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Am anderen Morgen besprachen wir noch einmal die Sache, doch war ich von seinem Weihrauch beinahe erstickt. Und der Alte gab mir folgende Anweisung: In Bjelew angekommen, sollte ich mich sofort auf den Marktplatz begeben und im zweiten Laden rechter Hand nach einem gewissen Prochorytsch fragen. Und diesem Prochorytsch sollte ich ein Handschreiben übergeben. Dieses Handschreiben bestand aus einem Papierfetzen, auf dem folgendes geschrieben war: ›Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiliges Geistes. Amen. An Ssergej Prochorowitsch Perwuschin. Traue diesem. Feodul Iwanowitsch.‹ Und unten stand noch: ›Schick mir Kraut, um Christi Willen.‹

Ich dankte dem Alten, ließ sofort meinen Reisewagen anspannen und machte mich auf die Reise nach Bjelew. Denn ich sagte mir: obwohl mir mein nächtlicher Besucher eigentlich wenig Kummer zufügt, so ist die Sache doch etwas unheimlich und auch nicht ganz anständig für einen Adligen und Offizier – was meinen Sie?«

»Sind Sie denn wirklich nach Bjelew gereist?« flüsterte Herr Finoplentow.

»Geradewegs nach Bjelew. Ich ging auf den Marktplatz und fragte im zweiten Laden rechter Hand nach Prochorytsch: ›Gibt's hier so einen Menschen?‹ – ›So einen gibt es schon.‹ – ›Und wo wohnt er?‹ – ›An der Oka, hinter den Gemüsegärten.‹ – ›In wessen Haus?‹ – ›In seinem eigenen.‹ Ich ging also zur Oka und fand sein Haus; es war eigentlich kein Haus, sondern eine baufällige Hütte. Ich sehe einen Mann in blauem geflicktem Kittel und zerrissener Mütze; wie ein Kleinbürger sieht er aus. Er steht mit dem Rücken zu mir und gräbt in seinem Krautgarten. Ich gehe auf ihn zu. – ›Sind Sie der und der?‹ – Er wendet sich zu mir um, und ich muß Ihnen sagen, daß ich so durchdringende Augen noch nie gesehen habe. Im übrigen ist das ganze Gesicht so groß wie eine Faust; hat ein Ziegenbärtchen und eingefallene Lippen, mit einem Worte – ein alter Mann. – ›Ich bin der und der,‹ sagt er mir, ›und was wünschen Sie?‹ – ›Das werden Sie gleich erfahren,‹ sage ich und reiche ihm den Zettel. Er mustert mich sehr aufmerksam und sagt: ›Wollen Sie gefälligst in die Stube kommen; ohne Brille kann ich nicht lesen.‹ Wir gingen also zusammen in seine Hütte; es war tatsächlich eine Hütte: arm, kahl und schief; die Wände hielten sich kaum zusammen. An einer Wand hing ein uraltes Heiligenbild, schwarz wie Kohle; nur die Augen leuchteten darauf weiß. Er holte aus der Tischlade eine runde eiserne Brille, setzte sie sich auf die Nase, las das Sendschreiben und blickte mich noch einmal über die Brille hinweg an. – ›Haben Sie ein Anliegen?‹ – ›Richtig, ich habe ein Anliegen.‹ – ›Nun, wenn Sie ein Anliegen haben, so melden Sie mir alles, und ich werde zuhören.‹ – Stellen Sie sich vor: er setzt sich selbst hin, holt aus der Tasche ein karriertes Tuch und breitet es über seine Knie aus, – und das Tuch ist voller Löcher. Und sieht mich dabei so würdevoll an, wie ein Senator oder ein Minister; mich fordert er aber gar nicht zum Sitzen auf. Und was noch viel merkwürdiger ist: ich fühle plötzlich, daß ich ganz schüchtern werde; ich ersterbe förmlich. Er durchbohrt mich mit den Augen. Ich fasse mir jedoch ein Herz und erzähle ihm meine ganze Geschichte. Er schweigt eine Weile, rückt hin und her, kaut ein bißchen mit den Lippen und beginnt mich auszufragen, wieder wie ein Senator, so würdevoll und ohne sich zu übereilen. Wie ich heiße? Alter? Wer meine Eltern gewesen? Ob ich ledig sei oder verheiratet? – Dann kaut er wieder mit den Lippen, runzelt die Stirne, hebt einen Finger und sagt:

