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Stanton nickte. Er erkannte am Gesicht seiner Chefin, dass jede weitere Diskussion zwecklos war. »Ja, alles klar.«

»Haben Sie sonst noch etwas auf dem Herzen, Gabe?«, fügte Cavanagh ruhig hinzu.

»Wir müssen unbedingt ein Team nach Guatemala schicken. Denken Sie an den Ausbruch von Ebola und Hanta in Afrika: Unsere Leute hatten den Infektionsherd innerhalb weniger Tage ausfindig gemacht und beseitigt. Eine Quarantäne hierzulande ist sinnlos, solange der Erreger dort unten nicht ausgemerzt wird. Er wird sich von dort über die ganze Welt ausbreiten.«

»Die Guatemalteken werden keine Amerikaner ins Land lassen, die den Krankheitserreger vielleicht schon in sich tragen. Und ich kann es ihnen nicht einmal verdenken. Schließlich haben wir keine handfesten Beweise dafür, dass der Erreger tatsächlich von dort stammt.«

»Wir wissen nichts darüber, Emily, wir wissen nicht einmal, was genau es ist. Denken Sie an das Marburg-Virus. Wir konnten es erst aufhalten, als wir den Infektionsherd gefunden hatten. Wenn wir herausfinden, aus welchem Dorf Volcy stammt, wenn wir diese Ruinen finden, wo er sein Lager aufgeschlagen hatte, dann erlauben sie uns vielleicht, ein Team hinzuschicken.«

»Möglich. Ich weiß es nicht.«

»Deputy Cavanagh?« Stanton und Cavanagh drehten sich um. Ein milchgesichtiger Verwaltungsangestellter hielt einen Schnellhefter mit dem Vermerk VERTRAULICH in der ausgestreckten Hand.

»Sind das die Ergebnisse der Blutuntersuchung?«, fragte Stanton.

Der junge Mann nickte. Cavanagh überflog die Tests aus dem ersten Kreis der Kontaktpersonen, auf die sie seit Stunden gewartet hatten.

»Wie viele sind positiv?«, fragte Stanton.

»Fast zweihundert«, antwortete der junge Mann. Das waren mehr als alle bekannten Fälle von FFI.

Mehr als alle Fälle von Rinderwahnsinn.

Cavanagh warf Stanton einen flüchtigen Blick zu und blätterte dann schnell zu den letzten Seiten. Sie suchte weiter hinten im Alphabet nach Stantons Namen.

13

Chel und ihre Anwältin Erin Billings saßen im Verwaltungsbüro am nördlichen Ende des Getty-Campus. Auf der anderen Seite des Tisches hatten einige Mitglieder des Kuratoriums sowie der Chefkurator des Museums und ein Beamter der Einwanderungs- und Zollbehörde Platz genommen. Wie vom Seuchenzentrum empfohlen, trugen alle Anwesenden Schutzbrillen, und alle hatten eine Kopie von Chels Aussage vor sich liegen, in der sie die Ereignisse der vergangenen drei Tage genau geschildert hatte.

Dana McLean, Chefin einer der größten Investmentgesellschaften des Landes und Vorsitzende des Kuratoriums, lehnte sich zurück und sagte: »Dr. Manu, Sie sind bis auf Weiteres und ohne Gehaltsfortzahlung suspendiert. Sie werden alle Ihre das Museum betreffenden Tätigkeiten unverzüglich einstellen, bis eine endgültige Entscheidung gefallen ist.«

»Was ist mit meinen Leuten?«

»Sie werden dem Kurator unterstellt. Aber falls sich herausstellt, dass einer von ihnen in die illegalen Machenschaften verwickelt ist, muss er ebenfalls mit Konsequenzen rechnen.«

»Dr. Manu«, wandte sich ein Kuratoriumsmitglied an sie, »Sie behaupten, Dr. Chacon habe nicht gewusst, was Sie getan haben. Aber warum war er dann am Abend des 10. hier bei Ihnen?«

Chel sah ihre Anwältin an. Als diese ihr zunickte, erwiderte sie so ruhig und sachlich wie möglich: »Ich habe Rolando nie erzählt, woran ich arbeitete. Ich habe ihn zu mir gebeten, weil ich ein paar allgemeine Fragen bezüglich der Restaurierung hatte. Aber er hat den Kodex nie gesehen.«

Sie hatte ein umfassendes Geständnis abgelegt, es gab also keinen Grund, weshalb man ihr in diesem Punkt nicht glauben sollte. Das war die Lüge, bei der sie ein gutes Gefühl hatte.

»Es ist Ihnen hoffentlich klar, dass wir ganz genau prüfen werden, ob Sie sich in der Vergangenheit in beruflicher Hinsicht schon einmal etwas haben zuschulden kommen lassen«, sagte Grayson Kisker, der Beamte der Einwanderungsbehörde.

