Ich las alles, was ich über Prionen finden konnte. Ich erfuhr, dass während der BSE-Epidemie über einhundertfünfzig Menschen nach dem Verzehr von kontaminiertem Rindfleisch gestorben waren und dass Experten der Meinung sind, dass sich noch viel mehr Briten infiziert haben und dass Millionen weitere erkranken könnten. Da kam mir zum ersten Mal der Gedanke, diese latente Bedrohung in einer Geschichte zu verarbeiten. Bei meinen Nachforschungen stieß ich auf eine weitere Prionenkrankheit, die letale familiäre Insomnie (oder FFI). Diese Form der Prionenerkankung tritt zwar überwiegend in Italien und Deutschland auf, aber jedes Jahr werden weltweit, auch in Mittelamerika, einige vereinzelte Fälle registriert.
Als ich dann noch erfuhr, dass Kuru, die erste gehäuft auftretende Prionenkrankheit, im Stamm der Fore auf Papua-Neuguinea entdeckt worden war und dass die Krankheit durch rituellen Kannibalismus übertragen wurde, nahm die Idee für den vorliegenden Roman Gestalt an.
Es ist mir immer noch ein Rätsel, wie das Datum des 21. Dezember 2012 für Millionen Menschen eine so ungeheure Bedeutung erlangen und einen solchen Stellenwert im kulturellen Bewusstsein einnehmen konnte. Bereits Mitte der 1970er-Jahre, als New-Age-Schriftsteller über das Ende des Maya-Kalenders und die für die Menschheit damit verbundenen Umwälzungen spekulierten, setzte eine Veränderung des Bewusstseins ein. »Visionären« wie José Argulles und Terrence McKenna war es zuzuschreiben, dass der 21. Dezember 2012 mit Astrologie, Umweltproblemen, New-Age-Esoterik, spiritueller »Synchronisation« und einem wachsenden Misstrauen gegenüber der Technologie verknüpft wurde.
Der Glaube an die Bedeutung des alten Maya-Kalenders nahm jedoch mit der Zeit äußerst merkwürdige Formen an. Manche brachten ihn mit Weltuntergangstheorien in Verbindung und orakelten, der 21. Dezember werde zur galaktischen Synchronisation führen, zur Kollision mit anderen Planeten und Sternen, zu einer Umkehrung der Magnetpole auf der Erde. In den letzten Jahren haben viele Anhänger dieser Theorien ihr Zuhause verlassen und im mexikanischen Dschungel oder auch im Himalaya festungsähnliche Bauten errichtet, in denen sie die Apokalypse zu überleben hoffen.
Ich habe nirgendwo einen Hinweis darauf gefunden, dass die Maya des Altertums das Ende des dreizehnten Zyklus für bedeutsamer hielten als das Ende irgendeines anderen Zyklus; sie fürchteten und respektierten jeden Zyklus gleichermaßen. Die Lange Zählung ist nichts anderes als ein Kalender, der auf der Zahl zwanzig basiert und der weitere 2700 Jahre Gültigkeit hat. Erwähnt wird das Ende des dreizehnten Zyklus und dessen Bedeutsamkeit ursprünglich im Popol Vuh, dem heiligen Buch der Maya, und eine in Tortuguero, Mexiko, entdeckte Inschrift stützt diese Aussage. Die letzte Lange Zählung, so steht es im Popol Vuh geschrieben, habe mit der Vollendung des dreizehnten Zyklus geendet. Daraus haben einige abgeleitet, dass es sich mit der laufenden Langen Zählung genauso verhalte.
Entgegen der selbst unter Wissenschaftlern weit verbreiteten Ansicht hat die Aufgabe der unter Wassermangel leidenden Städte im Tiefland gegen Ende des 1. Jahrtausends vermutlich nicht den Untergang der Maya-Hochkultur herbeigeführt. In der klassischen Periode wurden einst blühende Städte über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten hinweg nach und nach verlassen und zugunsten von kleineren Dörfern und fruchtbarerem Boden aufgegeben.
Doch seit im 19. Jahrhundert in den unwegsamen Dschungelgebieten von Honduras und Guatemala Maya-Stätten entdeckt wurden, beschäftigt man sich auch wieder mit der Frage, was die Maya veranlasst haben mochte, ihre unglaublichen Metropolen für immer zu verlassen. Pollenproben aus Copán und aus der Provinz El Petén, wo sich einige der größten Maya-Siedlungen befanden, deuten darauf hin, dass es Mitte des 13. Jahrhunderts praktisch keinerlei Spuren menschlichen Lebens mehr dort gab.
Während bei den meisten Maya-Forschern Einigkeit darüber besteht, dass Überbevölkerung, lange Dürreperioden, die Überbeanspruchung der Böden und die Rodung der Wälder die Hauptfaktoren für den langsamen Niedergang waren, sind andere Theorien umstrittener. Wissenschaftler wie Jared Diamond haben in jüngster Zeit darauf aufmerksam gemacht, dass zwischen den Städten erbittert Krieg geführt wurde und dass diese Kämpfe unmittelbar vor dem Ende der klassischen Periode einen Höhepunkt erreichten.
Es gibt nur wenige, fragwürdige Hinweise auf Kannibalismus bei den Maya. Allerdings entdeckte der Maya-Forscher Peter Harrison in der spätklassischen Ruinenstätte Tikal in einer Kochgrube unter einem alten Haus verkohlte Menschenknochen, die Nagespuren von menschlichen Zähnen aufwiesen. Kannibalismus, so er denn im Tiefland praktiziert wurde, war höchstwahrscheinlich keine Form einer kultischen Handlung, sondern kam nur in Zeit bitterster Not vor, wenn alle Vorräte erschöpft waren.
In der wissenschaftlichen Literatur findet sich kein Hinweis darauf, dass die Maya an einer übertragbaren Prionenkrankheit litten.
Selbst in der Nähe von bewohnten Dörfern werden immer wieder neue Maya-Ruinen entdeckt. So wurden in den 1980er-Jahren in Oxpemul in Mexiko, weniger als fünfzig Meilen von einem dicht besiedelten Gebiet entfernt, die Überreste einer gewaltigen Maya-Stadt gefunden. In jüngerer Zeit stießen Archäologen auf eine Stätte in Holtun in Guatemala, wo Hunderte klassische Maya-Bauten unter einem Dschungelgebiet begraben lagen, das jahrhundertelang von den Menschen durchquert worden war.
Eine der größten Populationen des scharlachroten Aras in Mittelamerika zieht vom Osten Guatemalas nach Red Bank im Distrikt Stann Creek in Belize. Ich habe diese Route für meine beiden erfundenen Handlungsorte ausgesucht – für Chels Dorf Kiaqix und für Paktuls großartige versunkene Stadt Kanuataba.