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»Wie ich sehe, gehören Sie nicht zu den Feigsten,« unterbrach ihn mit einem halb spöttischen, halb herablassenden Lächeln Anton Stepanowitsch. »Man sieht gleich den Husaren!«

»Vor Ihnen würde ich auf keinen Fall Furcht haben,« versetzte Porfirij Kapitonowitsch und sah für einen Augenblick wirklich wie ein Husar aus. »Hören Sie aber weiter. Da kommt zu mir ein Nachbar zu Besuch, derselbe, mit dem ich Karten zu spielen pflegte. Er aß bei mir zu Mittag, was es eben gab, ließ mir so an die fünfzig Rubel für den Besuch zurück und wollte sich dann nach Hause begeben, denn draußen wurde es dunkel. Ich habe aber so gewisse Absichten und sage ihm: ›Bleib doch bei mir zu Nacht, Wassilij Wassilijewitsch; morgen gewinnet du mit Gottes Hilfe alles zurück.‹ Mein Wassilij Wassilijewitsch überlegt sich hin und her und bleibt. Ich lasse ihm das Bett in meinem Schlafzimmer richten... Wir legen uns hin, rauchen und plaudern noch eine Weile – hauptsächlich über das zarte Geschlecht, wie es sich unter Junggesellen gehört, – scherzen ein bißchen... Ich sehe: Wassilij Wassilijewitsch löscht seine Kerze aus, und kehrt mir den Rücken; das heißt: Gute Nacht! Ich warte noch eine Weile und lösche auch meine Kerze aus. Nun denken Sie sich: ich habe noch gar nicht nachgedacht, was es nun für eine Karambolage geben wird, als das liebe Geschöpf auch schon zu lärmen anfängt. Es begnügt sich nicht mit dem gewöhnlichen Lärm, sondern kriecht unter dem Bette hervor, geht durchs Zimmer, klopft mit den Pfoten auf die Diele, klappert mit den Ohren und stößt plötzlich an den Stuhl, der neben Wassilij Wassilijewitschs Bett steht. – ›Porfirij Kapitonowitsch,‹ sagt der, und zwar mit einer ganz gleichgültigen Stimme, ›ich wußte gar nicht, daß du dir einen Hund angeschafft hast. Was ist's für einer? Ein Hühnerhund oder was?‹ – ›Ich habe gar keinen Hund,‹ sage ich ihm darauf, ›und habe auch nie einen gehabt!‹ – ›Was, du hast keinen Hund? Und was ist denn das?‹ – ›Was das ist? Zünde die Kerze an, so wirst du es selbst sehen.‹ – ›Ist das kein Hund?‹ – ›Nein.‹ – Wassilij Wassilijewitsch dreht sich im Bette um. – ›Du scherzest wohl, mein Lieber?‹ ›Nein, ich scherze nicht.‹ – Da höre ich, wie er ein Zündhölzchen an der Schachtel reibt; das Vieh treibt aber noch immer sein Wesen und juckt sich das Fell. Endlich brennt die Kerze und... basta! Keine Spur mehr! Wassilij Wassilijewitsch sieht mich an, – und ich sehe ihn an. – ›Was ist das,‹ fragt er mich, ›für ein Witz?‹ – ›Das ist so ein Witz,‹ sage ich ihm, ›daß, wenn du an die eine Seite Sokrates in eigener Person und an die andere Friedrich den Großen hinsetzt, so werden auch die daraus nicht klug werden.