet wurde.«

Harry stieß einen Pfiff aus.

Miranda fragte: »Mr. und Mrs.?«

Cynthia fuhr fort: »Wir haben die Unterschriftskarten heraus­gesucht. Aber wir können die Echtheit seiner oder ihrer Unter­schrift nicht überprüfen.«

»Können Sie sie nicht mit der Unterschrift auf seinem Führer­schein vergleichen?« fragte Harry.

»Oberflächlich, ja. Sie stimmen überein. Aber um die Echtheit festzustellen, brauchen wir einen Handschriftensachverständi­gen. Wir haben eine Frau aus Washington hierherbestellt.« Sie hielt inne, um Atem zu holen. »Und was die Unterschrift von Mrs. Huckstep angeht. sie stimmt, wiederum oberflächlich, mit keiner Handschrift von jemandem in der Bank überein.«

»Wann hat er oder sie das Konto eröffnet?« fragte Harry.

»Am dreißigsten Juli. Er hat 4218,64 Dollar in bar einge­zahlt.« Rick wischte sich den Mund mit einer Serviette ab, die Miranda bereitgelegt hatte. »Die für die Eröffnung des Kontos zuständige Bankangestellte war Kerry McCray.«

»Sieht schlecht aus.« Harry atmete aus.

»Und wenn.« Mrs. Hogendobber preßte die Finger aneinan­der. »Ach, vergessen Sie's.«

»Nein, reden Sie weiter«, forderte Rick sie auf.

»Und wenn Kerry das Konto eröffnet hat? Das muß nicht hei­ßen, daß sie ihn kannte.« »Kerry beharrt darauf, daß sie nie ein Konto für Mr. und Mrs. Huckstep eröffnet hat, obwohl sie den ganzen dreißigsten Juli in der Abteilung war«, sagte Rick mit schwerer Stimme. »Auf jedem Konto ist eine Identifikationsnummer der Angestellten. Kerrys Nummer ist auf Hucksteps Konto.«

»Ist das fehlende Geld auf seinem Konto?« erkundigte sich Harry.

»Nein«, antworteten beide.

Cynthia ergänzte: »Wir können keine fünf Cents finden.«

»Hm, ich frage das nicht gerne, aber war es auf Hogan Freelys Konto?« Harry zuckte unter Mirandas verachtungsvollem Blick zusammen.

»Nein«, erwiderte Rick.

»Nach allem, was wir wissen, könnte das Geld, das am ersten August verschwand, auf einem Konto deponiert sein, dessen Code wir nicht knacken können, um zu einem späteren, unver­fänglichen Datum abgerufen zu werden«, fügte Cynthia hinzu.

»Vielleicht ist das Geld auf einer anderen Bank oder sogar in einem anderen Land«, sagte Miranda.

»Wenn zwei Millionen Dollar oder mehr auf einem Privatkon­to aufgetaucht wären, würden wir es längst wissen.«

»Rick, und was ist mit einem Firmenkonto?«

»Harry, das ist etwas komplizierter, weil die großen Unter­nehmen laufend beträchtliche Beträge umbuchen. Ich denke, früher oder später würden wir es aufspüren, aber der Dieb und höchstwahrscheinlich der Mörder, ein und dieselbe Person, müßte jemanden in einer oder mehreren der 500 größten Gesell­schaften sitzen haben«, erklärte Rick.

»Oder jemanden in einer anderen Bank.« Harry konnte sich keinen Reim darauf machen. Sie hatte keinen Schimmer.

»Möglich.« Cynthia ließ ihre Knöchel knacken. »Verzei­hung.«

»Was können wir tun?« Miranda wollte gerne helfen.

»Hier kommt jeder durchgestapft. Halten Sie Augen und Oh­ren offen«, bat Rick.

»Das tun wir sowieso.« Harry lachte. »Wissen Sie, Big Mari­lyn hat uns gebeten, auf eingeschriebene Briefe zu achten. Könnten Aktienzertifikate sein. Nichts.« »Danke für die Information über Threadneedle.« Rick stand auf. »Ich glaube nicht, daß Kerry das allein hätte durchziehen können.«

Miranda schluckte.

Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, flüsterte Harry: »Nor­man?«

Rick zuckte die Achseln. »Wir haben absolut nichts gegen ihn in der Hand. Aber wir überprüfen jeden einzelnen in dieser Bank, bis hin zum Pförtner. Halten Sie die Augen offen.« Rick hob die Trennklappe, und Cooper folgte ihm.

»Wenn die Menschen schon für tausend Dollar töten, beden­ken Sie, was sie für zwei Millionen tun würden.« Cynthia klopfte Harry auf den Rücken. »Merken Sie sich, wir sagten, passen Sie auf. Wir sagten nicht, mischen Sie sich ein.«