–›Verbeugen Sie sich zuerst vor dem Bilde der heiligen Bischöfe von Ssolowezk, Zosima und Sawwatius.‹

– Ich verbeugte mich bis zur Erde und blieb auf den Knien; ich fühlte in mir ein solche Furcht vor dem Manne und eine solche Demut, daß ich wohl alles getan hätte, was er mir auch befohlen haben würde!... Ich sehe, meine Herren, Sie schmunzeln; mir war aber damals ganz anders zumute, bei Gott! – ›Stehen Sie auf, Herr,‹ sagte er schließlich. ›Ihnen kann geholfen werden. Dies ist Ihnen nicht als Strafe beschert, sondern als Warnung; es besteht wohl eine himmlische Fürsorge für Sie; wahrscheinlich betet jemand für Sie. Gehen Sie jetzt auf den Markt und kaufen Sie sich einen jungen Hund; diesen Hund halten Sie bei sich Tag und Nacht. Die Erscheinungen werden aufhören, und außerdem wird Ihnen der Hund nützlich sein.‹

Es war mir, als ob mir ein Licht aufginge; seine Worte machten mir große Freude! Ich verbeugte mich vor Prochorytsch und wollte gehen, als mir noch einfiel, daß ich mich ihm doch irgendwie erkenntlich zeigen müsse: ich zog aus dem Beutel einen Dreirubelschein. Er schob aber meine Hand von sich fort und sagte: ›Geben Sie das Geld in unsere Kapelle oder an die Armen, aber mein Dienst ist unentgeltlich.‹ Ich verbeugte mich wieder vor ihm, fast bis zum Boden, und begab mich sofort auf den Markt. Und denken Sie sich: kaum komme ich zu den Marktbuden, begegnet mir schon ein Kerl in einem Friesmantel und trägt unter dem Arm einen jungen Hühnerhund, zwei Monate alt, braun mit weißer Schnauze und weißen Vorderpfoten. ›Halt!‹ sage ich dem Mann: ›Was willst du für den Hund?‹ – ›Zwei Rubel.‹ – ›Da hast du drei Rubel!‹ Jener wundert sich und glaubt wohl, daß der Herr verrückt geworden sei; ich drücke ihm aber die Banknote in die Hand, nehme den Hund und steige sofort in den Reisewagen. Der Kutscher spannte rasch an, und am gleichen Abend war ich zu Hause. Der Hund saß auf dem ganzen Wege unter meinem Mantel und gab keinen Ton von sich; ich sagte ihm immer: ›Tresoruschka, Tresoruschka!‹ Zu Hause gab ich ihm sofort zu fressen und zu trinken, ließ Stroh bringen, richtete ihm das Lager und ging selbst zu Bett. Nun blies ich die Kerze aus; es wurde dunkel. ›Nun,‹ sage ich, ›fange an!‹ Es bleibt still. ›Fang doch an, du Teufelsvieh!‹ Kein Ton, wär's auch nur zum Scherz gewesen. Ich werde kühn: ›Fang' doch an, du verdammtes Höllenvieh!‹ Wieder kein Ton – es ist aus! Ich höre nur, wie mein Hund schnarcht. – ›Filjka!‹ schreie ich, ›Filjka! Komm doch her, du dummer Kerl!‹ Er kommt herein. – ›Hörst du den Hund?‹ – ›Nein,‹ sagt er, ›ich höre nichts, Herr,‹ und lacht selbst dabei. – ›Und wirst ihn auch nie wieder hören! Da hast du einen halben Rubel für Schnaps!‹ – ›Lassen Sie mich Ihre Hand küssen,‹ sagt der Narr und geht im Finstern auf mich los... Die Freude war wirklich groß, sage ich Ihnen.«