‹ – Und ich erzähle ihm alles mit sämtlichen Einzelheiten. Wie da mein Wassilij Wassilijewitsch aufspringt! Wie wenn er sich verbrüht hätte! Kann unmöglich mit den Füßen in seine Stiefel hineingeraten. – ›Einspannen!‹ schreit er: ›Einspannen!‹ – Ich versuche ihn zu besänftigen, er will aber auf nichts hören! Er seufzt und ächzt. – ›Ich bleibe keine Minute länger hier! Du bist nach alledem ein verdammter Mensch! Einspannen!‹ Endlich gelang es mir, ihn zu überreden. Nur mußte ich sein Bett in ein anderes Zimmer schleppen und in allen Ecken Nachtlichter anzünden lassen. Am nächsten Morgen beim Tee war er schon einigermaßen ruhiger und begann, mir Ratschläge zu geben. ›Du solltest versuchen, Porfirij Kapitonowitsch,‹ sagte er mir, ›für einige Tage das Haus zu verlassen: vielleicht wirst du dann diesen Teufelsdreck loswerden.‹ – Ich muß Ihnen aber sagen, meine Herren, daß dieser Nachbar ein Mann von ungewöhnlichem Verstande war! Unter anderem hatte er seine eigene Schwiegermutter so ganz wunderbar herumgekriegt: er hatte sie einen Wechsel unterschreiben lassen, doch so, daß sie es selbst gar nicht merkte, eine so gefühlvolle Stunde hatte er sich dazu ausgesucht. Sie wurde weich wie Butter, gab ihm sogar eine Vollmacht zur Verwaltung des ganzen Gutes – was hätte er sich noch wünschen können? Und das ist doch wirklich nicht leicht, eine Schwiegermutter so herumzukriegen! Was meinen Sie, meine Herren? Er verließ mich aber ziemlich mißvergnügt: ich hatte ihm nämlich wieder an die hundert Rubel im Kartenspiel abgeknöpft. Er schimpfte sogar auf mich und sagte, daß ich undankbar und gefühllos sei. Was traf mich aber für eine Schuld? Nun, das alles versteht sich von selbst, – seinen Rat nahm ich aber zur Kenntnis: noch am gleichen Tage reiste ich in die Stadt und mietete mich in einem Gasthaus, bei einem mir bekannten alten Sektierer ein. Dieser war ein höchst ehrenwerter Greis, wenn auch etwas unwirsch infolge seiner Zurückgezogenheit: seine ganze Familie war ihm ausgestorben. Nur konnte er in seinem Hause keinen Tabakrauch leiden, und gegen Hunde hatte er eine ganz schreckliche Abneigung: ich glaube, er würde es vorziehen, sich selbst eigenhändig in Stücke zu reißen, als einen Hund zu sich über die Schwelle zu lassen! Er pflegte zu sagen: ›Hier in meiner Kammer geruht an der Wand die Himmelskönigin in eigener Person zu wohnen; wie sähe es aus, wenn ein unflätiger Hund seine unsaubere Schnauze gegen die gleiche Wand erheben wollte!‹ Man kennt es ja – Unbildung! Im übrigen bin ich der Meinung: ein jeder soll sich an die Weisheit halten, die ihm gegeben ist!«

