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»Ich hasse sie!« sagte Aysha schluchzend. »Sie lebt und Nor­man ist tot.« Sie krabbelte auf der anderen Seite des Rücksitzes heraus. Ottoline wollte sie packen, aber zu spät. Aysha stand schon an Deputy Coopers Wagen und schrie: »Warum haben Sie sie nicht ins Gefängnis gesteckt, nachdem sie Hogan Freely erschossen hatte? Sie haben eine Mörderin unter uns frei he­rumlaufen lassen, und jetzt. « Sie brach weinend zusammen.

Ottoline, die inzwischen aus Ricks Streifenwagen ausgestie­gen war, half ihr auf die Beine.

Rick senkte den Kopf. »Es gab mildernde Umstände.«

»Zum Beispiel?« fauchte Ottoline.

»Zum Beispiel die Tatsache, daß Kerry McCray mit einer pflaumendicken Beule am Kopf bewußtlos am Boden lag.«

»Aber sie hatte die Waffe in der Hand, mit der Hogan getötet wurde!« Aysha rückte von ihrer Mutter ab. Sie wandte sich Rick zu: »Sie tragen die Verantwortung. Sie sind schuld, daß Norman tot ist.«

»Komm, Liebes, ich bring dich nach Hause.« Ottoline wollte Aysha fortziehen.

»Aysha«, sagte Harry kühl, »hatte Norman einen guten Freund in der Bank?«

Aysha sah Harry mit blutunterlaufenen Augen an. »Was?«

»Hatte er einen Kumpel in der Crozet National Bank?«

»Alle. Alle haben ihn geliebt«, sagte Aysha schluchzend.

»Komm jetzt. Du wirst ja krank von all der Aufregung. Komm mit.« Ottoline schob sie zu ihrem Wagen, dessen Fahrertür noch offen war. Zu Harry sagte sie bissig: »Ihr Feingefühl läßt sehr zu wünschen übrig.«

»Tut mir leid, Ottoline. Ich wollte nur helfen.«

»Harry, halten Sie sich an Ihre Postkarten.« Ottolines Tonfall war vernichtend. Harry biß sich auf die Lippe.

Als Ottoline mit Aysha davonfuhr, blieben die übrigen ratlos mitten auf der Straße stehen. Market und Pewter kamen mit Reverend Jones zu ihnen gelaufen. Harry ließ ihren Blick die Straße auf und ab schweifen. In allen Fenstern sah sie Gesich­ter. Es war unheimlich.

Fair verabschiedete sich. »Leute, ich muß in die Klinik. Wenn ihr mich braucht, ruft mich an.« Er ging langsam zu seinem Kombi, der vor dem Café parkte.

»Entschuldigt mich.« Blair zog los, um Fair einzuholen.

»Ach du liebe Zeit, wir haben vergessen zu bezahlen«, besann sich Little Marilyn.

»Gehen wir also zurück und zahlen.« Harry strebte dem Café zu und fragte sich dabei, worüber die beiden Männer wohl spra­chen.

38

Niedergeschlagen kehrte Cynthia Cooper an ihren Schreibtisch zurück, nachdem sie Kerry, die sich in einer Art Schockzustand befand, im Bezirksgefängnis abgeliefert hatte. Zum Glück wa­ren keine anderen Frauen in Gewahrsam, sie würde also nicht von Drogensüchtigen, Betrunkenen oder auch der einen oder anderen Nutte belästigt werden.

Cynthia wurde häufig gestört. Die Telefone liefen heiß. Re­porter von allen Zeitungen Virginias riefen an, und das Team des lokalen Fernsehsenders hatte sich direkt vor dem Revierge­bäude aufgebaut.

Das würde Rick die Laune vermiesen. Und wenn Rick nicht gut drauf war, dann war niemand gut drauf.

Cynthia setzte sich, dann stand sie auf, setzte sich hin, stand auf, setzte sich, stand auf. Schließlich ging sie durch die Flure zu den Automaten und zog sich eine Schachtel Lucky Strike ohne Filter. Sie starrte auf den Kreis in der Mitte des Päck­chens. Lucky Strike. Glückstreffer. So einen könnte sie jetzt verdammt gut gebrauchen. Sie zog den dünnen Zellophanstrei­fen ab, schnippte den Deckel hoch, riß ein kleines Viereck in das Papier und drehte die Schachtel auf den Kopf. Der Duft nach frischem Tabak wehte ihr in die Nase. In diesem Moment roch das süße Aroma besser als ihr Lieblingsparfüm. Sie klopfte auf die Unterseite der Schachtel, und drei weiße Zigaretten glit­ten heraus. Sie nahm sich eine, drehte die Schachtel wieder um und steckte sie in die Brusttasche ihres Hemdes. Streichhölzer waren mit der Schachtel aus dem Automaten gekommen. Sie riß eins an und entzündete die Zigarette. Als sie an die Wand des Flurs gelehnt stand, konnte sie sich nicht erinnern, wann ihr jemals eine Zigarette so gut geschmeckt hatte.