»Das ist ihr völlig klar«, erwiderte Chels Anwältin.

»Was passiert mit dem Kodex?«, fragte Chel.

»Wir werden ihn den Guatemalteken zurückgeben«, antwortete McLean.

»Da die illegale Transaktion auf amerikanischem Boden stattgefunden hat, sind wir es, die ein Verfahren gegen Sie einleiten«, sagte Kisker.

Chel war wie betäubt, und auch die Nachricht vom Seuchenzentrum, dass ihr Bluttest negativ ausgefallen war, konnte sie nicht aus ihrer Benommenheit reißen. Noch nie hatte sie eine so übermächtige Mischung aus Schuldgefühlen, Verwirrung und Schock empfunden wie in den letzten vierundzwanzig Stunden. Sie wusste, dass sie entlassen werden würde und dass sie auch ihre Stelle an der UCLA verlieren würde.

Aber nach allem, was sie in den letzten Tagen erlebt und gesehen hatte, ließ sie das vollkommen kalt.

Chel und Billings erhoben sich. Chel versuchte, sich innerlich darauf vorzubereiten, ein letztes Mal in ihr Labor zu gehen und ihre Sachen zusammenzupacken.

Dann klingelte Kiskers Handy. Er nahm das Gespräch an. Ein seltsamer Ausdruck trat auf sein Gesicht.

»Ja«, sagte er mit einem flüchtigen Blick auf Chel. »Sie ist noch da.« Er streckte langsam die Hand aus und hielt ihr sein Telefon hin. Seine Stimme klang fast ehrfürchtig, als er sagte: »Mein Chef will mit Ihnen reden.«

***

Die Nachmittagssonne stach vom Himmel, als Chel den Fußweg durch den Park zu dem üppigen blühenden Urwald im tiefsten Teil des Geländes hinunterging. Museumsbesucher sagten oft, der Blick von der Anhöhe, auf der das Museum stand, sei besser als die eigentliche Kunst, aber Chel liebte den Park über alles. Als sie zwischen den rosarot und rot blühenden Bougainvilleabüschen dahinschlenderte, streckte sie die Hand nach einer der papiernen Blüten aus und rieb sie zwischen den Fingern. Sie brauchte etwas, das sie erdete, während sie mit Dr. Stanton telefonierte.

»Noch sind in Guatemala keine Fälle aufgetreten«, sagte er. »Aber wenn wir genauere Angaben über Volcys Aufenthaltsort machen könnten, würde man uns vielleicht erlauben, ein Team hinzuschicken.«

Nach dem Anruf vom Chef der Einwanderungs- und Zollbehörde war Chel gebeten worden, sich mit Stanton in Verbindung zu setzen. Sie war erleichtert gewesen, als sie hörte, dass auch er sich nicht infiziert hatte. Vermutlich habe der Umstand, dass sie beide Brillenträger waren, dabei eine Rolle gespielt, hatte er wie beiläufig gesagt, so als ob es nicht besonders wichtig wäre, und war dann gleich zum Thema gekommen.

»Wo kam er her, was denken Sie?«

»Aus dem Hochland im Süden, würde ich sagen.« Chel riss eine der rosaroten Bougainvilleablüten ab und warf sie in den Bach. Sie war selbst überrascht von der Heftigkeit ihrer Geste.

»Und wie groß ist das Gebiet ungefähr?«, fragte Stanton.

»Etliche tausend Quadratmeilen. Aber der Erreger ist doch schon hier eingeschleppt worden. Warum ist es da noch wichtig, wo er hergekommen ist?«

»Das ist wie bei einer Krebserkrankung«, erklärte Stanton. »Auch wenn sich schon Metastasen gebildet haben, muss der Tumor entfernt werden, damit er nicht noch weiter streut. Wir haben nur dann eine Chance gegen den Erreger, wenn wir ihn genau kennen und wissen, wie das Ganze angefangen hat.«

»Vielleicht könnte der Kodex uns mehr erzählen«, sagte Chel nachdenklich. »Vielleicht finden wir eine Glyphe, die typisch ist für eine bestimmte Gegend, oder vielleicht irgendeine geografische Beschreibung. Aber dafür muss er erst ganz rekonstruiert werden.«

»Und wie lange dauert das?«

»Die ersten Seiten sind in keinem guten Zustand und die hinteren sehen noch schlimmer aus. Dazu kommen sprachliche Probleme, zum Beispiel schwierige Glyphen und ungewöhnliche Kombinationen. Wir haben alles versucht, sie zu entziffern.«

»Lassen Sie sich etwas einfallen, damit es schneller geht.«