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»Hast du das Rick Shaw oder Cynthia erzählt?«

»Nein. Ich bin zuerst zu dir gekommen. Es hat mir keine Ruhe gelassen. Ich meine, sie steckt auch so schon tief genug drin.«

»Ja, ich weiß, aber. « Harry hob die Hände - »du mußt es ih­nen sagen.«

Mrs. Murphy, die auf der Arbeitsfläche saß, sagte: »Was denkst du wirklich, Marilyn?«

»Sie hat Hunger.« Harry stand auf und öffnete zwei Dosen für Mrs. Murphy und Tucker. Tucker schlang ihr Fressen hinunter, während Mrs. Murphy ihrs gesittet verzehrte.

»Danke, daß du mir zugehört hast. Wir sind früher so gute Freundinnen gewesen. Ich komme mir vor wie eine Verräterin.«

»Das bist du nicht. Und so entsetzlich so ein Prozeß ist, dafür sind die Gerichte da - wenn Kerry unschuldig ist, wird sie ver­schont. Das hoffe ich zumindest.«

»Kennst du nicht den alten Spruch? >Lieber dem Teufel in die Hände fallen als den Juristen.«« »Du glaubst, sie steckt da mit drin, stimmt's?« »Äh-hm.« Little Marilyn nickte, mit Tränen in den Augen.

32

In jeder freien Minute hämmerte Kerry in einem rückwärtigen Büro auf den Computer ein. Cynthia hatte ihr gesagt, sie könne zur Arbeit gehen. Sie werde morgen offiziell vernommen. Rick hatte dem stellvertretenden Direktor, Norman Cramer, gesagt, er möge Kerry erlauben zu arbeiten. Er richtete ein paar Worte an das Personal, die auf »unschuldig bis zum Beweis der Schuld« hinausliefen. Er erhoffte sich, daß Kerry oder ihrem Komplizen ein Schnitzer unterlief.

Der dicke Teppichboden im Vorstandsbereich der Bank dämpfte die Schritte hinter Kerry, als sie hektisch Verzeichnisse im Computer aufrief. Norman Cramer klopfte ihr auf die Schul­ter.

»Was machst du da?«

»Herumspielen. Ähnlich wie du, Norman.« Kerrys Gesicht glühte.

»Kerry, das hier geht dich nichts an. Du störst Rick Shaws Ermittlungen.«

Keiner von ihnen wußte, daß Rick Kerrys Computer überwa­chen ließ. Ein Polizeibeamter im Kellergeschoß sah alles, was sie aufrief.

»Hogan Freelys Ermordung geht alle an. Und lieber laß ich mich von dir abkanzeln, als daß ich nicht versuche, auf einen Hinweis zu stoßen, irgendeinen.«

Sein fahler Teint färbte sich dunkler. »Hör auf mich. Vergiß

es.«

»Können wir nicht rausgehen und reden?«

»Und wieder eine Szene riskieren? Nein.«

»Ich hab gewußt, daß du ein Feigling bist. Ich hatte gehofft, es wäre nicht wahr. Ich hatte dir wirklich geglaubt, als du mir sag­test, du würdest Aysha verlassen. «

Er wies sie scharf zurecht. »Es gehört sich nicht, während der Arbeit Privatangelegenheiten zu besprechen.«

»Außerhalb der Arbeit willst du sie auch nie besprechen.«

»Ich kann nicht. Vielleicht weiß ich Dinge, die du nicht weißt, und vielleicht solltest du mich eine Weile vergessen. Du hättest heute nicht herkommen sollen. Es macht alle nervös.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging hinaus.

Kerry McCray kochte vor Wut. Sie folgte ihm. »Du jämmerli­cher Mistkerl.«

Er packte sie so fest am Arm, daß er ihr weh tat, und halb schob, halb zog er sie durch den schmalen Flur zum Hinteraus­gang. Er warf sie fast die Treppe zum Parkplatz hinunter. »Nimm dir den Tag frei! Es ist mir egal, ob Rick Shaw es in Ordnung findet, wenn du hier bist. Ich finde es nicht in Ord­nung. Jetzt geh, reg dich ab!« Er schlug die Tür zu.

Kerry stand mitten auf dem Parkplatz und schluchzte. Sie ging zu ihrem Auto, machte die Tür auf und stieg ein. Dann legte sie den Kopf aufs Lenkrad und schluchzte noch mehr.

Mrs. Hogendobber kam auf dem Weg von der Bank vorbei. Sie zögerte, dann ging sie zu Kerry.

»Kerry, kann ich Ihnen helfen?« fragte sie durch das herunter­gekurbelte Fenster.