Die Hintertür ging auf, und sie hörte den Trubel der Reporter. Rick schlug die Tür hinter sich zu, ging an Cynthia vorbei, zog ihr dabei die Zigarette aus dem Mund und schob sie in seinen.

»Ohne Filter«, rief Cynthia ihm nach.

»Schön. Wieder ein Nagel zu meinem Sarg.« Er drehte sich auf dem Absatz um und kam zu ihr zurück. Sie hatte sich schon eine neue Zigarette angezündet. »Ich hätte Kerry von vornher­ein verhaften sollen. Ich habe sie als Köder benutzt, und das hat nicht funktioniert.«

»Ich glaube doch. Selbst wenn sie Norman getötet hat. Er war ihr Komplize. Berechnend. Sehr berechnend. Er hat Aysha ge­heiratet, um uns abzulenken.«

»Sie schlucken es also nicht, daß Kerry McCray Norman den Wind aus den Segeln genommen hat?« Rick warf ihr einen mür­rischen Blick zu.

Cynthia fuhr fort: »Es war perfekt.«

»Und Hogan?«

»War zu nahe dran - oder zu gierig.«

Rick tat einen sehr, sehr langen Zug, während er Cynthias Äußerungen bedachte. »Eine richtige Zigarette, nicht dieser Mist mit niedrigem Teer- und Nikotingehalt. Wenn ich schon qualme, kann ich ebensogut wieder zu dem zurückkehren, was mich überhaupt zum Rauchen gebracht hat.«

»Was war das bei Ihnen?«

»Camel.«

»Die hat mein Dad geraucht. Dann ist er auf Pall Mall umge­stiegen.«

»Und Sie?«

»Oh, Marlboro. Mit sechzehn konnte ich den Cowboys in der Werbung nicht widerstehen.«

»Ich hätte gedacht, Sie wären auf Marken wie Viceroy oder Virginia Slims abgefahren.«

»Die Mordwaffe lag in Kerrys Toyota«, sagte Cynthia. »Und was Virginia Slims betrifft, zu affektiert, verstehen Sie, was ich meine?«

»Ja, ich verstehe. Was die Kordel angeht. da werden keine Fingerabdrücke drauf sein. Ich wette mit Ihnen um eine Stange von diesen Dingern.«

»Die Wette nehme ich nicht an, aber, Boß, keine Fingerab­drücke bedeutet noch lange nicht, daß Kerry nicht genug Grips hatte, Handschuhe zu tragen. Sie hat tagelang gedroht, Norman umzubringen.«

»Das ist es ja eben, Coop. Grips. Wenn sie so viel Grips hatte, mit Norman gemeinsame Sache zu machen und den Threadneedle-Virus zu erfinden, würde sie nicht so dämlich sein, sich mit einer .357er in der Hand oder der Kordel in ihrem Koffer­raum erwischen zu lassen.« Rick schrie beinahe. »Und dann ist da noch das leidige Problem Mike Huckstep.«

»Tja.« Sie überlegte einen Moment. »Glauben Sie, daß sie ge­gen Kaution rauskommt?«

»Das will ich nicht hoffen.« Eine blaue, geringelte Rauchfah­ne quoll aus seinem Mund. »Hier drinnen ist sie sicherer, und ich kann die Reporter mit der Nachricht erfreuen, daß sie wegen Mordes eingelocht ist.«

»Sicherer?«

»Verdammt, wenn nun Aysha auf sie losgeht?«

»Oder wenn sie auf Aysha losgeht?«

»Das ist noch wahrscheinlicher. Auf diese Weise können wir sie uns alle für kurze Zeit vom Leibe halten.«

»Sie haben doch was vor.« Coop war schon zu oft Zeugin von Ricks Gewitztheit gewesen, um nicht zu wissen, daß er im Be­griff war, eine Falle zuschnappen zu lassen.

»Sie werden Frank Kenton überreden, von San Francisco hierherzufliegen.«

»Das macht der nie!«

»Wir bezahlen ihm den Flug.« Er hielt seine Hand in die Hö­he. »Überlassen Sie das Gerangel ums Geld nur mir. Machen Sie sich darüber keine Gedanken.«

»Meinen Sie, er kann Malibu identifizieren?«

»Er kann sich Kerry genau ansehen. Das ist schon mal ein An­fang.«

»Aber Kerry hat nie in San Francisco gelebt.«

»Woher wissen wir das? Wir werden sie befragen und ins Kreuzverhör nehmen, und es ist möglich, zumindest möglich, daß ihr etwas entschlüpft. Ich glaube, wenn sie ihn sieht, kriegt sie eine Heidenangst.«

»Oder jemand anders.« Cynthia drückte ihre Zigarette in dem sandgefüllten Standaschenbecher aus.