»Wie ich sehe, sind Sie ein großer Philosoph!« unterbrach ihn schon wieder Anton Stepanowitsch mit dem gleichen ironischen Lächeln.

Porfirij Kapitonowitsch runzelte diesmal sogar die Stirne.

»Was ich für ein Philosoph bin, das ist noch ungewiß,« versetzte er, sich nervös den Schnurrbart zupfend. »Aber Sie würde ich gerne in die Lehre nehmen!«

Wir alle blickten erwartungsvoll auf Anton Stepanowitsch: ein jeder von uns erwartete eine stolze Antwort oder wenigstens einen strafenden Blick... Doch der Herr Staatsrat veränderte sein ironisches Lächeln in ein gleichgültiges, gähnte, schlenkerte etwas mit dem Fuß, – und das war alles!

»Bei eben diesem Greis mietete ich mich ein,« fuhr Porfirij Kapitonowitsch fort. – »Er gab mir aus Bekanntschaft eine ziemlich elende Kammer; er selbst hauste dicht daneben, hinter einer dünnen Bretterwand, doch das paßte mir ausgezeichnet. Diese paar Tage waren für mich übrigens ein wahres Martyrium! Die Kammer war klein, und dazu die Hitze, die stickige Luft, die vielen Fliegen, die so eigentümlich klebrig schienen. In der Ecke stand ein mächtiger Heiligenschrein mit uralten Bildern; die Beschläge an den Bildern waren trübe, pompös, doch innen hohl; es roch nach Lampenöl und nach anderen Spezereien. Auf dem Bette lagen zwei Daunenpfühle, wenn ich aber ein Kissen anrührte, so lief schon gleich eine Schabe hervor... Aus lauter Langeweile trank ich eine Unmenge Tee – ein wahres Elend! Schließlich legte ich mich hin. Vom Einschlafen war nicht die Rede, – denn der Wirt hinter dem Verschlage wollte gar nicht aufhören zu seufzen, zu stöhnen und Gebete zu lesen. Schließlich begab er sich doch zur Ruhe. Ich höre: er schnarcht, aber so ganz leise, ganz bescheiden und altmodisch. Die Kerze hatte ich schon längst ausgeblasen, vor den Heiligenbildern brennt aber noch ein Lämpchen... Also ein Hindernis! Ich stehe leise auf, schleiche barfuß in die Ecke zum Heiligenschrein und blase das Lämpchen aus... Nichts geschieht. – Aha! – sage ich mir, – bei Fremden will es nicht anbeißen... Kaum lege ich mich aber ins Bett, als die Geschichte schon wieder losgeht! Es scharrt und kratzt, und klappert mit den Ohren... Mit einem Worte ganz wie es sich gehört! Gut. Ich liege da und warte, was weiter geschieht. Da höre ich wie der Alte aufwacht. – ›Herr‹, sagt er mir, ›Herr!‹, – ›Was denn?‹ –›Hast du die Lampe ausgeblasen?‹ Und ohne meine Antwort abzuwarten, fängt er auf einmal an zu schimpfen: ›Was ist das? Was ist das? Ein Hund? Ein Hund! Ach du verdammter Ketzer!‹ ›Warte Alter mit dem Schimpfen,‹ sage ich, ›komme lieber zu mir herüber, hier gehen erstaunliche Dinge vor.‹ Der Alte krächzt noch eine Weile und kommt dann zu mir ins Zimmer, mit einer ungewöhnlich dünnen Kerze aus gelbem Wachs in der Hand; er macht einen wirklich merkwürdigen Eindruck! Er ist ganz struppig, die Ohren sind behaart, die Augen böse wie bei einem Iltis, auf dem Kopfe hat er eine weiße Kappe aus Filz, der Bart reicht ihm bis zum Gürtel und ist ebenfalls weiß, über dem Hemde trägt er eine Weste mit Messingknöpfen und an den Beinen Pelzstiefel; und obendrein riecht er nach Wacholder. In diesem Aufzuge ging er zu den Heiligenbildern, bekreuzigte sich dreimal nach dem Ritus der Altgläubigen mit zwei Fingern, zündete das Lämpchen an, bekreuzigte sich wieder, wandte sich dann zu mir und fuhr mich an: ›Erkläre!‹ – Und nun erzähle ich ihm sofort alles, ohne irgend etwas zu verheimlichen. Der Alte hört mich aufmerksam an, unterbricht mich mit keinem Wort, schüttelt nur ununterbrochen den Kopf. Dann setzt er sich zu mir aufs Bett und schweigt noch immer; kratzt sich die Brust, den Nacken und das übrige und schweigt. – ›Nun, Fedul Iwanowitsch,‹ sage ich ihm, ›was meinst du dazu? Ist das ein höllisches Blendwerk oder was?‹ – Der Alte sieht mich an und sagt: ›Was redest du von einem höllischen Blendwerk! Wenn es noch in deinem Hause wäre, du Ketzer – aber hier! Bedenke doch nur, wieviel Heiligkeit hier in meinen Räumen ist! Wie könnte hier höllisches Blendwerk hereinkommen!‹ – ›Und wenn es keines ist, was ist es dann?‹ – Der Alte schweigt wieder eine Weile, kratzt sich und sagt schließlich mit dumpfer Stimme, denn der Bart wächst ihm in den Mund hinein; ›Begib dich in die Stadt Bjelew. Außer einem gewissen Menschen kann dir niemand helfen. Und dieser Mensch wohnt in Bjelew: er ist einer von den Unsrigen. Wenn er dir helfen will, ist es dein Glück; will er aber nicht, so muß es bleiben, wie es ist.‹ – ›Und wie soll ich diesen Menschen finden?‹ frage ich ihn. – ›Das kann ich dir ganz genau sagen, aber wie kannst du nur von höllischem Blendwerk sprechen? Es ist entweder eine Erscheinung, oder ein Zeichen; verstehen kannst du es sowieso nicht, denn dazu reicht dein Verstand nicht aus. Lege dich jetzt im Namen Christi schlafen, ich werde ein wenig mit Weihrauch räuchern, und morgen wollen wir sprechen. Denn Morgenstunde hat Gold im Munde.‹