Kerry sah auf. »Mrs. Hogendobber, ich wünschte, Sie könnten es.«

Mrs. Hogendobber klopfte sie auf den Rücken. »>Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch has­sen. Denn so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner?<«

Kerry faßte sich genügend, um zu bemerken: »Heute würde man Zocker sagen.«

»Na also, ich wußte doch, daß es Sie aufrichten würde. Mir hilft die Bibel immer in Zeiten der Not.«

»Ich glaube, es lag ebensosehr an Ihnen wie an Ihrem Zitat. Ich wünschte, ich wäre so klug und ausgeglichen wie Sie, Mrs. Hogendobber.« Sie nahm ein Papiertuch aus dem Handschuh­fach. »Glauben Sie, daß ich Hogan Freely umgebracht habe?«

Miranda sagte: »Nein.« Sie wartete, bis Kerry sich die Nase geputzt hatte. »Sie scheinen mir einfach nicht der Typ zu sein. Ich könnte mir vorstellen, daß Sie Norman im Liebeswahn tö­ten, aber Hogan, nein.« Sie hielt inne. »Wenn man lange genug lebt, meine Liebe, dann sieht man alles. Man sieht immer noch vieles zum ersten Mal, einen abtrünnigen Exfreund inklusive. Nach einer Weile weiß man, worüber man sich aufregen und was man am besten auf sich beruhen lassen sollte. Er hat Aysha geheiratet. Lassen Sie ihn. Die Heilige Schrift lesen und zum Herrn beten hat noch niemandem geschadet. Sie werden dort Trost finden, und früher oder später wird der richtige Mann in Ihr Leben treten.« Sie holte Atem. »Es ist so heiß. Sie braten ja in dem Auto. Kommen Sie rüber ins Postamt, ich mache Ihnen einen Eistee. Ich habe auch Plätzchen mit Schokosplittern, und welche mit Macadamianüssen.«

»Danke. Ich bin völlig daneben. Ich glaube, ich fahre nach Hause, und vielleicht befolge ich Ihren Rat und lese die Bibel.« Sie wischte sich die Augen. »Danke.«

»Und daß Sie sich's nicht anders überlegen.« Miranda lächel­te, dann ging sie zum Postamt.

Kerry fuhr los.

Mrs. Hogendobber wartete, bis niemand anders im Gebäude war, bevor sie Harry von dem Vorfall berichtete. In Crozet, einer Stadt mit nur 1733 Einwohnern, entging einem nicht viel. Ein paar Leute hatten gesehen, wie Kerry Norman durch den Flur folgte. Boom Boom Craycroft sah, wie er sie aus dem Bankgebäude stieß, und fünfzehn Personen, die kamen und gingen, sahen Mrs. Hogendobber Kerry auf dem Parkplatz trö­sten. Variationen dieser Vorfälle machten die Runde. Mit jeder Schilderung wurden Kerrys Unglück und vermutete Schuld weiter ausgeschmückt, bis sie am Ende selbstmordgefährdet war. Normans Entschlossenheit ihr gegenüber hatte für viele einen Anflug von Heroismus.

Als Little Marilyn nach Ash Lawn fuhr, um Aysha abzulösen, war die Erzählung zu einer Seifenoper herangereift, aber viel­leicht ist das tägliche Leben ja eine Seifenoper.

In Ash Lawn taten alle doppelten Dienst, weil Laura Freely bis Jahresende nicht wiederkommen würde. Die Anstrengung, einen Plan auszuarbeiten und Ottoline an Lauras Stelle einzu­setzen, machte Marilyn, die für die Fremdenführungen zustän­dig war, fix und fertig.

Marilyn kämmte sich die Haare und machte sich frisch, als Aysha mit einer Besuchergruppe durch war. Es kamen noch mehr, aber Marilyn hatte ungefähr zehn Minuten, bevor sie eine neue Gruppe zu einer Führung holte.

Aysha schilderte ihre Version der Norman-Kerry-Episode. Ih­re Schadenfreude brachte Marilyn Sanburne jr. in Rage.

»Sie ist die Verliererin. Du bist die Siegerin. Sei wenigstens so anständig, sie zu ignorieren.«

Aysha schob energisch die Schultern zurück und straffte das Kinn, das Vorspiel zu einer Äußerung von emotionaler Bedeut­samkeit, gefärbt mit ihrer eingebildeten Überlegenheit. »Wer bist du, mir meine Verhaltensweisen vorzuschreiben?«

»Ich war mal deine beste Freundin. Jetzt bin ich da nicht mehr so sicher.«

»Du stehst auf ihrer Seite. Ich hab's gewußt. Ach, wie Frauen doch die Opfer lieben, und Kerry stellt sich als wahre Märtyre­rin der Liebe dar - sie ist eine Mörderin, um Himmels willen!«

»Das kannst du nicht wissen, und du brauchst dich nicht daran zu weiden.«

»Tu ich gar nicht.«

»Auf mich wirkst du ganz schön hämisch«, entgegnete Mari­lyn. »Hör auf damit.«